Religionskrieg

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Paris während der Bartholomäusnacht. Zeitgenössisches Gemälde von François Dubois: Le massacre de la Saint-Barthélemy

Unter einem Religionskrieg, seltener Glaubenskrieg, wird im Allgemeinen ein Krieg verstanden, der aus Gründen der Religion geführt wird. Darunter fallen etwa die Expansionskriege des Islam bis zum 8. Jahrhundert, die Kreuzzüge und die Albigenserkriege des Mittelalters. Im engeren Sinne bezeichnet man mit „Religionskrieg“ die Konfessionskriege im 16. und 17. Jahrhundert in Europa. Dazu zählen insbesondere die Hugenottenkriege Frankreichs sowie im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation der Schmalkaldische Krieg (1546–1547), der Aufstand der protestantischen Fürsten (1552) und vor allem der Dreißigjährige Krieg (1618–1648). Die Abgrenzung ist schwierig, da einerseits bis teilweise in die Neuzeit die meisten Kriege mit religiösen Vorstellungen oder Ausdrucksformen verbunden waren, andererseits hatten selbst die Religionskriege im engeren Sinn noch andere als nur religiöse Motive. Laut der Encyclopedia of Wars hatten von allen 1.763 bekannten/aufgezeichneten historischen Konflikten 121, d. h. 6,87 %, Religion als Hauptursache.[1]

Islamische Expansion[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Islamische Expansion bezeichnet die Eroberungspolitik der Araber von der Mitte der 630er Jahre an und die damit einhergehende Ausdehnung des Islam von der Iberischen Halbinsel bis in den Punjab bis ins 8. Jahrhundert hinein. Mit dem Beginn der Islamischen Expansion wird häufig auch das Ende der Antike angesetzt.

Die Kreuzzüge[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Kreuzzüge zogen sich vom späten 11. Jahrhundert bis ins 13. Jahrhundert hin, sie umfassten dabei sowohl das Heilige Land als auch Teile Europas und Nordafrikas als Schlachtplätze.

Religionskriege im Inneren[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Geschichte der Europäischen Nationen kennt indessen gerade in der Zeit der Entstehung der Nationen im engeren Wortsinne mehrere Auseinandersetzungen, die als Religionskriege ihren Ursprung nahmen oder zumindest als Religionskrieg bezeichnet wurden.

Schmalkaldischer Krieg[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Gründung des schmalkaldischen Bundes, eines Verteidigungsbündnisses protestantischer Fürsten und Städte im Jahr 1531, die sich gegen die Religionspolitik des katholischen Kaisers Karl V., des Heiliges Römisches Reich richtete, führte schließlich zu einem Krieg beider Parteien in den Jahren von 1546 bis 1547, der mit der Niederlage des Bundes und seiner Auflösung endete.

Die acht Hugenottenkriege[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die acht Hugenottenkriege (1562 bis 1598) wurden auch zusammenfassend „vierzigjähriger Krieg“ genannt. Im 16. Jahrhundert zerfiel Frankreich in zwei religiöse Lager: die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung blieb katholisch; eine starke Minderheit schloss sich der Reformation an. Ein friedliches Zusammenleben der beiden Konfessionen erwies sich als unmöglich, wodurch es zu kriegerischen Auseinandersetzungen kam, welche gerade in Gebieten mit gemischten Glaubensgruppen oft als Bürgerkriege auftraten.

Die acht offenen Kriege wurden nur von wenig tragfähigen Friedensvereinbarungen unterbrochen. Erst das Edikt von Nantes (30. April 1598) brachte wirklich Frieden; es verordnete eine begrenzte religiöse Toleranz. Die konfessionelle Koexistenz wurde im 17. Jahrhundert zugunsten der Katholiken eingeschränkt und 1685 durch das Edikt von Fontainebleau beseitigt, mit dem das Edikt von Nantes widerrufen wurde.[2] (Siehe auch Bartholomäusnacht).[3]

Der Publizist Klaus Harpprecht schrieb zu Religionskriegen mit Blick auf die Hugenottenkriege:

„[Heinrich IV.] bescherte … Frankreich von 1594 … bis 1610 … eine Ära des inneren Friedens. Eine Zeit, in der die Bauern ihre Äcker ohne die Furcht bestellen konnten, dass die reifende Ernte morgen von dem einen oder anderen Heerhaufen in den Boden gestampft würde. Eine Schonfrist, in der das Handwerk wieder gedieh, die Städte nicht mehr den Plünderungen durch die katholische oder die protestantische Soldateska preisgegeben waren.

