Schienen-Straßen-Omnibus

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Schienen-Straßen-Bus
Daten im Schienenverkehr
Vorderansicht im Schienenbetrieb
Vorderansicht im Schienenbetrieb
Vorderansicht im Schienenbetrieb
Anzahl: 50
Hersteller: Spurwagen: Donauwörth
Ausmusterung: 1967
Spurweite: 1435 mm (Normalspur)
Länge: 12.550 mm
Höhe: 3.250 mm
Drehzapfenabstand: 9.800 mm
Fester Radstand: 1.900 mm
Leermasse: 13,5 t
Reibungsmasse: 2,0 t
Höchstgeschwindigkeit: 120 km/h
Laufraddurchmesser: 850 mm
Schienen-Straßen-Bus
Das Museumsfahrzeug im Straßeneinsatz

Das Museumsfahrzeug im Straßeneinsatz

NWF BS 300
Hersteller Nordwestdeutscher Fahrzeugbau (NWF)
Bauart Kraftomnibus
Produktionszeitraum 1953–1955
Achsen 2
Motor Deutz F 6L/514
Leistung 88 kW
(120 PS)
Länge 11,1 m
Breite 2,5 m
Achsstand 5.180 mm
Sitzplätze 43
Stehplätze 24
Leergewicht 7.700 kg

Der Schienen-Straßen-Omnibus, auch kurz Schi-Stra-Bus oder im Kursbuch alternativ Straßenschienenomnibus[1] genannt, ist ein Zweiwegefahrzeug für den Personenverkehr auf Eisenbahnstrecken und Straßen. Die Deutsche Bundesbahn (DB) setzte ihn sowohl als Personenzug als auch als Bahnbus ein.

Das Fahrzeug[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Fahrzeug ist ein spezieller Omnibus mit allen für den Straßenverkehr notwendigen Einrichtungen. Der Schienen-Straßen-Omnibus war mit einem Dieselmotor von Klöckner-Humboldt-Deutz aus dem Omnibusbau ausgerüstet. Dieser hatte eine Leistung von 88 Kilowatt (120 PS), er ermöglichte eine Geschwindigkeit von 80 km/h auf der Straße und 120 km/h auf Schienen. Die Fahrzeuge boten 43 Sitzplätze und 15 bis 24 Stehplätze.

Der Wagen war ein Einrichtungsfahrzeug, aber entsprechend den Vorschriften für den Schienenverkehr ausgerüstet. So besaß er beidseitig Türen, um auch linksseitige Bahnsteige bedienen zu können, verfügte über eine bahntaugliche Bremse, die über die Spurwagen wirkte, eine Sicherheitsfahrschaltung und eine Notbremseinrichtung. Für den Betrieb auf Eisenbahngleisen wurde der Bus auf zwei zweiachsige Untergestelle – genannt „Spurwagen“ – gesetzt. Dafür besaß der Schienen-Straßen-Omnibus zwei hydraulische Hebevorrichtungen, mit der wechselseitig die vordere und hintere Fahrzeughälfte zum Auf- und Absetzen von den Spurwagen angehoben wurde. Vor der Vorderachse und hinter der Hinterachse befand sich je ein Lager für den Drehzapfen des Spurwagens. Für das Umsetzen wurde ein Rillenschienen-Gleis auf Straßenebene benötigt. Im Schienenbetrieb war die Vorderachse vollständig abgehoben, die Reifen der Hinterräder saßen auf den Schienen auf und sorgten für den Antrieb. Dafür waren spezielle Reifen notwendig und die Spurbreite des Busses betrug an der Hinterachse auch nur 1.500 mm. Während des Wechsels auf und von den Spurwagen blieben die Fahrgäste im Bus.[2]

Beschaffung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ansicht von schräg hinten
Detailaufnahme

Die Deutsche Bundesbahn bestellte 1951 zwei Prototypen bei der Firma Nordwestdeutscher Fahrzeugbau (NWF) in Wilhelmshaven. Bereits Ende 1951 wurde ein Fahrzeug auf der Strecke Nürnberg–Würzburg vorgeführt und stellte unter Beweis, dass es „innerhalb dreier Minuten von der Landstraße auf die Eisenbahnschienen oder umgekehrt umgesetzt werden kann, ohne daß die Fahrgäste aussteigen müssen“.[3] Die Spurwagen wurden von der Firma Waggon- und Maschinenbau GmbH Donauwörth hergestellt. Die Prototypen wurden 1952 geliefert und erprobt. Kurz darauf folgten drei Serienfahrzeuge, eines wurde im März 1953 auf der Internationalen Automobil-Ausstellung in Frankfurt am Main vorgestellt. 1953 wurden noch weitere 50 Fahrzeuge bestellt. Insgesamt kamen aber nur 15 Wagen auf der Schiene zum Einsatz, die restlichen verkehrten als reine Straßenfahrzeuge.

