Oskar Spiegelhalder

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Oskar Spiegelhalder (1864–1925), Foto vom Juni 1906, Stadtarchiv Villingen-Schwenningen

Oskar Johann Spiegelhalder (* 15. Oktober 1864 in Lenzkirch; † 17. Dezember 1925 ebenda) war Direktor der Aktiengesellschaft für Uhrenfabrikation Lenzkirch[1] und Sammler von Schwarzwälder Volkskunst, unter anderem Schwarzwalduhren, Schwarzwaldglas, Hinterglasbilder, Strohflechterei, Schneflerei, Bauernmöbel und Werkzeug.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Porträt Oskar Spiegelhalders beim Militärdienst 1886, Franziskanermuseum Villingen-Schwenningen, Leihgabe Stadtarchiv

Jugend, Ausbildung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Oskar Spiegelhalder wurde am 15. Oktober 1864 in Lenzkirch als ältestes von drei Kindern geboren. Kurz nach seiner Geburt lebte Oskar ein Jahr lang bei seiner Großmutter in Falkau. 1871 erwarb der Vater Joseph Spiegelhalder (1837–1901) für die Familie ein eigenes Haus in Lenzkirch. Die Geschwister Hedwig und Ernst wurden 1866 und 1869 geboren. Die Familie Spiegelhalder gehörte zu den wohlhabenden Familien Lenzkirchs. Die Kinder erhielten Klavier- und Zeichenunterricht sowie Privatunterricht in Französisch. Nach der Volksschule in Lenzkirch besuchte Oskar Spiegelhalder die Höhere Bürgerschule in Freiburg im Breisgau und die Höhere Handelsschule in Stuttgart.

Beruf: Uhrenfabrikant[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als ältester Sohn sollte er beruflich in die Fußstapfen des Vaters treten und eine kaufmännische Lehre absolvieren. Oskar arbeitete während seiner Lehrzeit in Paris und London bei verschiedenen Geschäftspartnern der Lenzkircher Uhrenfabrik. Nach einjährigem Militärdienst in Konstanz trat Oskar Spiegelhalder 1886 in die Aktiengesellschaft für Uhrenfabrikation Lenzkirch ein, bei der er bald im Außendienst arbeitete. Im Rahmen seiner Tätigkeit unternahm er viele Reisen. Während seiner Aufenthalte in den europäischen Metropolen lernte Spiegelhalder die unterschiedlichsten zeitgenössischen Kulturformen kennen. Er besuchte Kunstausstellungen und Museen, Theater- und Opernhäuser, aber auch Varieté- und Zirkusvorstellungen. 1893 wurde Oskar Spiegelhalder in den Vorstand der Lenzkircher Uhrenfabrik berufen und war von 1908 bis 1909 ihr Direktor.

Familie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1895 heiratete Spiegelhalder Hermine, geb. Jägler. Ihre erste und einzige Tochter Maria Theresia wurde 1898 geboren. Sie starb 1983 kinderlos.

Sammlungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Franziskanermuseum Villingen-Schwenningen, Schwarzwaldsammlung Spiegelhalder

Bereits wenige Jahre nachdem Spiegelhalder begonnen hatte, als Handelsvertreter der Lenzkircher Uhrenfabrik größere Reisen zu unternehmen, fing er mit dem Aufbau der ersten Sammlung an: „Meine Sammeltätigkeit zur Volkskunde des hohen Schwarzwaldes begann gelegentlich von Ausflügen, die ich im Jahre 1889 in die nähere & entferntere Umgegend von Lenzkirch machte. Doch erst seit dem Jahre 1890, nachdem ich zufällig die Sammlung des Vereins für Deutsche Volkstrachten & Hauseinrichtungsgegenstände in Berlin Klosterstraße kennen lernte, fing ich an systematisch zu sammeln.“[2] Die Systematik seiner Sammlung ist zunächst stark durch ebendieses Berliner Vorbild, das spätere Museum für Deutsche Volkskunde, bestimmt.

