Sderot

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Sderot
Wappen von Sderot
Basisdaten
hebräisch: שדרות
arabisch: سديروت
Staat: Israel Israel
Bezirk: Süd
Gegründet: 1951
Koordinaten: 31° 32′ N, 34° 36′ OKoordinaten: 31° 31′ 34″ N, 34° 35′ 38″ O
Höhe: 93 m
Fläche: 4,472 km²
 
Einwohner: 26.455 (Stand: 2018)[1]
Bevölkerungsdichte: 5.916 Einwohner je km²
 
Gemeindecode: 1031
Zeitzone: UTC+2
 
Gemeindeart: Stadt
Sderot (Israel)
Sderot (Israel)
Sderot

Sderot oder Sederot/? (hebräisch שְׂדֵרוֹת Sderot, deutsch ‚Baumreihen, Allee‘, arabisch سديروت, DMG Sidīrūt) ist eine Stadt im südlichen Israel. Die Stadt liegt im Westteil des Negev unweit des nördlichen Gazastreifens.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auf Sderot abgefeuerte Kassam-Raketen werden in der Polizeistation aufbewahrt.
Straßenbunker (vorne), Bushaltestellenbunker (hinten) in Sderot

Sderot wurde 1951 auf dem Land des palästinensischen Dorfes Nadschd (arabisch نجد, DMG Naǧd) gegründet, dessen Einwohner 1948, kurz vor dem Einmarsch der ägyptischen Armee in Israel, von der Hagana nach Gaza vertrieben und dessen Dorf selbst vollkommen zerstört worden war. Die ehemaligen Bewohner und ihre Nachkommen leben bis heute als Flüchtlinge im Gazastreifen,[2] zunächst unter ägyptischer Kontrolle (1948–1956 und 1957–1967).

Eine eigenständige Gemeindeverwaltung wurde Sderot 1958 und im Jahr 1996 eine Stadtverwaltung.

Internationale Bekanntheit erlangte Sderot, weil es ab dem 16. April 2001[3] immer wieder aus dem nahen Gazastreifen angegriffen wird. Allein am Abend des ersten Tages schlugen fünf Mörsergranaten und eine Kassam-Rakete im Stadtgebiet ein.[4] Durch die sich wiederholenden Angriffe leiden viele Einwohner an einer posttraumatischen Belastungsstörung.[5]

Am 28. Juni 2004 starben bei einem solchen Angriff erstmals Menschen, der 49 Jahre alte Mordechai Josepov und der 4 Jahre alte Junge Afik Sahavi.[6] Einige Monate später, am 29. September 2004, wurden bei einem Angriff mit Kassam-Raketen aus dem Gazastreifen zwei Kleinkinder getötet. Dieser und weitere Anschläge löste die Militäraktion „Tage der Buße“ des israelischen Militärs im Gazastreifen aus.[7]

Seit Israels Rückzug aus dem Gazastreifen im Sommer 2005 haben die Angriffe massiv zugenommen. Die Zahl der auf Israel, zumeist auf Sderot, abgefeuerten Raketen stieg im Zeitraum von 2001 bis zum Januar 2009 auf über 8600.[8] Seit 2004 befindet sich in Sderot wegen der Angriffe die einzige im Ernsteinsatz befindliche Komponente des Tactical-High-Energy-Laser-Systems, eines von einer amerikanischen Firma entwickelten Verteidigungssystems gegen Raketenbeschuss. Es funktioniert in etwa achtzig Prozent der Fälle. Vom Ertönen des Frühwarnsystems Zeva Adom („Farbe Rot“) bis zum Einschlag der Rakete bleiben nur etwa 15 Sekunden, um sich in Sicherheit zu bringen.

Am 17. Januar 2005 verstarb Ayala-Chaya Abukasis, nachdem sie am 15. Januar 2005 bei einem Raketenangriff schwer verletzt wurde.[9] Im Jahr darauf kam es Mitte November zu einer Vielzahl von Raketenangriffen, die am 16. und am 21. zwei weitere Todesopfer[10][11] forderten und einige Menschen schwer verletzten.[12][13][14] Die Angriffe dauerten in den Folgewochen an; eine Delegation von 70 Diplomaten, die auf Einladung von Außenministerin Tzipi Livni am 23. November die Stadt besuchte, verließ die Stadt nur 20 Minuten vor einem neuerlichen Angriff mit Kassam-Raketen.[15]

Im Mai 2007 gab es zwei weitere Todesopfer, Schir'el Friedman, 32 Jahre verstarb am 21. und ʿOschri ʿOz 36 Jahre am 27. Mai 2007.[16] Am 12. Dezember 2007 fielen mehr als 20 Raketen auf Sderot, worauf der Bürgermeister der Stadt, Eli Moyal, unerwartet seinen Rücktritt bekanntgab. Im Januar und Februar des Jahres 2008 wurden über 1000 Raketen auf Sderot geschossen; dabei kam Ende Februar ein Mann auf dem Campus des Sapir Colleges ums Leben.[17] Roni Yihye, 47 Jahre alt, wurde am 27. Februar 2008 und Schir-El Friedman, 35 Jahre alt, am 19. Mai 2008 bei Raketenangriffen getötet.[18] Auch in der darauffolgenden Zeit kam es zu weiteren Raketenangriffen, die die Militäraktion Operation Gegossenes Blei der israelischen Armee im Gazastreifen auslösten.