Einsatz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Passau–Wegscheid[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auf der Bahnstrecke Erlau–Wegscheid, die auch zwei Zahnstangenabschnitte einschloss, fanden 1951[Anm. 1] Probefahrten statt. Auch diese Steilstrecken schaffte der Schienen-Straßen-Omnibus. Wegen der Schneelage im Winter schien aber ein ganzjähriger Betrieb hier ausgeschlossen.[4]

Passau–Cham[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die ersten drei Serienfahrzeuge wurden mit Beginn des Sommerfahrplans ab dem 12. Juni 1953[5] auf der Strecke von Passau nach Cham (Oberpf) eingesetzt:

Von den 140,7 km Gesamtstrecke[Anm. 2] wurden somit 63,8 auf Schienen zurückgelegt. Für das Umsetzen von der Schiene auf die Straße und umgekehrt waren jeweils zehn Minuten eingeplant. Zusätzlich erfolgte ein Fahrtrichtungswechsel im Bahnhof Zwiesel. Die gesamte Reisezeit betrug fünfeinhalb Stunden. Die Verbindung wurde einmal täglich angeboten. Weil es in Cham keine Unterstellmöglichkeit gab, wurde die Verbindung später unter Nutzung der Bahnstrecke Schwandorf–Furth im Wald um 19,2 km bis Furth im Wald verlängert.[6] Hierzu war ein weiterer Fahrtrichtungswechsel in Cham erforderlich.

Die Verbindung im Bayerischen Wald bestand bis zum 1. Juni 1957[7] und wurde vor allem wegen der im Winter auftretenden Traktionsprobleme aufgegeben. Als einzige der Verbindungen mit dem Schienen-Straßen-Omnibus erhielt sie unter der Nummer 426h, später 423k,[1] eine eigene Fahrplantabelle im Bahn-Kursbuch und war deshalb auch in der beiliegenden Karte mit einer besonderen Signatur eingezeichnet.[8] Die exakte Zuggattung lautete – analog zu den Uerdinger Schienenbussen – To, wobei das "T" für Triebwagen und das "o" für Omnibus stand.

Augsburg–Füssen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Von 1954 bis 1958 wurde einmal täglich die Verbindung AugsburgFüssen bedient. Sie verlief von Augsburg auf der Straße bis Pforzen, dann auf der Schiene über die Bahnstrecke Buchloe–Lindau, die Bahnstrecke Biessenhofen–Marktoberdorf und die Bahnstrecke Marktoberdorf–Lechbruck bis Roßhaupten. Von dort aus ging es wieder auf der Straße weiter nach Füssen.[8] Im Bahn-Kursbuch wurde sie unter der Nummer 406c geführt. Die Fahrt dauerte drei Stunden und zehn Minuten.

Koblenz–Betzdorf[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zum Winterfahrplan 1954/55 wurde die Verbindung KoblenzBetzdorf eingerichtet. Die Strecke führte von Koblenz auf der Straße nach Dierdorf und von dort über die Bahnstrecke Engers–Au bis Au (Sieg) und weiter auf der Siegstrecke bis Betzdorf. Im Omnibus-Kursbuch war sie unter der Tabellennummer 2254/45 aufgeführt.[9] Diese Relation erwies sich als größter Erfolg dieses Konzepts und bestand deshalb auch am längsten. Oftmals reichte das Angebot an Sitzplätzen für die Zahl der Reisewilligen nicht aus.[10] Eine Fahrt dauerte zweieinhalb Stunden. Diese war die einzige Verbindung, auf der zwei Fahrten pro Tag und Richtung angeboten wurden. Die letzte planmäßige Fahrt am 27. Mai 1967 besiegelte das Ende des Schienen-Straßen-Omnibusses.[11]

