Peter Scholl-Latour

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Peter Scholl-Latour, 2008

Peter Roman Scholl-Latour (* 9. März 1924 in Bochum als Peter Roman Scholl; † 16. August 2014 in Rhöndorf) war ein deutsch-französischer Journalist, Sachbuchautor und Publizist.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Jugend und Ausbildung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Peter Scholl-Latour war der Sohn des in Zabern (Elsass) geborenen und in Lothringen aufgewachsenen Arztes Otto Konrad Scholl (1888–1960)[1][2] und dessen Ehefrau Mathilde Zerline Nußbaum (1896–1991, Schwester des Arztes Robert Nußbaum, der im KZ Sachsenhausen ermordet wurde). Scholl-Latours Großvater mütterlicherseits, Moritz Nussbaum, stammte aus Warburg und war Gymnasiallehrer im Elsass.

Scholl-Latour galt wegen seiner jüdischen Mutter nach jüdischem Glauben als Jude. Im Sinne der Nürnberger Rassegesetze war er ein „Mischling ersten Grades“. Er selbst bezeichnete sich sein Leben lang als katholischen Christen. Der Zeitpunkt und die Hintergründe der Erweiterung seines Nachnamens von „Scholl“ zu „Scholl-Latour“ sind ungeklärt. Latour war der Mädchenname einer seiner Urgroßmütter väterlicherseits, jedoch trugen weder sein Vater noch sein Großvater diesen Doppelnamen.

1936 schickten seine Eltern den katholisch getauften Knaben auf das ehemalige Jesuitenkolleg Sankt Michael im schweizerischen Freiburg. Nachdem den Eltern weitere Geldüberweisungen in die Schweiz untersagt waren, musste er das Kolleg 1940 verlassen und nach Deutschland zurückkehren. Auf dem Wilhelmsgymnasium in Kassel legte Scholl-Latour 1943 die Abiturprüfung ab. In seinem Buch Leben mit Frankreich – Stationen eines halben Jahrhunderts berichtete er, dass er sich nach der Befreiung Frankreichs von der deutschen Besetzung 1944 freiwillig zur französischen Armee melden wollte. Da sein Versuch aber scheiterte, bei Metz ins französisch kontrollierte Gebiet zu gelangen, beschloss er, Deutschland über Jugoslawien zu verlassen. Er wurde aber schon in der Steiermark verhaftet und war 1945 in Gestapo-Haft in Graz, Wien und Prag. In der Gefangenschaft erkrankte er an Flecktyphus und kam in ein Krankenhaus. Nach seiner Genesung meldete sich Scholl-Latour 1945/1946 zu der französischen Fallschirmjägereinheit Commando Ponchardier, die in der vom japanischen Kaiserreich zurückgegebenen Kolonie Indochina eingesetzt war.

Ab 1948 studierte er an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und der Pariser Sorbonne zunächst ein Semester lang Medizin,[3] sodann Philologie und Politikwissenschaft. 1950 erwarb er die Licence en lettres an der Sorbonne und 1951 das Diplôme des Sciences Politiques am Sciences Po (Paris); danach setzte er sein Studium an der Sorbonne fort, das er im Januar 1954 mit einer Promotion über Rudolf G. Binding abschloss. Von 1956 bis 1958 studierte er Arabistik und Islamkunde am Sprachzentrum Bikfaya der Beiruter Université Saint-Joseph und schloss mit der Diplomprüfung ab.[4]

Tätigkeit als Journalist[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Plakat zu Kundgebung mit Scholl-Latour und CDU-Spitzenpolitikern (1966)

Scholl-Latour arbeitete schon während des Studiums als Reisejournalist für deutsche und französische Zeitungen und Rundfunkanstalten. Sein Volontariat absolvierte er 1948 bei der Saarbrücker Zeitung, nachdem Le Monde bereits eine Reportage über eine illegale Reise durch die sowjetische Besatzungszone von ihm abgedruckt hatte.[5] Für seine Berichte bereiste er Amerika, Afrika, den Vorderen Orient und große Teile Südost- und Ostasiens.