Erste Sammlung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Spiegelhalder lagerte die Gegenstände, die er zusammentrug, im Haus seiner Eltern, bei denen er zu diesem Zeitpunkt auch wohnte. 1894 besichtigte der Volkskundler Elard Hugo Meyer den Speicher. Er erkannte die Qualität der zusammengetragenen Objekte und weckte durch seine halböffentlich artikulierte Anerkennung das Interesse der Stadt Freiburg an Spiegelhalders Objekten. Nach einigen Verhandlungen wurden 1896 schließlich 1.225 Exponate zum Kaufpreis von 16.000.- Mark für die damaligen Städtischen Sammlungen Freiburg erworben. Heute wird die Sammlung im Augustinermuseum Freiburg verwahrt.

Zweite Sammlung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Schnidesel im Villinger Franziskanermuseum (1910 in Falkau erworben)

Spiegelhalder begann nach dem Verkauf sofort wieder damit, weiter zu sammeln, die Objekte deponierte er an gleicher Stelle. 1906 wählte er daraus einige Stücke aus und präsentierte sie öffentlich in seinem eigenen Wohnhaus in Lenzkirch. Diese Schausammlung mit 1.342 Exponaten verkaufte er 1909 für 33.000.- Mark an den badischen Staat, der sie in die „Großherzogliche Vereinigte Sammlung“, in deren Abteilung „Badische Trachten und Hausgeräte“ überführte. Die Schwerpunkte der Karlsruher Spiegelhalder-Sammlung lagen im Bereich der Gewerbe- und Industriegeschichte des Hochschwarzwaldes (Uhrmacherei, Glasbläserei und Strohflechterei). Bis heute haben sich davon wegen Kriegsschäden nur etwa 800 Objekte erhalten, die in der Sammlungsausstellungen des Badischen Landesmuseums in Karlsruhe untergebracht sind.

Dritte Sammlung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mit den verbliebenen Stücken aus seinem Elternhaus füllte Spiegelhalder die leeren Räume in seinem eigenen Haus sofort wieder und öffnete sie erneut dem Publikum. Diese dritte Sammlung ergänzte er in den nächsten Jahren erheblich. Bereits 1910/11 bot er sie der Stadt Freiburg zum Kauf an, die aber ablehnte.[3] In den zwanziger Jahren verstärkte er wieder seine Verkaufsaktivitäten. Nach einigen Verhandlungen mit dem badischen Staat und verschiedenen Städten verkaufte seine Witwe schließlich 1929 die 2.610 Exponate zusammen mit seiner Privatbibliothek für 60.000.- Reichsmark an die Stadt Villingen. Heute ist diese im Franziskanermuseum Villingen-Schwenningen zu besichtigen. Die Schwarzwald-Bibliothek umfasst über 650 Bücher die Spiegelhalder noch selbst katalogisiert hatte, sie sind als Sondersammlung Bestandteil der Bibliothek des Stadtarchivs und der Museen Villingen-Schwenningen.

Eine Zeitgenossin Oskar Spiegelhalders war die Konzertsängerin Helene Siegfried-Aichele (1867–1966), die sich bei Grafenhausen-Rothaus das Hüsli im alten Schwarzwaldhausstil erbaute, auch sie sammelte alte Schwarzwälder Volkskunst.

Die Sammlungstätigkeit Spiegelhalders war von 2012 bis 2015 Gegenstand eines von der Volkswagenstiftung geförderten Forschungsprojektes des Franziskanermuseums in Villingen-Schwenningen.[4][5]

Spiegelhalders Wohnhaus in Lenzkirch (2013)

