Black-Power-Protest bei den Olympischen Spielen 1968

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Die Siegerehrung im 200-Meter-Lauf 1968: links Peter Norman (Silber), Mitte Tommie Smith (Gold), rechts John Carlos (Bronze)

Der Black-Power-Protest bei den Olympischen Spielen 1968 war ein Ereignis, dessen Fotos weltweites Aufsehen erregten. Die afroamerikanischen Sprinter Tommie Smith und John Carlos erhoben während der Siegerehrung zum 200-Meter-Lauf der Olympischen Spiele 1968 in Mexiko-Stadt ihre Faust zum sogenannten Black-Power-Gruß.

Der Protest[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am Morgen des 16. Oktobers 1968 stellte der Sprinter Tommie Smith (USA) mit 19,83 Sekunden einen neuen Weltrekord auf und gewann die olympische Goldmedaille im 200-Meter-Lauf. Der Australier Peter Norman wurde Zweiter und John Carlos aus den USA Dritter.[1] Zur Siegerehrung erschienen die beiden Amerikaner mit den Schuhen in den Händen.[2] Nach der Medaillen-Übergabe wurde die US-amerikanische Nationalhymne für Smith abgespielt. Carlos und Smith senkten die Köpfe und erhoben jeweils eine Faust, die mit einem schwarzen Handschuh bekleidet war. Smith trug ein schwarzes Tuch um den Hals, um den Schwarzen Stolz (black pride) zu symbolisieren, Carlos trug die Trainingsjacke offen, um seine Solidarität mit den „blue collar workers“, den Arbeitnehmern, zu symbolisieren. Außerdem trug er eine Kette, um an „diejenigen zu erinnern, die gelyncht oder anders ermordet wurden, diejenigen, für die nie gebetet, derer niemals gedacht wurde. Für die, die man auf dem Weg nach Amerika über Bord geworfen hatte“.[3][4] Bei der weltweiten Berichterstattung in den Medien waren aufgrund der Fotoauswahl von AP die Füße meist gar nicht zu sehen, laut Beatrice Schlag, weil Redaktionen nicht verstanden, weshalb Carlos und Smith keine Schuhe trugen; die von den Sportlern getragenen schwarzen Socken waren ein zusätzliches Zeichen für Armut in den USA. Der schwarze Schal von Smith war auf den meist Schwarz-Weißen Fotos kaum zu sehen, dies im Gegensatz zum eingerahmten Olivenzweig, dem Friedenssymbol in Smith’s linker Hand, welches allen Goldmedaillengewinnern bei der Siegerehrung übergeben wurde.[5][6][7]

Alle drei Sportler, Smith, Carlos und auch Norman trugen Anstecker des Olympic Project for Human Rights (OPHR). Norman war ein Gegner von Australiens rassistischer White Australia Policy und wollte so seine Solidarität zeigen.[8] Norman war es auch, der vorschlug, Smith und Carlos sollten für den Protest ihre schwarzen Handschuhe teilen, nachdem Carlos sein Paar vergessen hatte.[9] Der Soziologe Harry Edwards, Gründer der OPHR, hatte schwarze Athleten dazu aufgerufen, Olympia zu boykottieren.[10] Die Athleten wurden ausgebuht, als sie das Podium verließen.[11] Smith sagte später:

“If I win, I am American, not a black American. But if I did something bad, then they would say I am a Negro. We are black and we are proud of being black. Black America will understand what we did tonight.”

„Wenn ich siege, bin ich Amerikaner, kein schwarzer Amerikaner. Aber wenn ich etwas Schlechtes mache, sagen sie, ich sei ein Neger. Wir sind schwarz und wir sind stolz darauf. Das schwarze Amerika versteht, was wir heute gemacht haben“

Tommie Smith[3]

Ein vom Fotojournalisten John Dominis geschossenes Foto der Athleten wurde auf einer Vielzahl von Titelseiten veröffentlicht und gilt bis heute als eine Ikone der sich damals auf einem Höhepunkt befindlichen amerikanischen Bürgerrechtsbewegung[12].

