Sabbatianer

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Der Begriff Sabbatianer (auch Sabbatisten oder Sabbatarier) bezeichnet verschiedene christliche Glaubens- und Sondergemeinschaften, die den Sabbat einhielten oder einhalten.

Historische Sondergruppen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mährische Sabbater[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Um 1528 gründete Oswald Glait, Schüler des Täuferführers Hans Hut, in Mähren und Schlesien die Gruppe der Sabbater, die den Sabbat als Zeichen für die Verheißung des „Weltensabbats“ – des letzten erwarteten Äons – rituell einhielt. Glait lehrte mit Bezug auf HebLUT und Ex 31,16 f. LUT, das Sabbatgebot sei bleibend gültig, da die Gläubigen erst nach Jesu Wiederkunft zur Ruhe Gottes gelangten. Durch seine Einhaltung werde man „versiegelt“ und bewahrt, um im Endgericht zu bestehen. Die Gruppe wollte also ihre künftige Erwählung antizipieren und ständig aktualisieren. Der Täufer Andreas Fischer löste Glait nach 1532 als Gruppenführer ab. Bis 1573 existierten mehrere Untergruppen in Mähren. Gegen sie verfasste Martin Luther 1538 die Schrift Wider die Sabbather,[1] in der er die Lehre Glaits auf jüdische Propaganda zurückführte. Diese ist jedoch nicht nachweisbar.

Siebenbürgische Sabbatharier[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zum judenchristlichen Typ gehörte eine 1588 gegründete Gruppe um den ehemaligen Unitarier Andreas Eössi in Siebenbürgen. Er forderte die Einhaltung des Sabbats, der übrigen jüdischen Feste und Speisegebote für Christen, nicht aber die Beschneidung. Denn Christus habe die Tora nicht aufheben, sondern die Heiden zu ihr führen wollen. Bis zu seiner Wiederkunft gelten daher die in der Tora genannten Bedingungen für die Erfüllung der prophetischen Verheißungen weiter. Diese Lehre setzte Eössis Schüler Simon Péchi ab 1621 fort und verbreitete sie auch im höheren Adel. Fürst Gabriel Bethlen erlaubte der Gruppe zu missionieren. 1638 trennten sich die Unitarier dieser Gegend von den Sabbathariern; letztere wurden daraufhin oft verurteilt oder konvertierten zum Schein zu den Reformierten.

Einige dieser Sabbatharier hielten sich, obgleich verfolgt, bis ins 19. Jahrhundert und wurden auch als Seelenjuden bezeichnet.[2] Eines ihrer Zentren war der Ort Székelykeresztúr. Der letzte Rest der Gemeinschaft, die damals noch etwa 30 Familien umfasste, trat 1868 vollständig zum Judentum über. Eine der letzten sabbatharischen Gemeinden in Siebenbürgen befand sich in Bözödújfalu (deutsch Neudorf, rumänisch Bezidu Nou). Die im Nationalsozialismus verfolgte Gemeinde verlor ihr Zentrum endgültig, als Bözödújfalu in den letzten Jahren des kommunistischen Ceaușescu-Regimes einem Stausee weichen musste.[3] Die letzten überlebenden Nachfolger der Siebenbürger Sabbatharier wurden im Holocaust ermordet.

Russische Subbotniki[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Um 1640 traten in Russland die Subbotniki oder Sabbatniki auf. Sie übernahmen Einflüsse des jüdischen Humanismus und der Kabbala, bestritten Jesu Gottsein und Auferstehung, verwarfen die Verehrung von Ikonen, feierten das Pessach und befolgten die Toragebote, zunächst ohne Beschneidung. Wie die Juden erwarteten sie die Ankunft des Messias, wenn alle Menschen die Tora ganz halten. Ab 1760 wurden einige Teil der Molokanen, die die russisch-orthodoxe Kirche ablehnten, und hielten darin weiter den Sabbat.

Siebentägner-Tunker[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im 18. Jahrhundert gründete sich in Nordamerika die Gruppe der Siebentägner-Tunker, die sich zuvor unter der Führung von Johann Conrad Beissel von der täuferisch-pietistischen Bewegung der Tunker (auch Schwarzenau Brethren) getrennt hatte. Die Siebentägner-Tunker gründeten 1732 das Ephrata Cloister. Reste der Gruppe schlossen sich im 19. Jahrhundert den Siebenten-Tags-Baptisten an.

