Religionsgruppenkonflikte in Pakistan

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Konflikte zwischen Religionsgruppen in Pakistan bestehen zwischen den vorherrschenden Sunniten und der schiitischen Minderheit.

Unter denen, denen die Gewalt zwischen den Konfessionen im Land angelastet wird, sind in erster Linie sunnitische Streiter wie Sipah-e-Sahaba und Mitglieder schiitischer militanter Gruppen wie Tehrik-e-Jafria und andere.[1] Jedoch werden sunnitischen Terrorgruppen häufige Angriffe auf die Minderheit der Schiiten und ihre religiösen Versammlungen angelastet, was zu Racheattacken in Gegenrichtung führt.[2][3]

Hintergrund[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach der Kongressbibliothek, Pew Research Center, Oxford University, dem CIA Factbook und anderen Experten beträgt die Schia in Pakistan 5–25 %[4][5][6][7][8][9][10] der gesamten muslimischen Bevölkerung, während der sunnitische Islam die übrigen 75–95 %[4][5][6] umfasst.

Obwohl Schiiten dort eine Minderheit darstellen, hat Pakistan die zahlenmäßig zweitgrößte schiitische Gemeinschaft nach dem Iran. Die gesamte schiitische Bevölkerung in Pakistan zählt ungefähr 50 Millionen[5] bis 60 Millionen laut Vali Nasr.[11] Im globalen Maßstab wird der schiitische Islam von 10–20 %[5][6][10][12][13] der Muslime insgesamt repräsentiert, während die übrigen 90 % den sunnitischen Islam praktizieren.[14]

Herrschaft von Zia-ul-Haq[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In den frühen Jahren des Konflikts zwischen den Konfessionen stießen extremistische Sunniten mit Ahmadiyyas zusammen, bis letztere 1974 durch eine Verfassungsänderung der Nationalversammlung Pakistans offiziell zu Nichtmuslimen erklärt wurden. Unter der fortgesetzten Regierung des Muhammad Zia-ul-Haq wurde der Konfessionalismus in Pakistan, insbesondere in Karatschi und Südpunjab, ziemlich gewalttätig, da der Prozess der Islamisierung in der pakistanischen Rechtsprechung begann.

Die pakistanische Schulbuchkontroverse manifestierte das massive Zurückdrängen indischer bzw. hinduistischer Einflüsse.

Sozialgesetze, die dem offenen Verkauf des Alkohols, der Vermischung der Geschlechter etc. tolerant gegenübergestanden hatten, wurden durch Zias Gesetze stark eingeschränkt, auch wenn Hardliner gleichermaßen in schiitischen wie sunnitischen Lagern überwiegend für diese Einschränkungen waren. Der Gang der Dinge führte zu Fragen, in welchen sich die sunnitischen und schiitischen Standpunkte unterschieden. In solchen Fällen bevorzugte Zia die sunnitische Interpretation des Islam gegenüber der schiitischen, was eine Kluft zwischen den beiden Gesellschaften bewirkte.

Finanzierung durch den Iran und arabische Staaten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die iranische Finanzierung schiitischer Extremisten und arabische Staaten, insbesondere Saudi-Arabien und GCC-Staaten, die radikale extremistische Sunnis in Pakistan finanzieren, verschärfen die Spannungen, was zu gegenseitigen in Tit-for-Tat-Angriffen führt.[15]

Ablauf[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Gewalt verschlimmerte sich unmittelbar nach dem 11. September und der Entfernung der Taliban aus Afghanistan.[16] 2002 wurden 12 schiitische Hazara-Polizeianwärter in Quetta niedergeschossen. 2003 wurde die Hauptfreitagsmoschee der Schia in Quetta angegriffen, wobei 53 Beter getötet wurden. Am 2. März 2004 wurden mindestens 42 Personen getötet und mehr als 100 verwundet, als eine Prozession der schiitischen Muslime von rivalisierenden sunnitischen Extremisten auf dem Liaquat-Bazaar in Quetta attackiert wurde.[17] Davon getrennt tötete am 7. Oktober 2004 eine Autobombe in Multan 40 Mitglieder einer extremistischen sunnitischen Organisation. 300 Menschen starben 2006.[18]

Jedoch hat es seit dem 11. September insgesamt einen Rückgang der Gewalt gegeben, da Saudi-Geldquellen im Zuge erhöhter Kontrolle saudischer Verbindungen zu Hardline-Extremisten weniger gewillt sind, sunnitische Extremisten zu finanzieren.