In seiner Autobiographie Silent Gesture (Stille Geste) schrieb Smith, der Gruß sei nicht der „Black-Power“-Gruß, sondern ein Gruß für die allgemeinen Menschenrechte.

Reaktion des Internationalen Olympischen Komitees[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), der US-Amerikaner Avery Brundage, stufte das Verhalten als eine „üble Demonstration gegen die amerikanische Flagge durch Neger“ ein.[13] In einer unmittelbaren Reaktion auf die Protestaktion ordnete er an, dass Smith und Carlos aus dem Team der USA zu entfernen seien und das olympische Dorf verlassen müssten. Das Team USA weigerte sich zunächst. Nachdem Brundage damit drohte, die ganze US-amerikanische Leichtathletikmannschaft auszuschließen, wurden die beiden Athleten doch aus der Mannschaft entfernt.

Ein Sprecher des IOCs sagte, es war ein „willentlicher und gewaltsamer Bruch der fundamentalen Prinzipien der olympischen Idee“. Brundage, der 1936 Präsident des US-amerikanischen Olympischen Komitee gewesen war, hatte nichts dagegen einzuwenden, den Hitlergruß zu zeigen, da es sich um einen nationalen deutschen Gruß zu dieser Zeit gehandelt habe.[14] Die Website des IOC sagt heute zu dem Vorfall: “Tommie Smith and John Carlos staged a silent protest […] against the treatment of black Americans.” (Übers.: „Tommie Smith und John Carlos protestierten still […] gegen die Behandlung schwarzer Amerikaner.“)[15]

Nachwirkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 18. Oktober 1968 gewannen drei afroamerikanische Athleten (Lee Evans, Larry James und Ron Freeman) die ersten drei Plätze des 400-Meter-Laufs. Als sie das Podest betraten, trugen sie schwarze Barette – Erkennungszeichen der Black Panther.[16] Als die Nationalhymne gespielt wurde, nahmen sie die Barette ab. Diese Aktion hatte keine negativen Folgen für die drei.

Smith und Carlos wurden von der amerikanischen Sportszene in den folgenden Jahren mehrheitlich verfemt. Sie wurden für ihre Aktion weitestgehend kritisiert. Das Time Magazine zeigte die fünf olympischen Ringe und untertitelte das Bild mit “Angrier, Nastier, Uglier” („Zorniger, Widerlicher, Hässlicher“) anstelle von „höher, weiter, schneller“. Zuhause angekommen, waren sie Ziel von Anfeindungen und ihre Familien erhielten Morddrohungen.[17]

Smith spielte später in der NFL bei den Cincinnati Bengals, bevor er ein Juniorprofessor am Oberlin College wurde. 1999 erhielt er den „California Black Sportsman of the Millennium Award“.

Carlos betrieb weiter Sport und stellte 1969 einen Weltrekord über 100 Yards auf. Er spielte später Football bei den Philadelphia Eagles. 1977 nahm sich seine Frau das Leben und er verfiel in Depressionen.[18] 1982 wurde Carlos vom Organisationskomitee für die Olympischen Spiele 1984 in Los Angeles eingestellt. Seine Aufgabe bestand auch darin, eine Akzeptanz seitens der schwarzen Bevölkerung für die Spiele zu schaffen. 1985 wurde er Leichtathletiktrainer an der Palm Springs High School, eine Stelle, die er seitdem innehat.

Peter Norman wurde bei den Olympischen Spielen 1972 vom australischen Verband nicht nominiert. Er war zwar mehrfach unter der geforderten Qualifikationsnorm geblieben, der Verband hatte jedoch das Ergebnis der Australischen Meisterschaften als Grundlage für die Olympiaqualifikation festgelegt.[19] Norman selbst sowie mehrere Journalisten vermuten hinter der Nichtnominierung eine politische Kampagne.[20][21] Bei seiner Beerdigung im Jahre 2006 erwiesen ihm Smith und Carlos die letzte Ehre und gehörten zu seinen Sargträgern.[22]