In den Jahren 1954 und 1955 war er Sprecher der Regierung des Saarlandes, wo er zunächst zum Mitarbeiter und Pressesprecher des Amtes für Europäische und Auswärtige Angelegenheiten in Diensten des Ministerpräsidenten Johannes Hoffmann berufen wurde. Während seines anschließenden Studiums in Beirut berichtete er von dort als Korrespondent und bereiste ab 1959 Afrika und Südostasien. Ab 1960 arbeitete er für den Hörfunk: Bis 1963 war er ständiger Afrikakorrespondent der ARD mit Sitz in Léopoldville (heute Kinshasa) und Brazzaville. 1963 wechselte er zum Fernsehen und gründete das vom WDR verantwortete ARD-Studio in Paris, das er bis 1969 leitete. Von 1969 bis 1971 war er als WDR-Fernsehdirektor für das 1965 gegründete Westdeutsche Fernsehen (WDF) verantwortlich.[6] In seine Amtszeit fielen unter anderem die Einführung des Schulfernsehens und der Lach- und Sachgeschichten, Vorläufer der Sendung mit der Maus, sowie der kontroverse Fernsehfilm Das Millionenspiel und die Chronik der laufenden Ereignisse von Peter Handke. Nach seinem Wechsel als Chefkorrespondent zum ZDF (1971) leitete er von 1975 bis 1983 zusätzlich das Pariser ZDF-Studio.[4]

Scholl-Latour reiste von Paris aus regelmäßig als Sonderkorrespondent nach Vietnam, wo er und sein Kamerateam 1973 von den Vietcong gefangen genommen, nach einer Woche jedoch wieder freigelassen wurden. 1976 bereiste er erneut Vietnam, 1978 Kanada, 1980 Kambodscha und 1981 China und Afghanistan.

Seit 1978 stand Scholl-Latour durch seine Beziehung zu Sadegh Tabatabai in Kontakt zu Ayatollah Chomeini, der sich damals in Neauphle-le-Château bei Paris im Exil befand. Er war mit einem Filmteam in Teheran und zeigte anschließend Chomeini das Material. Dadurch gehörte er zu den privilegierten Journalisten, die den Revolutionsführer bei seiner Rückkehr in den Iran im Flugzeug begleiten durften. Wie er in seinen Büchern schrieb und 2009 in einem Deutsche-Welle-Interview erzählte, Zitat: „und Tabatabei sagte zu mir: ‚Der Imam verrichtet nun sein Morgengebet, wenn Sie wollen, können Sie ihn dabei filmen.‘ Das war sehr ungewöhnlich. Und dann geschah etwas ganz Merkwürdiges. Er übergab Tabatabei ein großes, gelbes Kuvert, das dieser an mich weitergab und sagte: ‚Wenn wir bei der Ankunft in Teheran verhaftet oder sogar umgebracht werden, dann verstecken sie dieses Kuvert gut. Wenn alles gut geht, dann geben sie es mir bitte wieder zurück.‘ Als wir ankamen, jubelten dort zwei Millionen Menschen Khomeini entgegen. Ich gab das Kuvert also zurück. Ich habe erst acht Monate später erfahren, was darin war: Es war die Verfassung der islamischen Republik Iran.“[7] Er trug anschließend immer ein Foto von sich und Chomeini mit sich, um sich in der muslimischen Welt „auszuweisen“.[6]

2011 interviewte er den syrischen Staatspräsidenten Baschar al-Assad.[8]

Arbeit als Sachbuchautor und Publizist[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Peter Scholl-Latour (im Gespräch mit Thomas Kielinger) auf der Frankfurter Buchmesse 1988

Zu vielen Themen und Weltregionen veröffentlichte er Sachbücher, zuerst 1961 mit Matata am Kongo. Die über 30 Bücher erreichten eine Gesamtauflage von rund 10 Millionen Exemplaren.[9] Sein 1979/1980 über Indochina erschienenes Buch Der Tod im Reisfeld war mit 1,3 Millionen Exemplaren zum Zeitpunkt seines Todes das meistverkaufte Sachbuch Deutschlands seit 1945.[10]

1983 wurde er mit Rolf Gillhausen Chefredakteur und (gemeinsam mit Gillhausen und Henri Nannen) Herausgeber des durch die Affäre der gefälschten Hitler-Tagebücher schwer angeschlagenen Magazins Stern,[11] gab den Chefredakteursposten jedoch wegen anhaltender Widerstände innerhalb der Redaktion neun Monate später auf.[12][13] Teilweise parallel dazu war er von 1983 bis 1987 Vorstandsmitglied des zum Bertelsmann-Konzerns gehörenden Stern-Verlags Gruner + Jahr. Ab 1984 war Scholl-Latour als Beiratsmitglied der UFA-Film- und Fernseh-GmbH für die TV-Aktivitäten der Verlagsgesellschaft mitzuständig und am Aufbau des neuen Senders RTL plus beteiligt.[13]

Seit 1988 war Scholl-Latour vor allem als freier Autor tätig. Bis 2010 produzierte er gelegentlich noch Reportagen für das ZDF und trat weiterhin als Interviewpartner und Gast in Talkshows auf.