Wutachtalbahn[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Wutachtalbahn war aus militärstrategischen Gründen errichtet worden. Der Mittelabschnitt zwischen Weizen und Blumberg überwand hier, aufgrund von Steigungen, eine Distanz von 9,6 km Luftlinie mit einer Bahnstrecke von 24,7 km Länge. Das Betriebsergebnis war, wie beim Bau bereits erwartet, stark negativ, da die Preise der Fahrkarten sich an der Streckenlänge, nicht an der Luftliniendistanz orientierten. Der Verkehr auf der Straße war schneller und preiswerter. In der Nachkriegszeit, als die militärstrategische Bedeutung der Strecke entfiel, wurde im Mittelabschnitt 1955 der Schienenverkehr eingestellt, die weiterführenden Streckenabschnitte im Norden und Süden aber weiterhin mit Schienenverkehr bedient, was zweimaliges Umsteigen im Bahnhof Weizen sowie im Bahnhof Blumberg-Zollhaus bedeutete. Diese Umstiege wollte man den Fahrgästen ersparen, weshalb die Deutsche Bundesbahn den Schi-Stra-Bus auf der parallel verlaufenden Bundesstraße 314 einsetzte. Die Erfahrungen mit dem Zweiwegefahrzeug waren allerdings so schlecht, dass dessen Einsatz mit dem Fahrplanwechsel im Dezember 1955 endete.[12]

Weitere Einsätze[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es gab weitere, jeweils nur kurze Einsätze, beispielsweise von Bernkastel nach Remagen 1954[13], über die Schwarzwaldbahn (Baden) nach Immendingen oder zwischen Mai 1953 und November 1955 von Waldshut über die Hochrheinbahn.

Probleme[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Fahrzeuge waren wenig flexibel im Einsatz. Ein Wechsel zwischen Schiene und Straße war nur an Bahnhöfen möglich, die entsprechend ausgerüstet und an denen Spurwagen verfügbar waren. Bei größerem Fahrgastandrang war es nicht möglich, die Kapazitäten zu erhöhen. Die Federung litt unter dem durch die Hydraulik der Hebevorrichtung hohen Gewicht.

Die NWF entwickelte zwar noch ein Fahrzeug, das integrierte klappbare Räder hatte, um nicht mehr auf die schwerfälligen Spurwagen angewiesen zu sein, dieses Fahrzeug fand aber bei der Deutschen Bundesbahn kein Interesse. Eine Weiterentwicklung unterblieb durch den Konkurs des Unternehmens.

Erhalten gebliebenes Fahrzeug[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ein Fahrzeug mit zwei Spurwagen befindet sich im Eigentum der Stiftung Eisenbahnmuseum Bochum und ist dort ausgestellt, dieses Fahrzeug ist betriebsfähig. Allerdings beschränkt die Zulassung des Eisenbahn-Bundesamtes den Einsatz heute: Tunneldurchfahrten und Begegnungsverkehr auf mehrgleisigen Strecken sind nicht zugelassen.[14] Das Umsetzen zwischen Straße und Schiene wird gelegentlich bei größeren Veranstaltungen vorgeführt.

Sonstiges[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei Einführung der computerlesbaren Fahrzeugnummern zum 1. Januar 1968 wurde für den Schienen-Straßen-Omnibus noch die Baureihennummer 790 vergeben, jedoch waren zum Stichtag bereits alle Fahrzeuge ausgemustert.

Ähnliche Fahrzeuge bei anderen Bahnen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Frankreich[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In den frühen 1940er Jahren entwickelte der Ingenieur Talon ein System, bei dem ein normaler Straßenbus auf Schienen verkehrte und dabei einen leichten Beiwagen des Standardtyps „Decauville“ ziehen konnte. Der Bus fuhr über eine spezielle Rampe auf zwei Spurwagen, wonach die vorderen Räder die Schienen nicht mehr berührten, die inneren der hinteren Doppelräder aber den Kontakt zum Gleis behielten. Wenigstens eines dieser mit Holzgas betriebenen Fahrzeuge kam im Sommer 1943 auf der 54 km langen Bahnstrecke der Compagnie Carcassonnaise de Transports en Commun (C.C.T.C.)[15] von Carcassonne nach Quillan zum Einsatz.[16]

Japan[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Japanischer DMV

Auch in Japan wurden Schiene-Straßen-Omnibusse unter der Bezeichnung „DMV“ (Dual-mode vehicle) entwickelt.[17] Das aus Minibussen des Typs Toyota Coaster umgebaute Modell DMV920 benötigt keine externen Drehgestelle mehr; die beiden mitgeführten Achsen werden beim Eingleisen nur abgesenkt.

