Singapurisches Parlament

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Singapurisches Parlament
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Basisdaten
Sitz: Parliament House, Singapur
Legislaturperiode: 5 Jahre
Erste Sitzung: 9. August 1965
Abgeordnete: 95
93 regulär
2 NCMPs
voraussichtlich 9 NMPs
Aktuelle Legislaturperiode
Letzte Wahl: 10. Juli 2020
Nächste Wahl: voraussichtlich 2025
Vorsitz: Tan Chuan-Jin (PAP)
    
Sitzverteilung: Regierung (83)
  • PAP 83
  • Opposition (12)
  • WP 10
  • NCMPs 2
  • Neutral (9)
  • NMPs 9
  • Vakant (0)
  • Vakant 0
  • Website
    https://www.parliament.gov.sg/
    Parlamentsgebäude
    Parlamentsgebäude

    Das Parlament von Singapur ist ein Einkammerparlament nach dem Westminster-System mit 93 regulären Abgeordneten. Zusätzlich können bis zu 18 weitere Abgeordnete ernannt werden.

    Zusammensetzung und Funktion[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

    Das Parlament besteht aus 93 regulär alle fünf Jahre direkt gewählten Abgeordneten. Daneben werden von einem Auswahlkomitee des Parlaments bis zu neun Nominated Members of Parliament (NMPs) ernannt, die keiner politischen Partei angehören dürfen und keinen bestimmten Wahlkreis repräsentieren. Die NMPs dürfen bei Haushaltsabstimmungen, bei finanzwirksamen oder verfassungsändernden Gesetzen, bei einem Misstrauensvotum gegen die Regierung oder die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens des Präsidenten nicht an der Abstimmung teilnehmen. Ihre Amtsdauer beträgt 2,5 Jahre.[1]

    Überdies ernennt der Präsident bis zu zwölf bei der Wahl unterlegene Oppositionskandidaten, die Non-Constituency Members of Parliament (NCMPs), um eine ausreichende Repräsentation der Opposition im Parlament zu gewährleisten.[2] Die Anzahl an NCMPs errechnet sich aus der Differenz von zwölf möglichen NCMPs und der Zahl der bei der Wahl erreichten Oppositionsmandate.[3] Bis 2017 waren auch die NCMPs von den oben genannten Entscheidungen ausgenommen. Seit April 2017 besitzen die NCMPs das identische Wahl- und Mitbestimmungsrecht wie die regulär gewählten Abgeordneten.[4]

    Gemäß der Verfassung bestehen die Hauptaufgaben des Parlaments in der Kontrolle der Regierung und der Gesetzgebung. Beide Aufgaben relativieren sich jedoch angesichts der Verfassungswirklichkeit: So stehen zwar Kontrollinstrumente, wie etwa die Beantragung einer Fragestunde oder schriftliche Anfragen an die Regierung, zur Verfügung, diese werden jedoch kaum genutzt. Dies liegt einerseits an der Identität von Regierung und Parlamentsmehrheit, andererseits trägt das Fehlen einer starken Opposition zusätzlich zu einer unzureichenden Kontrolle bei. Hinsichtlich der Gesetzgebung sind Gesetzesinitiativen durch die Abgeordneten zwar prinzipiell möglich, stellen jedoch eine Ausnahme dar. Dass außerdem mit der Zeit zunehmend Rechtsetzungskompetenzen an die Regierung abgegeben wurden, sorgt dafür, dass viele Rechtsnormen außerhalb des Parlaments zustande kommen. Entsprechend erfüllt das Parlament vornehmlich andere Funktionen:[5]

    • „Legitimationsfunktion“ bzgl. des Verfahrens der Normsetzung
    • „Kooptationsfunktion“ durch Einbindung der Opposition in eine Verfassungsinstitution
    • „Feedback-Funktion“ durch Petitionsrecht der Bürger
    • Integration von Minderheiten
    • „Linkage-Funktion“ durch die Vermittlerrolle der Parlamentsmehrheitsabgeordneten zwischen Regierung und Wahlkreisebene