Junge Freiheit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach Interviews 2000 und 2001 wurde Peter Scholl-Latour regelmäßiger Autor der neurechten Jungen Freiheit.[14] 2004 zierte sein Konterfei ein Faltblatt der wöchentlich erscheinenden Zeitung.[15] 2006 nahm er an einer von ihr veranstalteten Diskussion auf der Frankfurter Buchmesse teil, über die anschließend ein Bericht erschien.[16] Auch in den Abonnentenkampagnen von 2004, 2007 und 2011 ist er neben Alexander von Stahl das Aushängeschild der Zeitung. Mindestens seit dem 19. Mai 2000[17] gab er der Wochenzeitung regelmäßig Interviews. Auf der Website der Jungen Freiheit, mit dem Titel „Stimmen zur JF“, wird Peter Scholl-Latour mit den Worten zitiert: „Die JF bedeutet für mich, daß es noch unabhängige Geister in der deutschen Medienlandschaft gibt und Journalisten das Risiko eingehen, gegen den Strom zu schwimmen.“[18]

Verbandstätigkeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Verband Privater Rundfunk und Telemedien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Von 1990 bis 1996 war er der erste Präsident des Verbandes Privater Rundfunk und Telekommunikation (VPRT), nachdem er bereits seit 1986 einem seiner Vorläuferverbände, dem Bundesverband Privater Rundfunk und Telekommunikation (BPRT), vorgestanden hatte.[19]

Deutsch-Arabische Gesellschaft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Von 1985 bis 2007 war Peter Scholl-Latour Mitglied des Beirates der Deutsch-Arabischen Gesellschaft. Nach dem Rücktritt Otto Wiesheus wählte ihn die Mitgliederversammlung am 22. März 2007 in Berlin zum Präsidenten. 2014 wurde Peter Scholl-Latour auf dem Frühlingsfest der Deutsch-Arabischen Gesellschaft durch die Laudatio des Linkspartei-Vorsitzenden Gregor Gysi geehrt.[20]

Plan International

1989 war Peter Scholl-Latour Gründungsmitglied der Kinderhilfsorganisation Plan International Deutschland e. V. Seit 1993 saß er im Kuratorium der Organisation.[21]

Persönliches[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Grabstätte im Waldfriedhof Rhöndorf

Scholl-Latour, der sowohl die deutsche als auch die französische Staatsbürgerschaft hatte, lebte abwechselnd in seinen Wohnungen im Bad Honnefer Ortsteil Rhöndorf, in Berlin-Charlottenburg, in Paris und in einem Haus in Tourrettes-sur-Loup[22] bei Nizza. Er war in erster Ehe mit der Journalistin Gertrud Knies (* Februar 1924)[23] verheiratet und hatte mit ihr einen Sohn.[24] Nach der Scheidung heiratete Scholl-Latour 1985 Eva Schwinges.[25]

Am 16. August 2014 verstarb Scholl-Latour nach schwerer Krankheit im Alter von 90 Jahren in Rhöndorf.[26] Beigesetzt wurde er, seinem ausdrücklichen Wunsch gemäß,[27] auf dem Waldfriedhof in Rhöndorf.[28][29]

Positionen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Scholl-Latour war ein starker Befürworter einer gemeinsamen europäischen Verteidigung und kritisierte die EU-Osterweiterung, die er für übereilt hielt. Durch diese verliere die „abendländische Gemeinschaft“ speziell auf dem Gebiet der Außen- und Sicherheitspolitik an Kohärenz und Handlungsfähigkeit.[30] Weiterhin sprach er sich während Heiner Bremers Talkshow Das Duell bei n-tv[31] (2007) und in einem Artikel für eine nukleare Bewaffnung der Bundeswehr zum Zweck der Abschreckung aus.[32] Gleichzeitig warf er den Politikern der Atlantischen Allianz vor, den defensiven Charakter der russischen Außenpolitik zu verkennen, die sich der Einkreisung durch den amerikanischen „Rundumschlag“ widersetze, welcher nur den gewalttätigen Islamismus gefördert habe und weiter fördere.[33] Klimaschutz hielt er für ein „Modethema“.[34] Scholl-Latour war ein Unterstützer des Zentrums gegen Vertreibungen.[35]

