Plutonium-Affäre

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Bei der Plutonium-Affäre handelt es sich um die Hintergründe des vom Bundesnachrichtendienst (BND) veranlassten illegalen Transports von mehr als 360 Gramm Plutonium mit einer Maschine der Lufthansa von Moskau nach München im Jahr 1994 im Vorfeld der Landtagswahl in Bayern 1994.[1]

Plutoniumschmuggel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im August 1994 wurden der Kolumbianer Justiniano Torres Benítez und die beiden Spanier Julio Oroz Eguia und Javier Bengoechea Arratibel von der bayerischen Polizei am Flughafen München bzw. in einem Münchner Hotelzimmer festgenommen. Der am 10. August 1994 mit einer Boeing 737 der Lufthansa aus Moskau kommende Torres Benítez führte im Gepäck 363,4 Gramm radioaktives Plutonium mit sich, das aber nur 87 % Plutonium-239 enthielt und damit nicht als waffenfähig galt. Weiterhin wurden bei Torres Benítez mehr als 400 Gramm des zum Bau von Wasserstoffbomben notwendigen Lithium-6 gefunden.

Torres Benítez, Oroz Eguia und Bengoechea Arratibel wurden daraufhin wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz angeklagt.[2] Während BND-Präsident Konrad Porzner noch kurz vor Prozessbeginn im April 1995 dementierte, den Plutoniumschmuggel initiiert zu haben,[3] enthüllte das Nachrichtenmagazin Der Spiegel im gleichen Monat den Bundesnachrichtendienst als Auftraggeber. Der BND beabsichtigte im Rahmen der sogenannten Operation Hades[4] den Nachweis zu führen, dass weltweit mit zum Bau von Atomwaffen geeignetem Plutonium Handel getrieben wurde. Hauptkritikpunkt am Vorgehen des BND war, dass die Operation Hades ohne zwingenden Grund ein Scheingeschäft provozierte, in dessen Verlauf Plutonium unter Außerachtlassung aller Sicherheitsvorkehrungen nach Deutschland geschmuggelt wurde.[5]

Untersuchungsausschuss[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Affäre zog als Konsequenz einen Untersuchungsausschuss des Bundestages im Mai 1995 nach sich.[6] Vor dem Plutonium-Untersuchungsausschuss berichtete der spanische BND-V-Mann Rafael Ferreras Fernandez[7] (genannt „Rafa“), das Bindeglied zu den Zwischenhändlern und dem BND-Residenten und BKA-Mitarbeiter Peter Fischer-Hollweg in Madrid,[8][9] dass mit Wissen des BND am 10. August 1994 Plutonium via Lufthansa von Moskau nach München geschmuggelt wurde, um auf dem Münchner Flughafen einen politisch nutzbaren Fahndungserfolg vor den Wahlen in Bayern und der Bundestagswahl zu inszenieren. Zusätzlich gab Ferreras Fernandez an, vor den Gerichtsverhandlungen in München durch Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes bedrängt worden zu sein, dort die Unwahrheit zu sagen. So habe er um das Leben seiner Frau und seines Kindes fürchten müssen.

Im Juli 1998 kam der Ausschuss zu dem Ergebnis, dass „der BND weder in München noch in seiner Residentur in Madrid diesen Plutoniumfall eingefädelt [habe]. Ferner habe der BND das Bundeskanzleramt sach- und zeitgerecht informiert. Dieses habe dann seine Rechts- und Fachaufsicht ordnungsgemäß ausgeübt. Es habe keine rechtswidrige Einflussnahme aus dem Bereich des Kanzleramts auf Entscheidungen der an diesem Fall beteiligten Behörden gegeben.“ Weiterhin hätte die „bayerische Polizei mit der Münchner Staatsanwaltschaft das behördliche Handeln bestimmt.“ Die Herkunft des Plutoniums konnte nicht geklärt werden, laut dem Ausschuss wurde einzig festgestellt, dass es nicht aus Westeuropa stamme.[10] Im Februar 1996 war von Focus noch berichtet worden, dass das Material aus Obninsk stammen würde.[11]

Verurteilung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Torres Benítez, Oroz Eguia und Bengoechea Arratibel wurden im Juli 1995 zu Freiheitsstrafen zwischen drei und fünf Jahren verurteilt.[12] Nach Feststellung des Landgerichtes München habe es sich um „eine klassische polizeiliche Tatprovokation“ des bayerischen Landeskriminalamts gehandelt.[13]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Lizenz zum Lügen. Spiegel Online, 18. Dezember 1995, abgerufen am 15. Dezember 2015.
  2. "Plutonium smuggling trial opens in Germany". Nuclear Threat Initiative, 10. Mai 1995, abgerufen am 20. Mai 2014.
  3. Jürgen Marks, Gunther Schnatmann: PLUTONIUM-SCHMUGGEL: In Bonn von allen abgesegnet. Focus, 15. April 1995, abgerufen am 12. Mai 2010.
  4. Vgl. Hades
  5. Panik Made in Pullach. In: Der Spiegel. Nr. 15, 1995 (online).
  6. Protokoll (Memento des Originals vom 15. August 2018 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/dipbt.bundestag.de des Bundestages zur Anberaumung des Untersuchungsausschusses
  7. Jürgen Marks: PLUTONIUM: 008 und die tausend Jäger". Focus, 18. Dezember 1995, abgerufen am 12. Mai 2010.
  8. Jürgen Marks: PLUTONIUM-SCHMUGGEL: Gefährliche Liebschaft. Focus, 24. September 1995, abgerufen am 12. Mai 2010.
  9. Jürgen Marks: PLUTONIUM-AUSSCHUSS: Spanische Agentensümpfe. Focus, 21. Oktober 1996, abgerufen am 12. Mai 2010.
  10. Blickpunkt Bundestag (Memento vom 14. September 2004 im Internet Archive); Juli 1998
  11. Freundliche Grüße aus Moskau, Focus, 12. Februar 1996
  12. Jürgen Marks: PLUTONIUM-SCHMUGGEL: Verführung war nicht nötig. Focus, 24. Juli 1995, abgerufen am 12. Mai 2010.
  13. Dilettanten im Amt. In: DER SPIEGEL 52/1995. SPIEGEL-Verlag Rudolf Augstein GmbH & Co. KG., 25. Dezember 1995, abgerufen am 5. April 2018 (deutsch): „Mit Hilfe des Pullacher Dienstes waren im August 1994 aus Moskau 363,4 Gramm Plutonium nach München geschmuggelt worden. Eingeschaltet in die Aktion war das bayerische Landeskriminalamt, das mit „einer klassischen polizeilichen Tatprovokation“, wie im Juli das Landgericht München feststellte, die Schmuggler reingelockt hatte.