Creglinger / Tennhardianer[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine kleine Gruppe von Anhänger der Schriften von Johann Tennhardt (1661–1720), die ungefähr im geografischen Dreieck Creglingen, Dinkelsbühl und Crailsheim verortet wurde, traten als kirchlich-separatistische Gruppe um 1843–1844 in stark schwärmerischer und schroffer Opposition zur evangelischen Amtskirche der Zeit (vgl. u. a. den Donatismus) in Erscheinung, indem sie die Parusie in ihrer Zeit erwarteten (vgl. Millerbewegung in den USA).[4] Der zeitgenössische evangelische Theologe Christian Palmer beurteilte die sogenannten „Creglinger“ kritisch: „… [sie] trugen als Verlobte des Herrn keine Kopfbedeckung und schoren das Haar nicht, daher sie ein wildes Aussehen bekamen; dieses Judaisieren verriethen sie noch mehr durch das Halten des Samstags statt des Sonntags, durch Verwerfung des Schweinefleisches u. dergl.“[5]

Die noch wenigen verbliebenen und zum Teil hochbetagten Anhänger, z. B. aus Roßbürg, schlossen sich Ende des 19. Jahrhunderts den Siebenten-Tags-Adventisten an.[6]

(Getaufte) Christen-Gemeinde[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Frühe freikirchlich-baptistische Gemeindegründungen unter Friedrich Herring und Johann Heinrich Lindermann ab 1852 im Rheinland und im Bergischen Land führten im Verlauf ihrer theologischen Entwicklung in den 1850er Jahren den Sabbat (Sonnabend) als biblischen Ruhetag ein. Ab 1875 gingen wesentliche Teile der Mitglieder schrittweise zu den Siebenten-Tags-Adventisten über.[7][8]

Apostolisch-Christliche Gemeinde[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die vom ostpreußischen Tischler und ursprünglichen Baptisten Julius Stangnowski (1824–1892) im Jahr 1863 gegründete Gemeinde fokussierte spätestens ab 1873 auf das Halten des biblischen Sabbats (Sabbatobservanz).[9][10] Ihre Verbreitung erstreckte sich von Ostpreußen bis in das Ruhrgebiet.[11] Nach dem Tod von Stangnowski schlossen sich wesentliche Teile den Siebenten-Tags-Adventisten an.[9] Apostolisch-Christliche Gemeinden waren in der BRD bis in die 1970er Jahre nachweisbar.[12][13]

Anhänger von Messiasanwärtern[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auch die Anhänger des selbsternannten Messias Schabbtai Zvi werden Sabbatianer (oder Dönme) genannt. In der Türkei sind tatsächliche oder vermeintliche Mitglieder dieser Sabbatianer häufig Gegenstand von Verschwörungstheorien. Denselben Namen führen auch die Anhänger der Joanna Southcott.

Heutige sabbathaltende Gruppen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Den Sabbat aus einer Endzeiterwartung heraus halten die um 1650 in England entstandenen Siebenten-Tags-Baptisten und die 1863 gegründeten Siebenten-Tags-Adventisten – zwei evangelische Freikirchen –, die Gemeinschaft der Freien Bibelforscher sowie die jüdisch-messianischen Gemeinden (eine Gemeinschaft aus Juden und Nichtjuden, die an den Messias Yeshua (Jesus) glauben und weiterhin an jüdischen Bräuchen festhalten).