11. September 2001[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 12. September 2001 sprach er in der Sendung Friedman anlässlich der Terroranschläge in New York vom „Ende der Spaßgesellschaft“ und warnte die westliche Welt davor, ohne Exit-Strategie nach Afghanistan einzumarschieren. Ein Angriff auf dieses Land würde „verpuffen“. Zudem kritisierte er die Bekundung der uneingeschränkten Solidarität seitens Bundeskanzler Schröder, ohne die Hintergründe der Anschläge zu kennen, und wies auf die Unterfinanzierung der Bundeswehr hin.[36][37]

Gaullismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Scholl-Latour war erklärter Gaullist, jedoch lehnte er diese Bezeichnung mit dem Verweis auf de Gaulles Tod ab.[38] Er betrachtete die politischen Vorgänge auf dem Balkan, in Afrika, im Nahen Osten und Ostasien insbesondere aus der Sicht französischer Machtpolitik.

Beziehung zum Islam[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Den deutschen Medien galt er seit vielen Jahren als Ansprechpartner und Experte für die Themenbereiche Naher Osten und Islam. In vielen Fernsehdiskussionsrunden äußerte sich Scholl-Latour kritisch über die Rolle der USA und Großbritanniens bei geplanten und geführten Kriegen in Afghanistan und im Irak. Aufgrund seiner Erfahrungen in diesen Regionen sagte er bereits im Vorfeld mehrfach öffentlich ein langfristiges Scheitern der Invasionen voraus und führte dazu neben anderen Beispielen den Misserfolg der sowjetischen Intervention in Afghanistan an.

In der Iranischen Revolution von 1979 sah Scholl-Latour den Anfangspunkt einer größeren „islamischen Erneuerung“ (im Sinne eines wachsenden Einflusses des Islam in der Welt, nicht einer inhaltlichen Modernisierung), über die er in vielen seiner Bücher schrieb und die er als eine der großen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts ansah.

Medienkritik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vor allem nach 2003 kritisierte Scholl-Latour die mediale Berichterstattung mit zunehmender Häufigkeit. Er kritisierte, Russland sei Opfer „einer systematischen Kampagne durch die ferngesteuerten Medien Europas und deren politische Einflüsterer“.[39] Er betrachtete nicht Russland als expansionistisch, sondern den Westen, allen voran die USA. Auch Syrien erschien ihm als Beispiel einer systematischen Desinformationskampagne vereint organisiert von Politik und Medien.[40]

„Irgendwo, an geheimen Kommandostellen, in diskreten Fabriken der Desinformation, die von angelsächsischen Meinungsmanipulatoren meisterhaft bedient wurden, war die Losung ausgegangen, dass Syrien sich den amerikanischen Vorstellungen einer trügerischen Neuordnung im Nahen und Mittleren Osten zu unterwerfen habe. Bei einer Medienveranstaltung der ARD in Berlin erwähnte ich diese allumfassende propagandistische Irreführung der breiten Öffentlichkeit, der sich – in Deutschland zumal – weder die linksliberalen noch die erzkonservativen Printmedien und Fernsehsender zu entziehen wussten. (…) Die subtile, perfide Unterwanderung und Täuschung globalen Ausmaßes, denen die Medien ausgeliefert sind, bedarf einer ebenso schonungslosen Aufdeckung wie die hemmungslose Überwachungstätigkeit der National Security Agency.“[41]

Im Rückblick lobte er die Pressefreiheit der Frühzeit der Bundesrepublik, als Chefredakteure den Reportern noch den Rücken freigehalten hätten. Dieter Stolte und Klaus von Bismarck nennt er als Beispiele.