[…] ein Aufatmen nach den fast vierzig Jahren, in denen das Land den Religionskriegen ausgeliefert war, grausamer Hader, der immer wieder aufbrach, weil jede Partei und jeder ihrer Heerführer die mühsam zusammengebastelten, manchmal auch eilig improvisierten Friedensschlüsse nur als Chance nutzte, den nächsten Waffengang vorzubereiten.

Das Pathos der Prediger – gleichviel ob es auf protestantischen oder katholischen Kanzeln erschallte – und der fistelnde Eifer der religiösen Fanatiker tarnten Beutegier und schiere Mordlust mit dem Anspruch der Legitimität, die aus dem Glauben stammt.

Wer heutzutage naiv genug ist, den fromm drapierten Terror der Islamisten für eine beispiellose Verirrung zu halten, der lese in der Geschichte der europäischen Religionskriege nach, zu welch viehischen Schlächtereien, zu welch absurden Gräueln, zu welcher Verwüstungs- und Vernichtungswut die katholischen wie die protestantischen Heerscharen im Namen Gottes fähig waren!“[4]

Der Dreißigjährige Krieg[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Dreißigjährige Krieg (1618-1648) wurde durch die gegenreformatorischen Bestrebungen des Kaisers Ferdinand II. ausgelöst. Gegen diese schlossen sich mehrere protestantische Staaten und Herrscher zusammen. Innerhalb des Reichs ging es zum einen um die Durchsetzung der Gegenreformation innerhalb der Habsburgischen Erblande und die Auslegung des Augsburger Religionsfriedens zugunsten der protestantischen oder katholischen Konfession, im Hintergrund standen politische Interessen der Reichsfürsten und der europäischen Nachbarstaaten, ihre jeweiligen Herrschafts- und Einflusssphären auszuweiten. Dabei unterstützte zum Beispiel das katholische Frankreich unter der Führung des Kardinals Richelieu unter Ludwig XIII. aus Machtinteresse die protestantische Seite. Der Westfälische Friede, der mit dem Dreißigjährigen auch den Achtzigjährigen Krieg beendete, trug zur längerfristigen Stabilität in Europa bei.

Schweiz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Erste und Zweite Kappeler Krieg waren Kriege in der Schweiz zur Zeit der Reformation. Der Sonderbundskrieg war der letzte Krieg auf Schweizer Territorium und war im Wesentlichen ebenfalls durch die Religion begründet.

Russland[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In den Begründungen des russischen Regimes und seiner Propaganda handelt es sich beim Russischen Überfall auf die Ukraine 2022 um einen Krieg gegen «Okkultisten und Atheisten», respektive um einen tausendjährigen Krieg gegen den „kollektiven Westen“, der den orthodoxen Glauben zu zerstören trachte.[5][6][7] Von Beginn an, wie auch schon in der verklausulierten Kriegserklärung Putins vorhanden, war die Religion ein wichtiger Teil aller Kriegsbegründungen,[8] Russland führe in der Ukraine einen „heiligen Krieg“, einen „gerechten Kampf“[9] gegen das Böse.[10]

Verbindung von Religion und (Außen-)Politik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In großen Teilen der Welt gab und gibt es Religionen, die den Charakter einer allgemein verbindlichen Staatsreligion annehmen. Die Verbindung zwischen Staat und Religion wurde in der Geschichte vor allem dann aggressiv, wenn sich religiöser Eifer und imperialistische staatliche oder gesellschaftliche Tendenzen trafen. Als klassisches Beispiel dienen hierbei die Kreuzzüge, die aufgrund des päpstlichen Aufrufs im Mittelalter von verschiedenen europäischen Herrschern und Staaten gegen den Islam geführt wurden, ebenso wie die Eroberungszüge, die von Herrschern und Staaten von der Zeit des frühen und Hochmittelalters bis in die Neuzeit hinein geführt wurden. Im Falle der Kreuzzüge wurde als Motivation vornehmlich die „Befreiung“ des „heiligen Landes“ von der Herrschaft der Ungläubigen propagiert, gleichzeitig standen auch konkrete politische und ökonomische Interessen auf dem Spiel, wie zum Beispiel die Handelsinteressen der Republik Venedig im westlichen Mittelmeerraum. Es ist heute schwer, zu entscheiden, ob bei diesen genannten Beispielen die Religion oder politisch-ökonomische Interessen im Vordergrund gestanden haben.