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Ludwig Richard Conradi: Die Geschichte des Sabbats im Lichte der Bibel und der Geschichte von der Schöpfung bis in die Gegenwart, Internationale Traktatgesellschaft, Hamburg 1912 (Hinweis: Die aktuelle Auflage des Missionswerks Historischer Adventisten e. V. (Verlag und Herausgeber), Berlin 2009, ISBN 978-3-939979-12-8, verzichtet auf einen textkritischen Apparat).
  • Friedrich Braun: Joh. Tennhardt. Ein Beitrag zur Geschichte des Pietismus (= Einzelarbeiten aus der Kirchengeschichte Bayerns. Band 17). Verlag Chr. Kaiser, München 1934, DNB 578951401.
  • Anselm Schubert (Hrsg.): Sabbat und Sabbatobservanz in der Frühen Neuzeit (= Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte. Band 217). 1. Auflage. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2016, ISBN 978-3-579-05997-6.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. WA 50,309 ff.
  2. Anat-Katharina Kalman: Hinter den Wäldern Tausend Geschichten. (PDF; 153 kB) Eine transsilvanische Literaturlandpartie. In: swr.de. SWR2, 10. Februar 2009, S. 27, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 11. Dezember 2013; abgerufen am 11. Februar 2019.
  3. Hierzu Gerhard Möckel: Die Sabbatarier von Bözödujfalu: Ein Kapitel Siebenbürgischer Toleranz- und Intoleranzgeschichte. In: Kirche und Israel. 12, 1997, ISSN 0179-7239, S. 65–71, sowie in knapper Form Dietmar Päschel: Christliche Sabbatlieder – Eine hymnologische und ekklesiologische Problemanzeige. In: Spes Christiana. 15–16, 2004–2005, ISSN 0935-7467, S. 72–88, hier: S. 82–83 (thh-friedensau.de. (PDF; 99 kB) Ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 11. Februar 2019 (keine Mementos).@1@2Vorlage:Toter Link/www.thh-friedensau.de (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)).
  4. Christian Palmer: Die Gemeinschaften und Sekten Württembergs. Aus dessen Nachlaß herausgegeben von Prof. Dr. Jetter. Verlag der H. Laupp'schen Buchhandlung, Tübingen 1877, S. 204 ff. (Scan in der Google-Buchsuche).
  5. Christian Palmer: Die Gemeinschaften und Sekten Württembergs. Aus dessen Nachlaß herausgegeben von Prof. Dr. Jetter. Verlag der H. Laupp'schen Buchhandlung, Tübingen 1877, S. 204 ff., hier S. 205 (Scan in der Google-Buchsuche).
  6. Fritz Gerhard Link: Aus Gottes Hand Die Anfänge der Adventgemeinden im deutschen Südwesten von 1887 bis 1914 sowie Blickpunkten bis 2015. Hrsg.: Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Baden-Württemberg K. d. ö. R. 1. Auflage. Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Baden-Württemberg K. d. ö. R. (Eigenverlag), Stuttgart 2015, ISBN 978-3-946403-00-5, S. 31 ff.
  7. Daniel Heinz: Johann Heinrich Lindermann. In: Friedrich Wilhelm Bautz (Hrsg.): Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). XVIII. Ergänzung V. Traugott Bautz, Herzberg 2001, ISBN 3-88309-086-7, Sp. 836–838.
  8. August Jung: Als die Väter noch Freunde waren. Aus der Geschichte der freikirchlichen Bewegung. In: Kirchengeschichtliche Monographien (KGM). Band 5. R. Brockhaus Verlag, Wuppertal 1999, ISBN 3-417-29435-5.
  9. a b Ernst Nickel: 40 Jahre Adventbewegung in Ostpreußen. In: Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten (Hrsg.): Adventbote. Gemeindeblatt der Siebententags-Adventisten. 40. Jg., Nr. 20. Advent-Verlag (bzw. Vollmar & Bentlin KG), 15. Oktober 1934, ISSN 0179-8146, S. 307 ff.
  10. Ludwig Richard Conradi: A Trip To Russia. In: Seventh-Day-Adventist Church (Hrsg.): The Advent Review And Sabbath Herald. Vol. 67, Nr. 43. Seventh-day Adventist Publishing Association, Battle Creek MI [USA] 4. November 1890, S. 680–681.
  11. Christoph Ribbat: Religiöse Erregung. Protestantische Schwärmer im Kaiserreich (= Historische Studien. Band 19). Campus-Verlag, Frankfurt/Main / New York 1996, ISBN 3-593-35599-X, S. 83 ff.
  12. Apostolisch-christliche Gemeinde. In: apostolische-geschichte.de. Netzwerk Apostolische Geschichte e. V., 10. Dezember 2019, abgerufen am 10. Oktober 2023.
  13. Die Apostolisch-Christliche Gemeinde Deutschland, Hamburg, als Inserentin der Traueranzeige für Käte Arndt. In: Das Ostpreußenblatt. Jg. 17, Folge 3, 15. Januar 1966, S. 18, Sp. 2 (preussische-allgemeine.de [PDF; 11,2 MB]).