Ukraine-Konflikt und Annexion der Krim[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im „absurdeste[n] Territorialkonflikt“ um Ukraine und Krim verstand Scholl-Latour die Außenpolitik der russländischen Föderation als defensive Strategie: „Die Ukraine war aus Moskauer Sicht als europäische Verankerung der ‚Eurasischen Union‘ auserkoren, mit der Putin sein vom westöstlichen ‚Zangengriff‘ bedrohtes Rest-Imperium abzuschirmen suchte“. Obamas Regierung habe die Richtung vorgegeben, die Europäer hätten sich wie immer dem Willen des mächtigen amerikanischen Verbündeten gefügt.[42]

Kritik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seit Ende des 20. Jahrhunderts wurde Scholl-Latours Autorität, parallel zu seiner weitreichenden Akzeptanz als Asienkenner und v. a. als Nahost-Experte, von einigen Journalisten und Wissenschaftlern in Frage gestellt. So wurde ihm u. a. von den Orientalistinnen Verena Klemm und Karin Hörner, von Udo Steinbach und der taz-Journalistin Ulrike Herrmann vorgeworfen, durch undifferenzierte Sichtweisen bestehende Feindbilder aufrechtzuerhalten und alte Ängste zu schüren sowie sich aufgrund seines Mangels an akademischer Sorgfalt und an einschlägigen Fremdsprachenkenntnissen relativ oft bei Tatsachenbehauptungen zu irren.[43][44][45] Inhaltlich und stilistisch sehen Kritiker in seinen Büchern auch Parallelen zum klassischen Kolonialroman.[43]

Der Professor für gegenwartsbezogene Orient-Wissenschaft Gernot Rotter initiierte Anfang der 1990er Jahre am Orientalistischen Institut der Universität Hamburg ein eigenes Forschungsprojekt, das die Schriften Scholl-Latours und Gerhard Konzelmanns, eines ebenfalls in der Öffentlichkeit als Experte für die islamische Welt wahrgenommenen Autors, einer kritischen Analyse unterzog. Die teilnehmenden Wissenschaftler kamen jeweils zu stark negativen Bewertungen und verfassten zu beiden Autoren jeweils einen Sammelband.[46][47][43] Die Medienjournalisten Wolfgang Röhl und Stefan Niggemeier bemängeln, bei Scholl-Latours häufigen Fernsehauftritten hätten seine Hinweise auf persönliche Erfahrungen in Krisenregionen gegenüber Sachargumenten meist im Vordergrund gestanden.[48][49]

Am Beispiel von Scholl-Latours Berichten aus Zentralafrika in Sachbüchern und im Fernsehen warf der Geograf Andreas Dittmann dem „selbsternannten Kongokenner und Medienscharlatan“ Scholl-Latour verantwortungslosen und von Stereotypen gekennzeichneten Journalismus und die „Verbreitung zweifelhafter Halbwahrheiten […] zum Zwecke der eigenen Selbstdarstellung“ vor.[50] Scholl-Latour verbreite über die von ihm bereisten Länder „populäre Klischees“ sowie „Polit- und Ethnoplattitüden“.[51]

Der Journalist und Nahost-Experte Rudolph Chimelli verteidigte Scholl-Latour gegen Kritik. Scholl-Latour habe sich, so Chimelli, vor allem dadurch Gegner gemacht, dass er „über die Jahrzehnte hinweg fast immer gegen den westlichen Meinungsmainstream geschwommen“ sei und „in seiner Wortwahl nicht reflexartig westliche, vor allem amerikanische Propagandathesen wiedergebe“.[52]

Ehrungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Peter Scholl-Latour wurden im Laufe seiner mehr als 60-jährigen Karriere viele Ehrungen für seine journalistische Tätigkeit zuteil:

Auszeichnungen, Medaillen und Preise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

2015 wurde erstmals der von Plan International Deutschland und der Ulrich Wickert-Stiftung ausgelobte Peter-Scholl-Latour-Preis für die Berichterstattung über das Leid von Menschen in Krisen- und Konfliktgebieten verliehen.[56]