Im November 2010 wurden die ersten beiden Batterien des mobilen Raketenabwehrsystems Iron Dome zum Schutz von Sderot stationiert.[19]

Nach einem Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen am 29. Juni 2014 brannte eine Farbenfabrik im Industriegebiet vollständig nieder. Zwei Arbeiter erlitten Verbrennungen. Dies war der erste direkte Treffer auf ein Ziel in Israel seit der erneuten Zunahme des Raketenbeschusses Mitte Juni. Weitere Raketen zerstörten ein Wohnhaus und ein Studentenwohnheim. Die Zunahme des Raketenbeschusses war ein Auslöser für die Operation Protective Edge der israelischen Armee ab 8. Juli 2014.[20]

Im Zuge des Terrorangriffs der Hamas auf Israel 2023 kam es zum Angriff auf Sderot, wobei bewaffnete Terroristen der Hamas in die Stadt eindrangen, unter anderem das Gebäude der Stadtpolizei besetzten und rund 40 Zivilisten ermordeten. Die Kämpfe zur Rückeroberung und Säuberung dauerten mehr als drei Tage, wobei rund 20 israelische Sicherheitskräfte und etwa 50 Terroristen getötet wurden. Aufgrund des Angriffs kam es zu einer freiwilligen und empfohlenen Evakuierung der Stadt, in dessen Folge die Einwohnerzahl auf mehrere Hundert bis 2000 Menschen zurückging und Sderot in internationalen Medien den Ruf einer Geisterstadt erwarb.

Einwohner[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Jahr 2018 hatte Sderot 26.455 Einwohner.[21] Etwa 60 Prozent davon sind orientalische Juden, hauptsächlich aus Marokko stammend und etwa vierzig Prozent davon sind Neueinwanderer, die erst nach 1990 aus der ehemaligen Sowjetunion zugezogen sind. Sderot gründeten in den Jahren nach der israelischen Staatsgründung (1948) mehrheitlich Marokkaner, die im Zuge der Vertreibung von Juden aus arabischen und islamischen Ländern nach Israel kamen. Sderot wurde wie viele andere Entwicklungsstädte gezielt gefördert. Die Stadt konnte sich dennoch nicht zu einem regionalen Zentrum entwickeln.

Das israelische Zentralbüro für Statistik gibt bei den Volkszählungen vom 22. Mai 1961, 19. Mai 1972, 4. Juni 1983, 4. November 1995 und vom 28. Dezember 2008 für Sderot folgende Einwohnerzahlen an:[22]

Jahr der Volkszählung 1961 1972 1983 1995 2008
Anzahl der Einwohner 3.539 7.638 9.014 16.600 19.416

Kibbuz Migwan[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Migwan (hebräisch מגוון ‚Farbvielfalt‘) ist ein kleiner Kibbuz innerhalb der Stadt Sderot.

Der Kibbuz wurde 1987 gegründet. Seit seiner Gründung gehörte der Kibbuz der links-zionistischen Kibbuzvereinigung ha-Kibbuz ha-Arzi (Landeskibbuzverband) an, welcher allerdings 1999 in dem Dachverband ha-Tenuʿa ha-Kibbuzit (die Kibbuzbewegung) aufging. 2005 lebten in dem städtischen Kibbuz ca. 50 Personen. Migwan ist ein moderner Kibbuz mit traditionellen Einflüssen. Er besitzt einen kollektiven Wirtschaftszweig mit Gemeinschaftsunternehmen, gemeinsame kulturelle Einrichtungen und Veranstaltungen sowie wöchentliche Versammlungen. Im Gegensatz zu den traditionell-sozialistischen Kibbuzim gibt es in Migwan privaten Besitz, wie das Einkommen und private Immobilien. Heute beherbergt der Kibbuz etwa 10 Familien sowie Internet- und Dienstleistungsunternehmen.

