Ritter Gluck

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Ritter Gluck. Eine Erinnerung aus dem Jahre 1809 ist eine Erzählung von E. T. A. Hoffmann, die zunächst am 15. Februar 1809 in der Allgemeinen musikalischen Zeitung erschien,[1] und in Band 1 der Fantasiestücke in Callots Manier, erschienen 1814 in Bamberg,[2] aufgenommen wurde.

Der 1787 verstorbene Komponist Christoph Willibald Gluck gibt dem Ich-Erzähler Anfang des 19. Jhdts. eine ganz private Vorstellung.

Inhalt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der epische Ich-Erzähler begegnete in Berlin einst einer seltsamen Person. Während beide im Tiergarten einem Trio beim Vorspielen eines Walzers zuhören, kommen sie langsam ins Gespräch. Es stellt sich heraus, dass die fremde Person ein begabter Komponist ist und voller Leidenschaft steckt. Beide Herren schätzen und kennen das Opernwerk von Mozart und Gluck, bedauern jedoch die Aufführungspraxis jener Werke in Berlin. Nachdem der Fremde verschwindet, bricht der Kontakt zwischen den beiden ab. Einige Monate später, während die Oper Armida aufgeführt wird, treffen die Herren sich zufällig wieder. Weil beide mit der Darbietung zutiefst unzufrieden sind, beschließt der Unbekannte dem Ich-Erzähler das Stück Armida richtig vorzuspielen: Der Fremde führt ihn in seine Behausung und spielt ihm das Stück auf dem Klavier vor. Die Seiten des Notenheftes, die der verblüffte Erzähler als Handlanger des Virtuosen umblättern muss, sind jedoch leer. Dann singt jener begnadete Musiker die Schlussszene der Oper. Das gesamte Erlebnis befremdet den Erzähler, er muss allerdings zugeben, dass bei dieser „Aufführung“ Gluck von dem Fremden so interpretiert wurde, wie er interpretiert werden sollte. Als Höhepunkt der Kurzgeschichte erweist sich die Enthüllung der Identität des geheimnisvollen Fremden: Der skurrile Musiker gibt sich dem Erzähler als Gluck persönlich zu erkennen: Ich bin der Ritter Gluck!.

Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gluck war bereits 1787 gestorben und somit 1809 seit über 20 Jahren tot. Infolgedessen gibt es Streit darüber, ob Hoffmann eine phantastische Erzählung intendierte oder dem Leser einen Wahnsinnigen in Gestalt des wunderlichen Fremden vorstellen wollte. Der Literaturwissenschaftlicher Gerhard Schulz ist der Ansicht, dass E. T. A. Hoffmann diese Frage offen lässt.[3] Rüdiger Safranski, ebenfalls Literaturwissenschaftler, beschäftigte sich dagegen ausführlicher mit dem Thema und geht unter anderem auf Hoffmanns prekäre Situation in Bamberg ein. Als Resultat ergibt sich, dass beide Antworten möglich sind. Anhand von Zitaten ordnet er das dichte Nebeneinanderstellen von möglichst Konkretem, Wirklichem einerseits und Phantastischem andererseits als erklärte Autorenabsicht ein. Außerdem erzeugt nach Safranski der Autor mit allen möglichen Mitteln einen quasi phantastischen Erzählraum, indem er z. B. am Anfang der Erzählung vom Berliner Herbst 1809 berichtet, wo doch die Veröffentlichung bereits im Februar desselben Jahres erfolgte.[4]

Detlev Kremer kommt anhand der Dimension des Phantastischen und der „zerstreute[n] Identität“ zu dem Schluss, dass Hoffmann den Text gleichsam als Allegorie auf das eigene Schreiben angelegt habe. Demnach sei fast alles möglich: Sein Ritter Gluck sei Christoph Willibald Gluck und er sei es nicht. Dies hieße, dass in jenem wirklichkeitsfremden erzählerischen Raum, den E. T. A. Hoffmann aufspannen würde, chronologische Betrachtungen höchstens eine untergeordnete Rolle spielen würden.[5] Arno Meteling bricht die Zeit-Perturbation darauf hinunter, dass der „an der Zeit erkrankt[e]“ Ritter Glück „an seiner Ungleichzeitigkeit“ leide.[6]

Herbert Heckmann setzt sich unter anderen mit solchen Themen wie „der Künstler in der Gesellschaft zu Anfang des 19. Jahrhunderts“,[7] der Autor als Musiker sowie der psychiatrischen Komponente des Textes auseinander.[8][9]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wikisource: Ritter Gluck – Quellen und Volltexte

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sekundärliteratur
  • Helmut de Boor, Richard Newald: Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zur Gegenwart. Band 7: Gerhard Schulz: Die deutsche Literatur zwischen Französischer Revolution und Restauration. Teil 2: Das Zeitalter der Napoleonischen Kriege und der Restauration. 1806–1830. Beck, München 1989, ISBN 3-406-09399-X.
  • Detlev Kremer: Romantische Metamorphosen. E. T. A. Hoffmanns Erzählungen. Metzler, Stuttgart 1993, ISBN 3-476-00906-8
  • Herbert Heckmann: Das Problem der Identität. Oder: das Glück ein anderer zu sein. In: E.T.A. Hoffmann: Ritter Gluck. Verlag Johannes M. Mayer, Stuttgart, Berlin 1997, ISBN 3-932386-08-6, S. 5–48.
  • Detlef Kremer: E. T. A. Hoffmann zur Einführung. S. 41–48. Junius, Hamburg 1998, ISBN 3-88506-966-0. (Zur Einführung; 166)
  • Rüdiger Safranski: E. T. A. Hoffmann. Das Leben eines skeptischen Phantasten. 2. Auflage. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 2001 (1. Aufl. 1984), ISBN 3-596-14301-2.
  • Gero von Wilpert: Lexikon der Weltliteratur. Deutsche Autoren A – Z. 4. völlig neubearbeitete Auflage. Kröner, Stuttgart 2004, ISBN 3-520-83704-8, S. 284.
  • Arno Meteling: Ritter Gluck. Eine Erinnerung aus dem Jahre 1809. S. 81–86 in Detlef Kremer (Hrsg.): E. T. A. Hoffmann. Leben – Werk – Wirkung. Walter de Gruyter, Berlin 2009, ISBN 978-3-11-018382-5

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Safranski S. 200
  2. Kraft/Wacker
  3. Schulz S. 426
  4. Safranski S. 197–214
  5. Kremer anno 1993, S. 227, 5. Z.v.o. bis S. 228 Mitte
  6. Meteling, S. 86, 14. Z.v.o.
  7. Heckmann, S. 29, S. 43 unten
  8. Heckmann, S. 35
  9. Heckmann, S. 20, S. 39, S. 45 unten