Ehrendoktorwürden[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Veröffentlichungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1950er
  • La vie et l’œuvre de Rudolf G. Binding. Dissertation Universität von Paris [Sorbonne] (1954).
1960er
  • Matata am Kongo. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1961. DNB 454453930.
  • Im Sog des Generals. Von Abidjan nach Moskau. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1966. DNB 458879096.
1980er
1990er
  • Asien: ein verlorenes Paradies. Fotografiert von Josef Kaufmann. Rasch und Röhring, Hamburg 1990, ISBN 3-89136-287-0.
  • Helmut Kohl. Mit Fotografien von Konrad R. Müller und einem Essay von Peter Scholl-Latour. Lübbe, Bergisch Gladbach 1990, ISBN 3-7857-0570-0.
  • Das Schwert des Islam – Revolution im Namen Allahs. Heyne, München 1990, ISBN 3-453-03990-4. ( Das Buch zur ZDF-Serie / Platz 1 der Spiegel-Bestsellerliste vom 28. Januar bis zum 7. Juli 1991)
  • Der Wahn vom Himmlischen Frieden. Chinas langes Erwachen. Siedler, Berlin 1990, ISBN 3-88680-367-8.
  • Den Gottlosen die Hölle. Der Islam im zerfallenden Sowjetreich. Bertelsmann, München 1991, ISBN 3-570-00426-0.
  • als Hrsg.: Weltkrise Arabien. Allah, Blut und Öl. Hintergründe eines Konflikts. Fotoreportage (Stern-Bücher). Gruner & Jahr, Hamburg 1991, ISBN 3-570-06697-5.
  • Unter Kreuz und Knute. Russische Schicksalsstunden. Bertelsmann, München 1992, ISBN 3-570-01792-3.
  • Aufruhr in der Kasbah: Krisenherd Algerien. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1992, ISBN 3-421-06625-6; ab der 3. Auflage unter dem Titel: Pulverfass Algerien. Vom Krieg der Franzosen zur islamischen Revolution. Heyne, München 1994, ISBN 3-453-08950-2.
  • Eine Welt in Auflösung. Vor den Trümmern der Neuen Friedensordnung. Siedler, Berlin 1993, ISBN 3-88680-405-4.
  • Im Fadenkreuz der Mächte. Gespenster am Balkan. Bertelsmann, München 1994, ISBN 3-570-12147-X.
  • Schlaglichter der Weltpolitik: die dramatischen neunziger Jahre. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1996, ISBN 3-421-06672-8.
  • Das Schlachtfeld der Zukunft. Zwischen Kaukasus und Pamir. Siedler, Berlin 1996, ISBN 3-88680-602-2.
  • Lügen im Heiligen Land. Machtproben zwischen Euphrat und Nil. Siedler, Berlin 1998, ISBN 3-88680-542-5.
  • Allahs Schatten über Atatürk. Die Türkei in der Zerreißprobe zwischen Kurdistan und Kosovo. Siedler, Berlin 1999, ISBN 3-88680-630-8.
2000er
2010er