    Wahlsystem[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

    Das allgemeine Männer- und Frauenwahlrecht wurde in Singapur 1959 eingeführt. Eine formelle Wahlpflicht besteht zwar seit 1963, deren Verletzung wird jedoch im Regelfall nicht geahndet.[6]

    Das aktive Wahlrecht haben alle Bürger Singapurs über 21 Jahren mit inländischem Wohnsitz, sofern sie nicht geisteskrank, zum Tode oder zu einer Freiheitsstrafe über zwölf Monaten oder wegen Wahlbetrugs verurteilt sind. Seit 2001 können auch Staatsbürger mit dauerhaftem Wohnsitz im Ausland in einigen Auslandsvertretungen ihre Stimme abgeben.[7] Wählbar sind Bürger über 21 Jahren, die nicht geisteskrank, zahlungsunfähig oder illegal eingewandert sind und nicht unter Vormundschaft stehen. Mitglieder der Wahlkommission, Richter und Beamte dürfen nicht gleichzeitig Abgeordnete sein. Kandidaten müssen mindestens eine der vier Sprachen Malaiisch, Mandarin, Tamilisch oder Englisch lesen und schreiben können. Vor der Wahl müssen die Kandidaten eine Kaution in Höhe einer monatlichen Abgeordnetenentschädigung hinterlegen (im Jahr 2020 waren das 13.500 SGD),[8] die den Bewerbern rückerstattet wird, die mindestens 12,5 % der Stimmen im entsprechenden Wahlkreis erhalten.[9]

    Die direkt gewählten Abgeordneten werden in 14 Einerwahlkreisen (single member constituency SMC) und 17 Mehrpersonenwahlkreisen (group representation constituency GRC) mit vier bis sechs Mandate, wobei einer der gewählten Vertreter der malaiischen, indischen oder einer anderen Minderheit angehören muss, direkt in relativer Mehrheitswahl gewählt.[10] Ist ein Abgeordneter nicht in der Lage, sein Mandat bis zum Ablauf der Legislaturperiode auszufüllen, wird eine Nachwahl abgehalten.

    Die demokratischen Grundsätze einer allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahl sind nur bedingt erfüllt. So sehen etwa manche Wahlbeobachter in der Nummerierung der Stimmzettel für die Regierung die Möglichkeit gegeben, individuelles Wahlverhalten nachvollziehen zu können.[7] Auch eine Chancengleichheit der Kandidaten hinsichtlich Kandidatur und Wahlkampf ist nicht gegeben. Die Diskrepanz zwischen dem Stimmenanteil der Opposition und den ihr zugewiesenen Sitzen ist dem starken Disproportionseffekt des Wahlsystems, den Regelungen des Wahlkampfes und dem Zuschnitt der Wahlkreise („Gerrymandering“) zuzuschreiben. So erlangte die People’s Action Party (PAP) 2020 etwa 61 % der Stimmen, erhielt aber mit 83 rund 89 % der 93 regulären Sitze im Parlament.[11] Letztlich ist festzustellen, dass die Parlamentswahlen der Regierungspartei PAP durchaus zugutekommen:

    Wahlen dienen in dreifacher Weise der Herrschaftssicherung der PAP. Erstens beruht die gesellschaftliche Akzeptanz ihrer Regierung auch auf der Bestätigung durch die Wähler (Legitimationsfunktion). Zweitens bekommt die Regierung durch das Abschneiden der Opposition ein Gespür für die Unterstützung der Wähler für ihre Politik (Informationsfunktion). Drittens kann die Opposition durch die Ernennung von Abgeordneten ohne Wahlkreis (NCMPs) in die Regimestrukturen eingebunden werden (Kooptationsfunktion).“[12]

    Parlamentswahlen 2006[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

    Die Parlamentswahlen 2006 fanden am 6. Mai statt. Das Parlament war am 20. April vorzeitig aufgelöst worden. Es waren die ersten Parlamentswahlen unter der Regierung von Premierminister Lee Hsien Loong, dem Sohn von Staatsgründer Lee Kuan Yew. 55 Kandidaten seiner People’s Action Party waren ohne Gegenkandidaten. Die Workers’ Party von Low Thia Khiang und die Democratic Alliance von Chiam See Tong stellten jeweils zwanzig Kandidaten auf, die Democratic Alliance von Chee Soon Juan sieben.