Villa Spiegelhalder[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Spiegelhalder erwarb sein Haus in der Freiburger Straße im Jahr 1903. Es befindet sich direkt neben dem 1848 erbauten Haus des Fabrikanten und späteren Reichstagsabgeordneten Paul Tritscheller. Seit den späten 1990er-Jahren stand das Gebäude leer. Durch das undichte Dach drang seit mehreren Jahren Regenwasser ins Innere, die Kellertreppe war eingestürzt. Die Gemeinde Lenzkirche hatte ELER-Mittel beantragt, um das Gebäude, ebenso, wie das nahegelegene Gasthaus zum Löwen, erwerben und abzureißen zu können. Im Sommer 2016 wurde jedoch bekannt, dass der bisherige Eigentümer aus Freiburg die Spiegelhalder-Villa an einen privaten Käufer aus Bollschweil verkauft hatte, dessen späteres Gebot höher gewesen war, als das der Gemeinde. Der neue Eigentümer kündigte an, es in den nächsten zwei bis drei Jahren sanieren und wieder bewohnbar machen zu wollen.[6][veraltet]

Schriften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Die Glasindustrie auf dem Schwarzwald. In: Mitteilungen des Vereins der Königlichen Sammlung für deutsche Volkskunde zu Berlin 3, 1908

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Peter Paul Albert: Die Schwarzwaldsammlung von Oskar Spiegelhalder in Lenzkirch. Zwei Jahrhunderte Schwarzwälder Hausindustrie und Volksleben. In: Zeitschrift der Gesellschaft für Beförderung der Geschichts-, Altertums- und Volkskunde von Freiburg, dem Breisgau und den angrenzenden Landschaften Bd. 25, 1909, S. 91–124 (Digitalisat).
  • Schwarzwälder Glas und Glashütten. Bestandskatalog des Franziskaner-Museums Villingen, Abt. Schwarzwaldsammlung Stadt Villingen-Schwenningen, Villingen-Schwenningen 1976.
  • Raimund Adamczyk: Oskar Spiegelhalder 1864–1925. Stadt Villingen-Schwenningen, Villingen-Schwenningen 1989.
  • Brigitte Heck: Zur Entstehungsgeschichte volkskundlicher Sammlungen. Oskar Spiegelhalder und sein Beitrag zur Museologie. Unpublizierte Magisterarbeit, Freiburg 1989.
  • Anita Auer, Reinhold Krämer: Mit den Augen des Sammlers. Die Schwarzwaldsammlung Oskar Spiegelhalders. Franziskanermuseum, Villingen-Schwenningen 2000.
  • Michaela Haibl, Gudrun M. König, Anita Auer, Christina Ludwig (Hg.): Die Leidenschaften des Sammlers. Oskar Spiegelhalder als Wissenschaftsamateur. Villingen-Schwenningen 2015.
  • Christina Ludwig: Die Signatur des Schwarzwalds. Volkskundliches Sammeln um 1900 am Beispiel des Wissenschaftsamateurs Oskar Spiegelhalder (1864–1925). Waxmann, Münster u. a. 2021, ISBN 978-3-8309-4373-0.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Oskar Spiegelhalder – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. in: Deutsche Uhrmacher-Zeitung, Band 32, 1908, S. 277, Vorschau in der Google-Buchsuche
  2. Manuskript „Schwarzwald-Sammlung von Oskar Spiegelhalder in Lenzkirch“, Stadtarchiv Villingen-Schwenningen 2.42.1-1.
  3. Brigitte Heck: Zur Entstehungsgeschichte volkskundlicher Sammlungen. Oskar Spiegelhalder und sein Beitrag zur Museologie. Magisterarbeit Freiburg 1989, S. 42ff.
  4. Franziskanermuseum und TU Dortmund starten Forschungsprojekt zu Oskar Spiegelhalder. In: villingen-schwenningen.de. 29. Februar 2012, abgerufen am 2. Mai 2020 (Pressemeldung der Stadtverwaltung).
  5. Anita Auer: Die Schwarzwaldsammlung Oskar Spiegelhalders (1864–1925). Unveränderbares Kulturdenkmal oder erweiterbarer Sammlungsansatz? (Memento vom 7. März 2013 im Internet Archive) (PDF; 22 kB) Website des Deutschen Museumsbundes. Abgerufen am 9. Juli 2013
  6. Ralf Morys: Ehemaliges Gasthaus "Löwen" wird abgerissen - Villa Spiegelhalder bleibt erhalten. Badische Zeitung, 25. August 2016, abgerufen am 2. Mai 2020.