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Günter Giesenfeld: Von Jean Hougron zu Scholl-Latour. In: Thomas Koebner, Gerhart Pickerodt (Hrsg.): Die andere Welt – Studien zum Exotismus. Athenäum Verlag 1987, ISBN 3-610-08925-3, S. 307–344. (verortet Scholl-Latours Werke in einer Tradition kolonialistischer Belletristik)
  • Verena Klemm, Karin Hörner (Hrsg.): Das Schwert des „Experten“. Peter Scholl-Latours verzerrtes Araber- und Islambild. Palmyra Verlag, 1993, ISBN 3-9802298-6-6.
  • Alexander Konrad: Umdeutungen des Islams. Bundesdeutsche Wahrnehmungen von Muslim*innen 1970-2000. Wallstein Verlag, 2022, ISBN 978-3-8353-5268-1, S. 151–159.
  • Dokumentation der 8. Siebenpfeiffer-Preisverleihung am 9. November 2003 an Peter Scholl-Latour. Siebenpfeiffer-Stiftung c/o Saarpfalz-Kreis, 2004, ISBN 3-9807983-2-1.
  • Ramon Schack: Begegnungen mit Peter Scholl-Latour. Ein persönliches Portrait von Ramon Schack. Mit einem Vorwort von Gregor Gysi. 3 Seiten Verlag, 2015, ISBN 978-3-946341-00-0.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Peter Scholl-Latour – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Lebenslauf in der Dissertation Otto Konrad Scholl: Über abortive Formen der Recklinghaus’schen Krankheit, Straßburg 1915.
  2. Gregor Brand: Frau Nußbaum aus Straßburg. In: juedische-allgemeine.de vom 21. August 2014, abgerufen am 21. August 2014.
  3. ardmediathek.de
  4. a b Walter Habel (Hrsg.): Wer ist wer? Das deutsche who’s who. XLVI. Ausgabe 2007/2008 (Begründet von Walter Habel, vormals Degeners wer ist’s). Lübeck 2007, S. 1183.
  5. Heike Mund: Reporter aus Leidenschaft: Peter Scholl-Latour. In: DW.de vom 16. August 2014.
  6. a b Ulrich Wickert: Keinem gefällig, allen ein Lehrer. (Nachruf), faz.net, 17. August 2014, abgerufen am 18. August 2014.
  7. „Khomeini hat mir vertraut“, Benjamin Wüst, Deutsche Welle 1. Februar 2009
  8. Lena Bopp: Zum Tode von Peter Scholl-Latour: Der ewig Reisende. in: FAZ.net vom 16. August 2014.
  9. Björn Rosen, Kurt Sagatz, Christiane Peitz: Nachruf auf Peter Scholl-Latour: In 90 Jahren um die Welt. In: Tagesspiegel vom 18. August 2014.
  10. Peter Scholl-Latour ist tot. (Memento vom 19. August 2014 im Internet Archive) in: SR online vom 16. August 2014.
  11. Presse: Oh Henri. In: Der Spiegel. Nr. 21, 1983 (online).
  12. Andreas Austilat, Julia Prosinger, Björn Rosen: Interview mit Peter Scholl-Latour: „Ich verstehe mich gut mit Ganoven“. In: Tagesspiegel vom 17. August 2014.
  13. a b Presse: Weinende Garde. In: Der Spiegel. Nr. 11, 1984 (online).
  14. jungefreiheit.de
  15. „Junge Freiheit“ Pressemitteilung: Berlin, den 8. Juni 2004 jf-archiv.de. 4. August 2012, archiviert vom Original am 28. August 2012; abgerufen am 22. Januar 2009.
  16. „Junge Freiheit“ Bericht Frankfurter Buchmesse 2006 jf-archiv.de
  17. 19. Mai 2000 „Schleichende Islamisierung“ Peter Scholl-Latour über die Geiselnahme von Jolo, den Bürgerkrieg auf den Philippinen und die drohende Islamisierung Moritz Schwarz jf-archiv.de
  18. Scholl-Latour wirbt für "Junge Freiheit", Der Spiegel, Heft 24/2004
  19. VPRT zum Tod seines ersten Präsidenten Peter Scholl-Latour: Ein Gestalter und Verfechter des dualen Rundfunksystem. (Memento vom 26. Juni 2015 im Internet Archive) Pressemitteilung des VPRT vom 17. August 2014.
  20. Gregor Gysi und Peter Scholl-Latour – das passt! Deutsch-Arabische Gesellschaft 5. Mai 2014
  21. Plan International Deutschland e.V: Plan trauert um Gründungsmitglied Peter Scholl-Latour. Abgerufen am 5. Januar 2021.
  22. Nachruf der Welt vom 16. August 2014
  23. Ev. Gemeindebrief Christuskirche St. Ingbert (PDF; 4,4 MB)
  24. Interview Morgenpost v. 19. Juni 2011.
  25. Experte warnt vor Folgen: „Dann gnade uns Gott“. krone.at, 31. August 2013.
  26. Peter Scholl-Latour stirbt mit 90 Jahren. Die Welt vom 16. August 2014.