    Wegen der Wahlpflicht ist die Beteiligung traditionell hoch, sie betrug 2006 94,01 %. Die Parteizusammensetzung des neuen Parlaments war identisch mit der des vorhergehenden 2001 gewählten.

    Partei Stimmen Sitze
    People’s Action Party (PAP) 747.860 82
    Workers’ Party of Singapore (WP) 183.604 1
    Singapore Democratic Alliance (SDA) 145.902 1
    Singapore Democratic Party (SDP) 45.634 0

    Zu den gewählten Abgeordneten kommen ein NCMP und neun NMPs, so dass die Gesamtzahl der Abgeordneten 94 beträgt.

    Parlamentswahlen 2011[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

    Die Wahlen fanden am 7. Mai 2011 statt. Dabei ergab sich folgende Sitzverteilung:

    Partei Stimmen Sitze
    People’s Action Party (PAP) 1.210.617 81
    Workers’ Party of Singapore (WP) 258.141 6
    National Solidarity Party (NSP) 242.369 0
    Singapore Democratic Party (SDP) 97.239 0
    Reform Party (Reform) 86.174 0
    Singapore People’s Party (SPP) 62.504 0
    Singapore Democratic Alliance (SDA) 55.932 0
    Summe 2.012.976 87
    Ungültige Stimmen 44.714
    Nichtwähler 292.913
    Gesamtzahl der Stimmberechtigten 2.350.873

    Besonders knapp war die Situation im Wahlkreis Potong Pasir, der schon seit mehreren Wahlen an die Opposition ging. Die Vertreterin der SPP aus dem Jahre 2011, Lina Chiam, verpasste den Sieg um 114 Stimmen.[13]

    Parlamentswahlen 2015[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

    Die Wahlen zum Parlament wurden vorgezogen und fanden entsprechend schon am 11. September 2015 statt. Dabei ergab sich folgende Sitzverteilung:[11]

    Partei Stimmen Stimmen in % Sitze
    People’s Action Party (PAP) 1.576.784 69,86 83
    Workers’ Party of Singapore (WP) 281.697 12,48 6
    Singapore Democratic Party (SDP) 84.770 3,76 0
    National Solidarity Party (NSP) 79.780 3,53 0
    Reform Party (RP) 59.432 2,63 0
    Singaporeans First (SingFirst) 50.791 2,25 0
    Singapore People’s Party (SPP) 49.015 2,17 0
    Singapore Democratic Alliance (SDA) 46.508 2,06 0
    People’s Power Party (PPP) 25.460 1,13 0
    Independents 2.779 0,12 0
    Summe 2.257.016 97,95 89
    Ungültige Stimmen 47.315 2,05
    Nichtwähler 158.595
    Gesamtzahl der Stimmberechtigten 2.462.926

    Parlamentswahlen 2020[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

    Die Wahlen zum Parlament wurden auch 2020 vorgezogen und fanden am 10. Juli 2020 statt. Dass die Wahlen trotz der anhaltenden Corona-Pandemie durchgeführt wurden, kritisierte die Opposition und verwies einerseits auf die Gefahren für die Bevölkerung und beklagte die Benachteiligung durch fehlende Wahlkampfveranstaltungen. Für die Regierungspartei PAP haben die Parlamentswahlen 2020 auch deshalb eine große Bedeutung, da innerhalb der Partei ein Machtwechsel des bisherigen Regierungschefs Lee Hsien Loong ansteht.[14] Die Wahlbeteiligung lag bei 94 %.