Religion als Mittel der Kriegsführung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Religionskriegen dient die Religion nicht nur als Mittel der Propaganda, sondern religiöse Versprechungen werden von den kriegsführenden Staaten auch zur Motivation des eigenen Volkes, insbesondere der am Kampf teilnehmenden Soldaten eingesetzt. Materielle Opfer des Krieges werden dem religiösen Opfer gleichgesetzt, was eine höhere Bereitschaft zur Hinnahme materieller Nachteile (Verknappung von Lebensmitteln etc., Erhöhung von Steuern und Abgaben) bewirkt. Insbesondere den Kämpfern werden religiöse Vorteile versprochen. Beispielsweise

Nicht mit dieser Instrumentalisierung von Religion durch kriegführende Staaten oder sonstige Mächte vergleichbar ist die seelsorgerische Betreuung von Religionsangehörigen durch Feldgeistliche. Diese Betreuung wurde im Militär des Warschauer Paktes abgeschafft, ist aber in den neuzeitlichen Kriegen in Europa wieder üblich geworden; sie dient dazu, Soldaten und anderen Streitkräfteangehörigen die Ausübung ihrer Religion (z. B. Beichte, Sonntagsgottesdienst) zu ermöglichen.

Die Stellung der Hochreligionen zu Krieg und Frieden eruiert Helmuth von Glasenapp in seiner Schrift über Glaube und Ritus der Hochreligionen.[11]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Friedrich Beiderbeck: Zwischen Religionskrieg, Reichskrise und europäischem Hegemoniekampf. 1. Auflage. Berliner Wissenschafts-Verlag, 2006, ISBN 3-8305-0024-6.
  • Christian Mühling: Die europäische Debatte über den Religionskrieg (1679-1714). Konfessionelle Memoria und internationale Politik im Zeitalter Ludwigs XIV. (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz, 250) Vandenhoeck&Ruprecht, Göttingen 2018, ISBN 978-3-525-31054-0.
  • Tariq Ali: The Clash of Fundamentalisms, Crusades, Jihads and Modernity. Verso, London / New York 2002 (Rezension: asmz.ch).
  • Konrad Repgen: Was ist ein Religionskrieg? In: Zeitschrift für Kirchengeschichte, 97, 1986, 3, S. 334–349.
  • Mirjam Pressler: Nathan und seine Kinder.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Charles Phillips, Alan Axelrod: Encyclopedia of wars. Facts on file, New York 2005, ISBN 978-0-8160-2851-1.
  2. Virtuelles Museum des Protestantismus
  3. Virtuelles Museum des Protestantismus
  4. Klaus Harpprecht: Krieger und Friedensstifter, legendärer Liebhaber und begeisterter Vater: Frankreich liebt bis heute seinen „guten König“ Heinrich IV., der am 14. Mai 1610 in Paris ermordet wurde. Ein Lebensbild des vitalen Monarchen. In: Die Zeit, Nr. 20/2010, S. 22
  5. Der Kreml hat ein neues Handbuch vorbereitet, wie die Propaganda über den Krieg sprechen sollte. Wir lesen es "Special Operation" sollte mit der Taufe Russlands verglichen werden, und Putin - mit Alexander Newski, Meduza, 1. August 2022; "Die Invasion der Ukraine in ihnen wird durch die Aktionen des „kollektiven Westens“ erklärt, der Russland seit fast tausend Jahren angreift, um es zu spalten (...) sowie den orthodoxen Glauben zu zerstören.
  6. "Gegen Gottlose": Kreml-Propaganda beruft sich aufs Mittelalter, BR 2. August 2022
  7. Kreml-Handbücher für die Medien vergleichen den Krieg gegen die Ukraine mit der Schlacht an der Newa, Ukrinform, 2. August 2022
  8. Putins heiliger Krieg, N-TV, 3. März 2022; Konrad-Adenauer-Stiftung
  9. "Heiliger Krieg": Historiker analysiert Putins Rede, ndr, 9. Mai 2022; Zitate von Jörn Happel
  10. Putin und Kyrill: Glaubenskrieger gegen das Böse, WDR, 29. Juli 2022
  11. Glaube und Ritus der Hochreligionen. S. Fischer, Fischer Bücherei 346, Frankfurt am Main 1960, S. 149.