  27. Mainhardt Graf von Nayhauß: Weltenbummler Peter Scholl-Latour – am Rhein will er begraben sein. (Memento vom 12. November 2014 im Internet Archive) Blog der Edition Lingen-Stiftung, Eintrag vom 18. August 2014; vgl. ferner: Peter Höger: Peter Scholl-Latour: ‚Ohne Arbeit wäre ich tot oder doof‘. In: Bild am Sonntag vom 6. März 2014; vgl. auch Auf Leben und Tod – Peter Scholl-Latour wird 90. Film von Gero von Boehm. ZDF, 2014 (44 min.) auf YouTube
  28. Peter Scholl-Latour in Rhöndorf beigesetzt. RP Online, 23. August 2014, abgerufen am 27. August 2014.
  29. knerger.de: Das Grab von Peter Scholl-Latour.
  30. Großmacht ja, Weltmacht nein. Interview mit der Jungen Freiheit vom 30. November 2007.
  31. Ausgestrahlt am 19. März 2007.
  32. Peter Scholl-Latour: Deutschland muss atomar aufrüsten. In: Cicero exklusiv auf focus.de. 29. März 2007, abgerufen am 24. November 2010.
  33. Peter Scholl-Latour: Der Fluch der bösen Tat, S. 32ff.
  34. Peter Scholl-Latour: „Die Welt ist verrückt geworden“. In: Focus. 20. Januar 2008, abgerufen am 17. Mai 2011.
  35. Prof. Dr. Peter Scholl-Latour (Memento vom 5. Januar 2017 im Internet Archive) auf der Website des Zentrums gegen Vertreibungen.
  36. Sendung Friedman, Hessischer Rundfunk vom 12. September 2001.
  37. Phoenix Runde: "Soldaten raus aus Afghanistan" mit Peter Scholl-Latour (01.04.2009). Abgerufen am 21. Juli 2021 (deutsch).
  38. Phoenix: Unter den Linden. 7. Mai 2007.
  39. Peter Scholl-Latour: Der Fluch der bösen Tat. Das Scheitern des Westens im Orient, Berlin, 4. Auflage 2015, S. 22
  40. Peter Scholl-Latour: Der Fluch der bösen Tat. Das Scheitern des Westens im Orient. 4. Auflage. Berlin 2015, S. 47
  41. Peter Scholl-Latour: Der Fluch der bösen Tat. Das Scheitern des Westens im Orient. 4. Auflage. Berlin 2015, S. 275.
  42. FOCUS Online: Dubiose Ukraine-Politik des Westens: „Der Schuldspruch war schon gefällt“. Abgerufen am 29. März 2020.
  43. a b c Verena Klemm, Karin Hörner (Hrsg.): Das Schwert des Experten – Peter Scholl-Latours verzerrtes Araber- und Islambild. Palmyra, Heidelberg 1993, ISBN 3-9802298-6-6.
  44. Udo Steinbach: Islam: Spiel mit der Angst. In: Focus. 15. April 1993, abgerufen am 19. März 2014.
  45. Ulrike Herrmann: Der Steinzeitjournalist. In: Die tageszeitung. 19. Februar 2002, abgerufen am 19. März 2014.
  46. Joachim Fritz-Vannahme: Eine Art Angstlust beim Leser. In: Die Zeit. 23. Juli 1993, abgerufen am 19. März 2014.
  47. Palmyra Verlag: Von Arafat bis Zappa. In: Qantara. 10. Februar 2005, abgerufen am 27. November 2012.
  48. Wolfgang Röhl: Der große Welterklärer. In: Stern. 29. März 2010, abgerufen am 19. März 2014.
  49. Nah|ost|experte. In: Der Spiegel. Nr. 24, 2012 (online – Niggemeiers Medienlexikon).
  50. Andreas Dittmann: Rezension zu: Schulz, Manfred (Hrsg.): Entwicklungsträger in der DR Kongo. Entwicklungen in Politik, Wirtschaft, Religion, Zivilgesellschaft und Kultur. in: Erdkunde Heft 1/2009, abgerufen am 19. August 2014
  51. Andreas Dittmann: Scholl-Latour, Peter: Die Angst des weißen Mannes. Ein Abgesang. Rezension. In: Erdkunde, Heft 2/2011. Abgerufen am 19. März 2014.
  52. Rudolph Chimelli: Der Hecht im Teich. In: Süddeutsche Zeitung. 9. März 2014, abgerufen am 19. März 2014.
  53. bochum.de: Peter Scholl-Latour (abgerufen am 18. August 2014).
  54. Bundesakademie für Sicherheitspolitik.
  55. Tariq Ramadan verlieh Scholl-Latour den „Dr. Said Ramadan Friedenspreis für Dialog und Völkerverständigung“. Auf: islam.de, 20. Oktober 2008.
  56. plan.de Pressemitteilung vom 24. September 2015 (Memento vom 3. März 2017 im Internet Archive).
  57. Land NRW würdigt Peter Scholl-Latour mit Professur. Pressemitteilung der RUB, 15. Oktober 1999.
  58. Mercator-Professur 2009: Dr. Peter Scholl-Latour. Pressemitteilung der Universität Duisburg-Essen, 6. November 2009.