Povidon-Iod

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Strukturformel
Strukturformel von Povidon-Iod
Allgemeines
Name Povidon-Iod
Andere Namen
  • Polyvinylpyrrolidon-Iod (PVP-Iod)
  • Poly(1-(2-oxo-1-pyrrolidinyl) ethylen)iod-Komplex
CAS-Nummer 25655-41-8
Monomere/Teilstrukturen Vinylpyrrolidon, Iod
ATC-Code
Kurzbeschreibung

gelblich bis rot-braunes Pulver mit charakteristischem Geruch[1]

Arzneistoffangaben
Wirkstoffklasse

Antiseptikum

Eigenschaften
Aggregatzustand

fest

Schmelzpunkt

300 °C[1]

Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[2]
keine GHS-Piktogramme
H- und P-Sätze H: keine H-Sätze
P: keine P-Sätze
Toxikologische Daten

8100 mg·kg−1 (LD50Mausoral)[3]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Povidon-Iod oder Povidon-Jod (PVP-Iod, PVI, PVJ, Iodophor oder Poly(1-(2-oxo-1-pyrrolidinyl) ethylen)iod-Komplex) ist ein wasserlöslicher Komplex von Iod mit Polyvinylpyrrolidon (PVP, Povidon), der als Desinfektionsmittel bzw. Antiseptikum verwendet wird.

Struktur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wasserstofftriiodid (H+I3) fungiert als Ionenpaar innerhalb des Povidons. Das Iodid scheint so gebunden zu sein, dass das Proton über kurze Bindungen an die Carbonylgruppen zweier Pyrrolidonringe gebunden ist, während das Triiodidanion ionisch an das Kation gebunden ist.[4][5] Die positive Ladung ist über die -N-C-O-H-O-C-N-Bindungen der Pyrrolidonringe verteilt. Der linke Strukturteil (n) zeigt den mit Iod komplexierten Teil, der rechte (m) den nicht komplexierten der Kette, wobei n/m = 1/18 ist, d. h., ein komplexierter Teil der Polymerkette kommt auf 18 nicht komplexierte Teile.

Wunddesinfektion mit Povidon-Iod, abgedeckt mit Fettgaze.
Povidon-Iod-Lösung wird mit einem Wattestäbchen auf eine Schürfwunde aufgetragen.
Jodsalbe (Jod-PVP in Macrogolsalbe)

Anwendung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine 10%ige wässrige Lösung von Povidon-Iod wird topisch als bakterizides, fungizides, germizides, sporozides und viruzides Desinfektionsmittel verwendet. Es hat ein ähnliches Wirkungsspektrum wie Iodtinktur, ist jedoch für Haut und Schleimhäute verträglicher.[6] 3%iges Povidon-Iod (PVP-I) als liposomales Hydrogel zeigt dabei in der Wundversorgung gegenüber herkömmlichen PVP-I-Formulierungen eine signifikant überlegene Wirkung.[7]

Ein Tropfen einer 2,5%igen Povidon-Iod-Lösung kann bei Neugeborenen unmittelbar nach der Geburt zur Prophylaxe der Ophthalmia neonatorum (Credé-Prophylaxe) in das Auge getropft werden.[8]

Povidon-Iod ist auch als Wirkstoff in Jodsalbe enthalten. Jodsalbe wird beim Wundliegen, bei Geschwüren an Beinen oder Füßen auf Grund von Durchblutungsstörungen (Ulcus cruris), bei oberflächlichen Wunden, Verbrennungen und bei infizierten Hauterkrankungen (Dermatose) angewendet.[9][10][11] Dafür wird die Salbe auf die betroffene Hautstelle aufgetragen und mit einem Verband bedeckt.[9]

Wirkung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

PVP-Iod ist wirksam gegen eine Vielzahl von Krankheitserregern, wie Bakterien, Viren und Pilzen und wirkt desinfizierend.[9]

PVP-Iod weist im Vergleich zu modernen Wundantiseptika (z. B. Polyhexanidlösung oder Octenidin) keine bekannten Wirkungslücken auf. Die rasch einsetzende mikrobiozide Wirkung – ohne organische Belastung in vitro innerhalb von 30 Sekunden – und die gute Gewebeverträglichkeit machen PVP-Iod zum „Wirkstoff der Wahl für die kurzzeitige Anwendung bei Infektionen oder verschmutzten traumatischen Akutwunden“, wobei für Polyhexanid und Octenidin eine „prinzipielle Gleichwertigkeit“ [bezüglich der Anwendung an akuten infizierten bzw. kolonisierten Wunden] festgestellt wurde.[12]

Nachteile[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gleichwohl ist PVP-Iod im Vergleich zu modernen Wundantiseptika mit verschiedenen Nachteilen behaftet, die seine Einsatzmöglichkeiten limitieren. So treten selten allergische Reaktionen und systemische Nebenwirkungen (z. B. Schilddrüsenüberfunktion) auf, weshalb PVP-Iod beispielsweise nicht bei Patienten mit (hyperthyreoten) Schilddrüsenerkrankungen eingesetzt werden soll. Auch in Schwangerschaft, Stillzeit und bei Säuglingen bis zum 6. Lebensmonat ist die Anwendung sorgfältig abzuwägen und gegebenenfalls die Schilddrüsenfunktion zu kontrollieren.[12]

