Schwibbogen (Architektur)

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Schwibbögen über dem Färbergaßl in Laufen a. d. Salzach.

Der Schwibbogen (auch Schwiebbogen, Schwebebogen) ist ein vergleichsweise kurzer waagrecht gespannter Bogen zwischen zwei Gebäuden zur Übertragung des Horizontalschubs[1], oder allgemeiner ein Bogen, der sich baustatisch zwischen zwei Wände spreizt.

Schwibbögen über Gassen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Häufig finden sich maximal 4 bis 5 m breite Schwibbögen in den engen Gassen mittelalterlicher Städte. Sie können als Rund- oder Spitzbögen ausgeführt sein; häufiger sind jedoch Segmentbögen. Die Bögen sind in der Regel so geformt, dass sich oben ein horizontaler Abschluss ergibt, auf dem Dachziegel zur Wasserableitung angebracht werden können. Ihre Funktion ist in der Regel die baustatische Abstützung (Abspreizung) gegen sich neigenden Mauern. Derartige Schwibbögen haben in der Regel keine seitlichen Stützelemente wie Halbsäulen oder Pilaster. Die in der Achse meist horizontal ausgeführten Bögen sind so übermauert, dass sich oben gerade – meist gedeckte – Abschlüsse ergeben. Größere Schwibbögen wurden manchmal auch zu begehbaren Verbindungsbrücken zwischen den Obergeschossen der abgestützten Häuser ausgebaut.

Schwibbögen als Scherenbögen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine baukonstruktive und sehr seltene Variante des Schwibbogens ist der Scherenbogen in der gotischen Architektur. Ihre Bezeichnung rührt von der markanten scherenartigen Gestalt und ergibt sich aus der Kombination von zwei gegenläufigen Gewölbebögen. Die bekanntesten vier Scherenbögen befinden sich in der Kathedrale von Wells, die in den Jahren 1338–1348 zur statischen Stabilisierung der gut hundert Jahre älteren Vierung errichtet wurden, als sich dort die Pfeilerfundamente senkten.[2]

Schwibbögen in Sälen, Kellern und Kirchen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Schwibbögen können auch die baustatische Funktion von Unterzügen für weitgespannten Holzbalkendecken oder zwischen aneinandergereihten Gewölben übernehmen. Sie ermöglichen große Räume und Säle. In Kellern ermöglichen Schwibbögen eine offene Aneinanderreihung mehrerer Gewölbe.

In Kirchen ist die begriffliche Unterscheidung solcher Schwibbögen zu den romanischen Scheidbogen – insbesondere zur Betonung und statischen Sicherung der Vierung – fließend. Diese Bögen sitzen allerdings in der Regel auf Pfeilervorlagen.

In der auvergnatischen Romanik wird der innere Vierungsbereich von Kirchen im sogenannten Massif barlong durch Schwibbögen getragen und betont (Stiftskirche Notre-Dame du Port in Clermont-Ferrand, Prioratskirche Saint-Nectaire (Puy-de-Dôme)), wobei die karolingische Kirche von Germigny-des-Prés (806) als Vorbild gedient haben könnte.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Schwibbogen (Architektur) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Schwibbogen – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Hans Koepf, Günther Binding: Bildwörterbuch der Architektur. Mit englischem, französischem, italienischem und spanischem Fachglossar (= Kröners Taschenausgabe. Bd. 194). 4., überarbeitete Auflage. Kröner, Stuttgart 2005, ISBN 3-520-19404-X (Digitalisat auf moodle.unifr.ch, abgerufen am 31. Dezember 2023), S. 424.
  2. Wells Cathedral Somerset, the scissor arches seen from the south transept. In: ribapix.com (RIBApix). Abgerufen am 31. Dezember 2023.