Am 29. Dezember 2009 wurden nicht weniger als 40 Schiiten in einem vermutlichen Selbstmordangriff in Karatschi getötet. Der Bomber attackierte eine schiitische Prozession, die zur Aschura stattfand.[19] Seit Juni 2010 war Sipah-e-Sahaba in Karatschi mit der gezielten Tötung von sieben unschuldigen Passanten und Intellektuellen terroristisch aktiv; alle Opfer gehörten der muslimischen Gemeinschaft der Zwölfer-Schia an. Konfessionalistische Ausschreitungen wie auch gezielte Tötung von Ärzten in der Provinzhauptstadt wirkten für das aktuelle demokratische System Pakistans als ein Alarmsignal. Karatschi hatte in den frühen 1980er Jahren ähnliche konfessionalistische Spannung erlebt, als Präsident Zia-ul-Haq an der Macht war. Das Militärregime jener Jahre hatte gewisse Gruppen unterstützt, um seine Herrschaft zu stärken. Karatschi war nach den konfessionalistischen Ausschreitungen einer argen Situation ausgesetzt. Die schiitisch-sunnitischen Zusammenstöße waren nach einem kleinen Vorfall vom selben Stadtteil (i. e. Godra Colony in New Karachi) ausgegangen, und anschließend hatten die Kampfhandlungen die gesamte Stadt in ihrem Griff. Dies hält bis heute an.

Anfang September 2010 wurde von drei separaten Attacken in verschiedenen Teilen Pakistans berichtet. Die erste, bei dem mindestens 35 Schiiten getötet und 160 unbekannte Menschen während einer Prozession verletzt wurden, fand am 1. September in Lahore statt. Über die zweite, bei der mindestens ein Mensch getötet wurde, wurde berichtet, dass sie in Mardan gegen Ahmadiyyas stattgefunden hätte. Die dritte Attacke ereignete sich auch am 3. September, aber in der Stadt Quetta, und tötete während einer anderen Prozession, die zur Solidarität mit Palästinensern aufrief, 56 Menschen.[20]