Darüber hinaus wird die Wundbeurteilung durch die braune Färbung des Präparats erschwert. Schließlich wird Jod durch den Kontakt mit Blut, Eiter und Wundexsudat inaktiviert (so genannter Eiweißfehler), was die desinfizierende Wirkung und die Wundrandinspektion durch die unvermeidbare dunkle Hautverfärbung beeinträchtigt und somit das Präparat schon vor Jahrzehnten in die Kritik gebracht hat: Zudem sind Resistenzen bei häufigen Problemkeimen wie Staphylococcus aureus, Staphylococcus epidermidis species und Pseudomonas aeruginosa beschrieben.[13][14] Zudem beeinträchtigt Jod die Wundheilung durch Zytotoxizität der nachwachsenden Zellen.[15]

Diese Nachteile sind schon lange bekannt und trugen teils dazu bei, PVP-Iod in der Wundversorgung durch andere Antiseptika zu ersetzen.[16]

Handelsnamen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Monopräparate
Betadine (ES, CH, I, NL, F), Betadona (A), Betaisodona (D, A), Braunol (D, A, CH), Braunosan (CH), Braunovidon (D, A, CH), Destrobac (CH), Freka-Cid (D), Inadine (D), Jodoplex (CH), Polydona (D), Polysept (D), Sepso J Lösung und Salbe (D), Topionic (ES), Traumasept (D), Wundesin (A), Repithel (D)
Kombinationspräparate
Betaseptic (D, A, CH), Braunoderm (D, A, CH)

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Eintrag zu Polyvinylpyrrolidone-iodine complex bei Thermo Fisher Scientific, abgerufen am 13. Oktober 2023.
  2. Datenblatt Poly(vinylpyrrolidone)–Iodine complex bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 29. Mai 2011 (PDF).
  3. Drugs in Japan, 6(788), 1982.
  4. H. U. Schenck, P. Simak, E. Haedicke: Structure of polyvinylpyrrolidone-iodine (povidone-iodine). In: J Pharm Sci. Band 68, Nr. 12, 1979, S. 1505–1509. PMID 529040.
  5. Bode-Chemie (Memento vom 30. September 2011 im Internet Archive).
  6. Curt Hunnius, Hermann P. T. Ammon: Hunnius Pharmazeutisches Wörterbuch. 8. Auflage. de Gruyter.
  7. Karen Reimer, P. M. Vogt, Bianca Broegmann, J. Hauser, O. Rossbach, A. Kramer, P. Rudolph, B. Bosse, H. Schreier, W. Fleischer: An Innovative Topical Drug Formulation for Wound Healing and Infection Treatment: In vitro and in vivo Investigations of a Povidone-Iodine Liposome Hydrogel. In: Dermatology. Band 201, Nr. 3, 2000, S. 235–241, doi:10.1159/000018494.
  8. Prophylaxe der Ophthalmia neonatorum (Memento vom 14. Juli 2014 im Internet Archive), Artikel auf universimed.com, abgerufen am 7. Juni 2014 (PDF; 57,7 kB).
  9. a b c Apotheken-Umschau: PVP JOD Salbe Lichtenstein - Anwendung, Nebenwirkungen, Wechselwirkungen. 29. Januar 2021, abgerufen am 22. September 2021.
  10. Hermann Plötz: Kleine Arzneimittellehre für Pflege- und Gesundheitsfachberufe. 7. Auflage. Berlin, Heidelberg 2017, ISBN 978-3-662-54419-8, S. 288.
  11. Christian Neitzel, Karsten Ladehof: Taktische Medizin Notfallmedizin und Einsatzmedizin. 2., überarbeitete Auflage. Berlin, Heidelberg 2015, ISBN 978-3-642-39689-2, S. 292.
  12. a b A. Kramer u. a.: Konsensusempfehlung zur Auswahl von Wirkstoffen für die Wundantiseptik. (PDF; 106 kB) 2004, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 14. Juli 2014; abgerufen am 22. Februar 2011.
  13. Jörg Carls, Ludger Kirsch: Wundantiseptika - Kaliseife gegen Iodophor: Ein Vergleich. In: D. Clemens, G. Rompe (Hrsg.): Orthopädische Praxis. Band 39, Nr. 12. ML Verlag, Uelzen Dezember 2003, S. 762–766.
  14. M. Bischoff, A. Beck: Die infizierte Wunde - Therapieempfehlungen zum Einsatz von Antiseptika. In: Paul Hartmann AG (Hrsg.): HARTMANN WundForum. Nr. 2. Wahl-Druck, Aalen 2001, S. 10–15.
  15. W. Lineaweaver, D. Howard, D. Soucy, S. McMorris, C. Freemann, C. Crain, J. Robertson, T. Rumley: Topical antimicrobial toxicity. In: American Medical Association; Central Surgical Association; Western Surgical Association; International Cardiovascular Society, American Medical Association (Hrsg.): Archives of Surgery. Band 120. Chicago 1985, S. 267–270.
  16. K. Protz (Hrsg.): Moderne Wundversorgung. 4. Auflage. Elsevier Germany Munich, München 2007, ISBN 978-3-437-27881-5, S. 133.