Sinn (Philosophie)

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Sinn ist ein in verschiedene wissenschaftliche Disziplinen hineinreichender Begriff, der teilweise den Bedeutungs­gehalt eines sprachlichen Ausdrucks bezeichnet (in der Semantik) oder allgemeiner der Klärung der Beziehung von Sprache, Denken, Intentionalität und Wirklichkeit dient.

Wortverwendungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

„Sinn“ wird in verschiedenen Gebieten unterschiedlich verwendet:

  • Als Handlungssinn:
Der Begriff des Handlungssinns bildet einen Übergangsbereich von Soziologie und Philosophie. Hierbei steht „Sinn“ als Synonym für Ziel oder Zweck der Handlung. Siehe unter Handlungstheorie.

Philosophische Ansätze[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Unter dem teleologischen Sinn versteht man das, wozu etwas da ist. Dabei geht es um die Ausrichtung von Prozessen auf ein Ziel.

Vom metaphysischen Sinn des endlich Seienden spricht man, wenn die Bezogenheit auf das unendliche Sein, die Transzendenz bzw. Gott betont werden soll.

Aristoteles[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die integrative Funktion des menschlichen Geistes wurde zuerst von Aristoteles beschrieben und als sensus communis in die Wissenschaft eingeführt (de anima III/2). Das Erkennen von Bewegung, Zahl, Größe und kausalen Zusammenhängen ist nach Aristoteles nicht Leistung der einzelnen Sinne, sondern eines gemeinsamen Sinnes (sensus communis).

Luhmann[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine moderne, „systemtheoretische“ Betrachtung dieses Sinn-Ganzen wird von Niklas Luhmann vertreten, der Kommunikation als Essenz der Gesellschaft verstand und dem „Sinn“-Begriff dabei eine bedeutende Stellung einräumte. Er definiert: „Sinn ist laufendes Aktualisieren von Möglichkeiten“. Grundlegend ist sein Hauptwerk Soziale Systeme. Luhmanns Systembegriff geht von einem Funktionszusammenhang aus, welcher sich durch Abgrenzung von der Umwelt selbst im Zustand einer stabilen Ordnung hält. Ein System muss demnach primär zur aktiven Erzeugung und Gestaltung von speziellen Grenzen fähig sein. Psychische und soziale Systeme konstituieren sich für Luhmann als Sinnzusammenhänge. Der Sinnbegriff umfasst jegliche Ordnungsform menschlichen, bewussten Erlebens; es gibt demnach kein sinnloses Erleben. Die Welt ist viel zu komplex, um perfekt von einem System erfasst zu werden. Deshalb ist nach Luhmann das konstruierte „Bild“ der Welt immer eine Vereinfachung, eine Reduktion der unendlichen Komplexität auf ein überschaubares Maß. An Stelle der äußeren Weltkomplexität erzeugt das System „Mensch“ eine innere Ordnung. Dieses Geschehen versteht Luhmann als Sinnbildung. Das Komplexitätsgefälle wird vom Sinn-System in der Form eines subjektiven Weltentwurfs, der die äußere Welt reduziert, ausgeglichen. Das System interpretiert die Welt selektiv und reduziert damit die Komplexität auf das ihm zugängliche Maß hin. Dadurch ermöglicht es strukturierte Möglichkeiten des eigenen Erlebens und Handelns. Sinn tritt immer in abgrenzbaren Zusammenhängen auf und verweist zugleich über den Zusammenhang, dem er angehört, hinaus; er macht andere Möglichkeiten vorstellbar und genau hierin liegt nach Luhmann die Funktion der Sinnbildung.

Sinn ist in Luhmanns Sicht „die Einheit der Differenz von Aktualität und Potentialität“. Kommunikation konstituiert immer Sinn, ist aktuelle Selektion aus der Potentialität aller zuvor gegebenen Möglichkeiten. Sinn reguliert nach Luhmann die selektive Erlebnisverarbeitung, ist die selektive Beziehung zwischen System und Welt. Sinn ermöglicht gleichzeitig die Reduktion und Erhaltung von Komplexität. Sinn lässt sich demnach verstehen als Prämisse der Erlebnisverarbeitung. Sinn ermöglicht dem Bewusstsein eine Auswahl und verweist über das Gewählte auf das Nichtgewählte und somit auf die Grenzenlosigkeit der Welt. Kommunikation kann nach dieser Terminologie keine Übertragung von Sinn oder von Informationen sein, sondern Kommunikation ist gemeinsame Aktualisierung von Sinn, die mindestens einen der Teilnehmer informiert. Die zentrale Bedeutung der Semantik besteht für Niklas Luhmann in den erhaltenswerten Sinnprämissen innerhalb eines sozialen Systems.

Weick[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der amerikanische Organisationspsychologe Karl E. Weick bezeichnet Sinn als das Ergebnis eines sozialen Prozesses, den er Sensemaking (englisch für „Sinn erzeugen“) nennt. In dieser Betrachtungsweise ist Sinn eine psychische Konstruktion, die im Prozess des Sensemakings entsteht und verändert wird.[2]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Gottlob Frege: Über Sinn und Bedeutung. In: Zeitschrift für Philosophie und philosophische Kritik, NF 100, 1892, S. 25–50. Auch in: Gottlob Frege: Funktion, Begriff, Bedeutung. Fünf logische Studien. Herausgegeben und eingeleitet von Günther Patzig. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1962, S. 38–63.
  • Niklas Luhmann: Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie. Frankfurt am Main 1984, ISBN 3-518-28266-2, insbes. das 2. Kapitel „Sinn“.
  • John Lyons: Semantik, Band I. Beck, München 1980, ISBN 3-406-05272-X, insbes. S. 210 ff.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Gottlob Frege: Über Sinn und Bedeutung.
  2. Karl E. Weick: Der Prozess des Organisierens. Suhrkamp Wissenschaft, Band 1194. 1995, ISBN 978-3-518-28794-1.