2005 errichtete die San José State University zu Ehren ihrer einstigen Studenten Smith und Carlos eine 22 Fuß hohe Statue, die die berühmte Szene festhält. Der Student Erik Grotz war Initiator dieses Projektes gewesen.[23]

Smith und Carlos erhielten später den Arthur Ashe Courage Award (2008).[24][25]

Kulturelle Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auf dem Sydney Film Festival wurde Mitte 2008 ein Film mit dem Titel Salute gezeigt. Der Film war geschrieben, produziert und gedreht worden von Matt Norman, dem Neffen von Peter Norman.[26]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. 1968: Black athletes make silent protest (Memento vom 18. Dezember 2008 im Internet Archive)
  2. Black Power: Zwei Fäuste und die berühmteste Siegerehrung der Olympischen Spiele, watson, 16. Oktober 2022
  3. a b 1968: Black athletes make silent protest. BBC, 17. Oktober 1968, abgerufen am 9. November 2008.
  4. Dean Lucas: Black Power. Famous Pictures: The Magazine, 11. Februar 2007, abgerufen am 9. November 2008.
  5. Beatrice Schlag: Schwarzer Oktober, Weltwoche 28.05, Seite 24
  6. David C. Ogden, Joel Nathan Rosen (Hrsg.): Reconstructing Fame: Sport, Race, and Evolving Reputations, Verlag University Press of Mississippi, 2011, ISBN 978-1-61703-044-4, S. 102
  7. Black Power Salute Rocks 1968 Olympics, ABC News, 17. Oktober 1968; mit Befragung Tommy Smith
  8. Peter Norman
  9. Der unsichtbare Zweite · DRadio Wissen. Abgerufen am 10. August 2016.
  10. Art Spander: A Moment In Time: Remembering an Olympic Protest. CSTV, 24. Februar 2006, abgerufen am 9. November 2008.
  11. John Carlos. (PDF) Freedom Weekend, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 18. Dezember 2008; abgerufen am 9. November 2008.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.freedomweekend.info
  12. Richard Lewis: Caught in Time: Black Power salute, Mexico, 1968. The Sunday Times, 8. Oktober 2006, abgerufen am 16. Oktober 2018.
  13. Stefan Locke: Die spontane Geste eines Riesen. Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 41/2018 vom 17. Februar 2018, S. 7.
  14. "The Olympic Story", editor James E. Churchill, Jr., veröffentlicht 1983 beim Verlag Grolier Enterprises Inc.
  15. Mexico 1968 (offizielle Website des International Olympic Committee). Abgerufen am 9. September 2010.
  16. Black-Power-Protest bei den Olympischen Spielen 1968 in der Notable Names Database (englisch, abgerufen am 17. Februar 2021)
  17. Tommie Smith 1968 Olympic Gold Medalist. Tommie Smith, abgerufen am 9. November 2008.
  18. Neil Amdur: Olympic Protester Maintains Passion. In: New York Times. 10. Oktober 2011 (Online).
  19. Athletic Australia: Peter Norman. Abgerufen am 16. Oktober 2018.
  20. Rupert Cornwell: Great Olympic Friendships: John Carlos, Peter Norman and Tommie Smith – divided by their colour, united by the cause. Abgerufen am 16. Oktober 2018.
  21. Florian Riesewieck: Zehn Geschichten hinter den Fäusten von Mexico City. 16. Oktober 2018, abgerufen am 16. Oktober 2018.
  22. Martin Flanagan: Olympic protest heroes praise Norman's courage. The Sydney Morning Herald, 6. Oktober 2006, abgerufen am 9. November 2008.
  23. Speed City: From Civil Rights to Black Power (Memento vom 6. Dezember 2008 im Internet Archive)
  24. Salute at ESPYs – Smith and Carlos to receive Arthur Ashe Courage Award. espn.go.com, 29. Mai 2008, ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 17. Januar 2009.@1@2Vorlage:Toter Link/sports.espn.go.com (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  25. "Matt Norman, Director/Producer 'Salute'" (podcast: nephew of Peter Norman discusses new documentary about Peter’s role in the Black Power Salute)
  26. 2008 Program Revealed! (Memento vom 25. Januar 2009 im Internet Archive)