Bürgermeister[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Stadtverwaltung

  • – 2007 Eli Moyal
  • 2008 – 2013 David Buskila
  • 2013 – Lfd. Alon Davidi[23]

Vorsitzender der Gemeindeverwaltung

  • 1962 – 1971 Yehonaran Yifrach
  • 1983 – 1988 Amir Peretz

Trivia[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das südlich der Stadt im Landkreis Schaʿar HaNegev gelegene Sapir College ging im Dezember 2005 eine akademische Partnerschaft mit der Fachhochschule Trier ein. Das vom College organisierte, seit 2002 jährlich stattfindende internationale Cinema South Festival ist eines der wichtigsten Kulturereignisse im Süden Israels. Ein besonderer Schwerpunkt ist ein Programm für lokales arabisch-palästinensisches Kino.[24][25][26]


Städtepartnerschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Sderot – Sammlung von Bildern und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. אוכלוסייה ביישובים 2018. (XLSX; 130 kB) [Bevölkerung der Siedlungen 2018]. Israel Central Bureau of Statistics, 25. August 2019, abgerufen am 11. Mai 2020.
  2. Robert Fisk: Wiped from Israel’s maps: The true inhabitants of Sderot. In: Belfast Telegraph, 26. November 2012.
  3. Sowohl angegriffen als auch verurteilt. Israelische Botschaft, 21. November 2006, Seite nicht mehr abrufbar, kein Archivlink auffindbar am 11. Oktober 2023
  4. Kölner Stadt-Anzeiger, 18. April 2001, S. 3
  5. Raketen prägen den Alltag. Israelnetz, 16. April 2021, abgerufen am 6. Juli 2021.
  6. mfa.gov.il Israelisches Außenministerium (englisch), abgerufen am 18. Juli 2018
  7. Kölner Stadt-Anzeiger, 1. Oktober 2004, S. 5
  8. Q&A: Gaza conflict. 18. Januar 2009 (bbc.co.uk [abgerufen am 11. Oktober 2023]).
  9. mfa.gov.il Israelisches Außenministerium (englisch), abgerufen am 18. Juli 2018
  10. Sderot victim was a Muslim married to a Jew. Jerusalem Post, 16. November 2006, Seite nicht mehr abrufbar, kein Archivlink auffindbar am 11. Oktober 2023
  11. Man dies of wounds sustained in Qassam strike on Sderot. (Memento vom 1. Oktober 2007 im Internet Archive) Ha'aretz, 22. November 2006
  12. Woman killed, man seriously hurt in Qassam strike on Sderot. (Memento vom 17. November 2006 im Internet Archive) Ha'aretz, 15. November 2006
  13. Tödlicher Raketenangriff. FAZ, 15. November 2006
  14. Qassams hit Negev, day after deadly Sderot strike. (Memento vom 1. Oktober 2007 im Internet Archive) Ha'aretz, 16. November 2006
  15. Treffen zwischen Beratern Olmerts und Abbas; Erekat: positive Atmosphäre. (Memento vom 22. Januar 2007 im Internet Archive) Israelische Botschaft, 23. November 2006
  16. mfa.gov.il Israelisches Außenministerium (englisch), abgerufen am 18. Juli 2018
  17. Raketenkrieg gegen Israel – Verletzte in Ashkelon und Sderot. haGalil.org, 28. Februar 2008
  18. mfa.gov.il Israelisches Außenministerium (englisch), abgerufen am 18. Juli 2018
  19. Iron Dome system passes final tests. In: jpost.com. The Jerusalem Post, 19. Juli 2010, abgerufen am 12. April 2011 (englisch)., Archivlink abgerufen am 11. Oktober 2023
  20. Newsletter der Botschaft des Staates Israel, Berlin, vom 1. Juli 2014 und 3. Juli 2014
  21. אוכלוסייה ביישובים 2018. (XLSX; 130 kB) [Bevölkerung der Siedlungen 2018]. Israel Central Bureau of Statistics, 25. August 2019, abgerufen am 11. Mai 2020.
  22. Israelisches Zentralbüro für Statistik
  23. Israelnetz.de vom 21. März 2018: Sderot ehrt 104-jährige Israelin
  24. Kifah Abdul Halim: Filmfest „Cinema South“: Ein Kulturfestival stellt den Süden Israels in den Mittelpunkt. Rosa-Luxemburg-Stiftung Israel Office, 13. Juli 2017, abgerufen am 10. Oktober 2017.
  25. Die Schule für Audio- und visuelle Kunst des Sapir Colleges. In: Rosa-Luxemburg-Stiftung Israel Office. Oktober 2016, abgerufen am 10. Oktober 2017.
  26. The Cinema South International Film Festival. In: Embassy of Israel, London. 2. Juli 2014, abgerufen am 10. Oktober 2017 (englisch).
  27. Sderot auf bsz-spv.de, abgerufen am 8. März 2022
  28. Jumelage | Ville d'Antony. Abgerufen am 11. Oktober 2023.