    Bei den Parlamentswahlen ergab sich folgende Sitzverteilung:[15]

    Partei Stimmen Stimmen in % (in angetretenen

    Wahlkreisen in Klammern)

    Stimmen in % (insgesamt) Sitze (+NCMP's)
    People’s Action Party (PAP) 1.524.781 61,24 (31) 61,24 83
    Workers’ Party of Singapore (WP) 279.245 50,49 (6) 11,22 10
    Progress Singapore Party (PSP) 253.459 40,85 (9) 10,18 0 (+2)
    Singapore Democratic Party (SDP) 110.827 37,04 (5) 4,45 0
    National Solidarity Party (NSP) 93.546 33,15 (2) 3,76 0
    People’s Voice (PV) 59.060 21,26 (3) 2,37 0
    Reform Party (RP) 54.505 27,84 (2) 2,19 0
    Singapore People’s Party (SPP) 37.869 25,38 (2) 1,52 0
    Singapore Democratic Alliance (SDA) 37.179 33,83 (1) 1,49 0
    Red Dot United (RDU) 31.191 23,67 (1) 1,25 0
    People’s Power Party (PPP) 7.477 28,26 (1) 0,30 0
    Unabhängige 654 2,78 (1) 0,03 0
    Summe 2.489.793 100 93 (+2)
    Ungültige Stimmen 45.772
    Nichtwähler 115.870
    Gesamtzahl der Stimmberechtigten 2.651.435

    Eine Überraschung gelang der Opposition im Vierpersonenwahlkreis Sengkang, den die Workers’ Party mit 52,17 % der Stimmen gegen die People’s Action Party (41,9 %) für sich gewinnen konnte.[16]

    Am 14. Juli 2020 kündigte die Progress Singapore Party (PSP) als stärkste Oppositionspartei ohne Mandate und damit „best losers“[17] an, Leong Mun Wai und Hazel Poa als NCMPs ins Parlament zu entsenden.[18]

    Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

    1. Aurel Croissant: Die politischen Systeme Südostasiens. Eine Einführung. Wiesbaden 2016, S. 449 f.
    2. Members of Parliament – Parliament Of Singapore. In: parliament.gov.sg. Abgerufen am 14. Juli 2020 (englisch).
    3. Parliamentary Elections Act s. 52(1). Abgerufen am 14. Juli 2020.
    4. PM Lee Hsien Loong: NCMPs to get equal voting rights as MPs. 27. Januar 2016, abgerufen am 14. Juli 2020.
    5. Aurel Croissant: Die politischen Systeme Südostasiens. Eine Einführung. Wiesbaden 2016, S. 450 f.
    6. Aurel Croissant: Die politischen Systeme Südostasiens. Eine Einführung. Wiesbaden 2016, S. 598.
    7. a b Yeo Lay Hwee: Electoral Politics in Singapore. In: Aurel Croissant et al. (Hrsg.): Electoral Politics in Southeast & East Asia. Singapur 2002.
    8. Elections Department: Press Release on General Election 2020. (PDF) 23. Juni 2020, abgerufen am 15. Juli 2020 (englisch).
    9. Aurel Croissant et al.: Democratization and civilian control in Asia. Houndmills 2013, S. 8.
    10. Dieter Nohlen: Wahlrecht und Parteiensystem. Opladen & Farmington Hills 2009, S. 276 f.
    11. a b Generel Election 2020 - Results. 10. Juli 2020, abgerufen am 11. Juli 2020.
    12. Aurel Croissant: Die politischen Systeme Südostasiens. Eine Einführung. Wiesbaden 2016, S. 455.
    13. Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 3. August 2011 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.channelnewsasia.com Bericht auf channelnewsasia.com
    14. "Stürmische Zeiten": Singapur geht in der Pandemie zur Wahl. 23. Juni 2020, abgerufen am 11. Juli 2020.
    15. GE2020: Full Results. 10. Juli 2020, abgerufen am 11. Juli 2020 (englisch).
    16. Singapore’s ruling party wins easily—but its vote falls sharply. 10. Juli 2020, abgerufen am 11. Juli 2020 (englisch).
    17. PSP's West Coast team to be offered two NCMP seats as 'best losers'. 11. Juli 2020, abgerufen am 14. Juli 2020 (englisch).
    18. PSP chooses assistant secretary-general Leong Mun Wai and vice-chairman Hazel Poa as NCMPs. 14. Juli 2020, abgerufen am 14. Juli 2020 (englisch).

    Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]