Verwendet werden diese Fahrzeuge seit Ende 2021 bei der Asa Coast Railway,[18] deren Strecke, die Asatō-Linie, in Awa-Kainan an die Mugi-Linie der Shikoku Railway Company anschließt und nach Kannoura führt.[19]

USA[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In den Vereinigten Staaten wurde in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre mit einem derartigen System experimentiert. Zwei Dieselbusse der Red Arrow Lines wurden so umgebaut, dass sie auch auf Schienen fahren konnten.[20]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

nach Autoren / Herausgebern alphabetisch geordnet

  • Siegfried Bufe: Wege nach Passau. In: Eisenbahn Geschichte 93 (2019), S. 12–27.
  • Gustav Nagel: Auf Gummi und Stahl. In: Lok Magazin. 41. Jahrgang, Nr. 250 7/(2002). ISSN 0458-1822, S. 52–53.
  • Wolfgang Stoffels: Die Schienen-Straßen-Omnibusse. Deutsche Gesellschaft für Eisenbahngeschichte Folge 25 (1980). ISBN 3-921700-31-0.
  • Klaus Strack: 150 Jahre Eisenbahn im Siegtal. Nümbrecht 2010. ISBN 978-3-89909-100-7.

Holger Späing: Ein Pionier in der Sackgasse. In: eisenbahn-magazin. Nr. 2, 2021, S. 36–45.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Schienen-Straßen-Omnibus – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. So: Bufe, S. 27. Da die Fahrzeuge aber erst 1952 geliefert wurden, muss es wahrscheinlich „1952“ heißen.
  2. So: Amtliches Kursbuch der Deutschen Bundesbahn vom Sommer 1955; Bufe, S. 27, nennt 142,7 km.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Urahn der Zwei-Wege-Fahrzeuge – Ein ungewöhnlicher Pionier. In: Trainini – Praxismagazin für Spurweite Z, 16. Jahrgang, Ausgabe 180, Juli 2020, S. 15–35. Online auf trainini.de, abgerufen am 27. April 2023
  2. Nagel.
  3. Wußten Sie schon?. In: Salzkammergut-Zeitung, 13. Dezember 1951, S. 13 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/skg
  4. Bufe, S. 27.
  5. Bufe, S. 27.
  6. Einsätze im Westerwald und in anderen Gebieten
  7. Bufe, S. 27.
  8. a b Amtliches Kursbuch der Deutschen Bundesbahn vom Sommer 1955.
  9. Stra-Schi-Bus zwischen Betzdorf und Koblenz – Busfahrplan auf db58.de, abgerufen am 27. April 2023
  10. Zu dieser Verbindung insbesondere: Strack, Seiten 200f.
  11. Nagel.
  12. Schi-Stra-Bus im Einsatz auf der Wutachtalbahn.
  13. Jochen Fink, Ludger Kenning, Helmut Reichelt, Manfred Simon: Damals bei der Moselbahn. Verlag Kenning, Nordhorn 2021. ISBN 978-3-944390-21-5, S. 33.
  14. Tomas Meyer-Eppler: Der Schie–Stra–Bus fährt wieder. In: Lok Magazin 3/2002, S. 22.
  15. L’étonnant autorail-bus de l’Aude bei grandsudinsolite.fr, abgerufen am 6. Januar 2018
  16. Clive Lamming: Trains de Légende: Les Réseaux français et la Naissance de la SNCF (1938–1950). 2006, ISBN 2-8302-2147-8, S. 105.
  17. Schließlich beginnt die „DMV-Ära“.
  18. Homepage des Unternehmens. Abgerufen am 8. Dezember 2021
  19. Lok-Report: Japan: ASA Küsteneisenbahn nimmt Dual-Mode-Fahrzeuge für Schiene und Straße in Betrieb. Abgerufen am 8. Dezember 2021
  20. The Trolley Dodger bei thetrolleydodger.com, abgerufen am 6. Mai 2020