Am 16. Dezember tötete ein Mörserangriff neun Menschen, darunter Frauen und Kinder, in Hangu, einer Stadt, die ein Brennpunkt konfessionalistischer Zusammenstöße zwischen schiitischen und sunnitischen Gemeinschaften in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa (KP), in der Nähe des Stammesgebiets, gewesen ist. Am selben Tag wurde in einem anderen Angriff in Peshawar, der Hauptstadt der Provinz KP, ein Kind getötet und 28 Menschen verwundet, als schiitische Muslime Aschura feierten.[21]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Pakistan's militant Islamic groups. In: BBC News. 13. Januar 2002, abgerufen am 28. August 2010: „Sipah-e-Sahaba or the Army of Prophet Mohammad's companions is a radical group from the majority Sunni sect of Islam. Tehrik-e-Jafria or the Movement of Followers of Shia Sect was founded in 1979.“
  2. Pakistan's militant Islamic groups. In: BBC News. 13. Januar 2002, abgerufen am 29. Mai 2012.
  3. ATTACKS ON SHIAS IN PAKISTAN, A MESSAGE TO IRAN TOO: INTERNATIONAL TERRORISM MONITOR--PAPER NO. 674. (Memento vom 2. März 2012 im Internet Archive) South Asian Analysis, 4. September 2010.
  4. a b Country Profile: Pakistan 75.6 % ate=February 2005. (PDF; 213 kB) In: Library of Congress Country Studies on Pakistan. Library of Congress, abgerufen am 1. September 2010: „Religion: The overwhelming majority of the population (96.3 percent) is Muslim, of whom approximately percent are Sunni and 25 percent Shia.
  5. a b c d Mapping the Global Muslim Population: A Report on the Size and Distribution of the World’s Muslim Population. In: Pew Research Center. 7. Oktober 2009, abgerufen am 24. August 2010.
  6. a b c Tracy Miller (Hrsg.): Mapping the Global Muslim Population: A Report on the Size and Distribution of the World's Muslim Population. Pew Research Center, 2009 (pewforum.org [PDF; abgerufen am 25. August 2010]).
  7. Pakistan, Islam in. In: Oxford Centre for Islamic Studies. Oxford University Press, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 18. Juni 2013; abgerufen am 29. August 2010: „Approximately 97 percent of Pakistanis are Muslim. The majority are Sunnis following the Hanafi school of Islamic law. Between 10 and 15 percent are Shiis, mostly Twelvers.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.oxfordislamicstudies.com
  8. Religions: Muslim 95 % (Sunni 70 %, Shia 25 %), other (includes Christian and Hindu) 5 %. In: Central Intelligence Agency. The World Factbook on Pakistan, 2010, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 26. Dezember 2018; abgerufen am 24. August 2010.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.cia.gov
  9. Pakistan - International Religious Freedom Report 2008. In: United States Department of State. Abgerufen am 28. August 2010: „The majority of Muslims in the country are Sunni, with a Shi'a minority ranging between 10 to 20 percent.
  10. a b Pilgrimage to Karbala - Sunni and Shia: The Worlds of Islam. PBS, 26. März 2007, abgerufen am 1. September 2010.
  11. Vali Nasr, Joanne J. Myers: The Shia Revival: How Conflicts within Islam Will Shape the Future. (Memento vom 26. Oktober 2006 im Webarchiv archive.today) 18. Oktober 2006: Iran always had been a Shia country, the largest one, with about 60 million population. Pakistan is the second-largest Shia country in the world, with about 50-60 million population.
  12. Shīʿite. In: Encyclopædia Britannica. Encyclopædia Britannica Online, 2010, abgerufen am 25. August 2010: „Shīʿites have come to account for roughly one-tenth of the Muslim population worldwide.
  13. Religions. In: CIA. The World Factbook, 2010, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 20. Dezember 2018; abgerufen am 29. August 2010: „Shia Islam represents 20 % of Muslims worldwide...  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.cia.gov
  14. Sunnite. In: Encyclopædia Britannica. Encyclopædia Britannica Online, 2010, abgerufen am 24. August 2010: „They numbered about 900 million in the late 20th century and constituted nine-tenths of all the adherents of Islām.
  15. Zahid Hussain: Frontline Pakistan: The Struggle With Militant Islam. Columbia University Press, 2008, ISBN 978-0-231-14225-0, S. 93 (google.com [abgerufen am 18. September 2010]).
  16. Pakistan's Shia-Sunni divide. In: BBC News. 1. Juni 2004, abgerufen am 24. August 2010.
  17. Carnage in Pakistan Shia attack. In: BBC News. 2. März 2004, abgerufen am 24. August 2010.
  18. Shiite-Sunni conflict rises in Pakistan. In: David Montero. 2. Februar 2007, abgerufen am 24. August 2010.
  19. S. Raza Hassan: Karachi in grip of grief and anger as blast toll rises to 43. (Memento vom 29. März 2010 im Internet Archive) In: Dawn News. 30. Dezember 2009.
  20. Police say attacks on Pakistani minorities kill 44 (Memento vom 3. Oktober 2010 im Internet Archive)
  21. Aftab Alexander Mughal: Pakistan: Taliban continues onslaught against minorities. (Memento vom 16. Juli 2011 im Internet Archive) enerpub, 29. Dezember 2010.