Sonntagsruhe

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Sonntagsfrieden, Gemälde von Hans Thoma
Sonntagsspaziergang, Gemälde von Carl Spitzweg, 1841

Sonntagsruhe ist die gesetzlich geschützte Ruhe am Sonntag.

Situation in Deutschland[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Geschichtliche Entwicklung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In vormodernen christlichen Gesellschaften bedeutete die Sonntagsruhe, dass am Sonntag die knechtliche Arbeit aus religiösen Gründen auf ein Mindestmaß reduziert wurde; eigentlicher Zweck der Sonntagsheiligung war der Besuch der Gottesdienste. Die Christen begingen den Sonntag, den Tag der Auferstehung Christi, als „Tag des Herrn“ (altgriechisch Κυριακή ημέρα kyriakḗ hēméra; lateinisch dies dominica).

Kaiser Konstantin der Große (306–337) war maßgeblich an der religionspolitischen Festigung des Christentums beteiligt. Er war der erste, der am 3. März 321 durch ein staatliches Gesetz die Sonntagsruhe einführte: „Alle Richter und die städtische Bevölkerung und die Ausübung jedweder Gewerbe sollen am verehrungswürdigen Tag der Sonne (venerabilis die solis) ruhen.“[1]

Nach den mosaischen Gesetzen muss zwingend der Sabbat als Tag Gottes gefeiert werden. Um sich vom Judentum abzugrenzen, bestimmten Kaiser Konstantin und Papst Silvester I. nach dem Ersten Konzil von Nicäa (325) gemeinsam den Sonntag als christlichen Ruhetag und verwarfen den Sabbat. Innerhalb der römisch-katholischen Kirche gilt für den Sonntag das Sonntagsgebot, das von allen Gläubigen ab dem 7. Lebensjahr die Teilnahme an der sonntäglichen Heiligen Messe verlangt.

Im Laufe des 19. Jahrhunderts zerbrach die Alltagsordnung, die den Sonntag als Ruhetag schützte. Der Sonntag wurde vor allem in der zweiten Jahrhunderthälfte zunehmend zum Arbeitstag. Der Staat begann daraufhin im Rahmen sozialpolitischer Gesetzgebung mit der Begrenzung der Sonntagsarbeit.[2]

Dies galt zunächst für das Gewerbe. Hier brachte die von Kaiser Wilhelm II. erlassene Gewerbeordnungsnovelle vom 1. Juni 1891 ein grundsätzliches Verbot, deren die Sonntagsarbeit betreffende Bestimmungen am 1. Juli 1892 in Kraft traten.[3] Allerdings blieben zahlreiche Gewerbe von dem Verbot ausgenommen. Die Sonntagsarbeit im Handel in offenen Verkaufsstellen wurde auf fünf Stunden begrenzt, doch gab es für den Handel mit frischen Lebensmitteln umfangreiche Ausnahmen.

Die Sonntagsruhe ist im bundeseinheitlichen Arbeitszeitgesetz und in Landesgesetzen[4] festgeschrieben, womit ein allgemeines Beschäftigungsverbot mit wenigen Ausnahmen verbindlich festlegt ist. Dabei werden auf Grund des Reichskonkordats an Sonn- und Feiertagen auch störende Veranstaltungen während der Hauptzeit des Gottesdienstes verboten.[5]

Soweit die Sonntagsruhe im Hinblick auf die Feiertagsgesetzgebung Ländersache ist, kommt es zu unterschiedlichen Regelungen. So dürfen beispielsweise Videotheken in einigen Bundesländern sonntags öffnen, in anderen jedoch nicht. In Baden-Württemberg müssen auch Automatenvideotheken geschlossen sein, da auch durch die Kunden eine „Werktägliche Betriebsamkeit“ ausgelöst wird, weil das Ausleihen von Videos – im Gegensatz zum Betrachten von Videos – ein „typisch werktäglicher Lebensvorgang“ sei.[6]

Aktuellen Bezug hat die Sonntagsruhe mit der Novellierung der Ladenschlussgesetze in den einzelnen Bundesländern im Zuge der Föderalismusreform. Seit den 1980er Jahren wurde diese Situation des bisherigen Ladenschlussgesetzes vor allem von der FDP, Teilen der CDU/CSU sowie von großen Einzelhandelsunternehmen in Frage gestellt. Aufweichungen der Sonntagsruhe waren die Folge.

Die Sonntagsruhe ist grundgesetzlich geschützt. Art. 139 der Weimarer Reichsverfassung vom 11. August 1919, der gemäß Art. 140 GG Bestandteil des Grundgesetzes ist, bestimmt, dass der Sonntag als Tag der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt bleibt. Eine Abschaffung oder eine den Sonntag in dieser Funktion grundsätzlich in Frage stellende Regelung ist somit nicht mit dem Grundgesetz vereinbar und entzieht sich daher einer grundsätzlichen Neuregelung durch die Landesparlamente.

Einer GfK-Umfrage von 2014 zufolge würde weniger als ein Drittel der deutschen Bevölkerung einer kompletten Aufhebung des Verkaufsverbotes an Sonntagen zustimmen, 63 Prozent nutzten bereits die Angebote für verkaufsoffene Sonntage[7] oder kaufen sonntags im benachbarten Ausland ein.

Gesetzliche Regelungen und Richterrecht[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach § 9 Abs. 1 ArbZG gilt die Regelung, dass an Sonn- und Feiertagen zwischen 0 und 24 Uhr keine Arbeitnehmer beschäftigt werden dürfen. Diese Uhrzeiten können bei Schichtarbeitern um sechs, bei Kraftfahrern um zwei Stunden verschoben werden. Es gibt in § 10 ArbZG zahlreiche Ausnahmen von dieser Regelung, und Arbeitnehmer dürfen in den folgenden Situationen, Diensten und Örtlichkeiten beschäftigt werden:

  1. Not- und Rettungsdienste sowie Feuerwehr
  2. Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sowie der Funktionsfähigkeit von Gerichten und Behörden und für Zwecke der Verteidigung
  3. Krankenhäuser und andere Einrichtungen zur Behandlung, Pflege und Betreuung von Personen
  4. Gaststätten und anderen Einrichtungen zur Bewirtung und Beherbergung sowie im Haushalt
  5. Musikaufführungen, Theatervorstellungen, Filmvorführungen, Schaustellungen, Darbietungen und andere ähnliche Veranstaltungen
  6. Nichtgewerbliche Aktionen und Veranstaltungen der Kirchen, Religionsgesellschaften, Verbände, Vereine, Parteien und anderer ähnlicher Vereinigungen
  7. Sportveranstaltungen und Freizeit-, Erholungs- und Vergnügungseinrichtungen, beim Fremdenverkehr sowie in Museen und wissenschaftlichen Präsenzbibliotheken
  8. Rundfunkanstalten, bei der Tages- und Sportpresse, bei Nachrichtenagenturen sowie bei den der Tagesaktualität dienenden Tätigkeiten für andere Presseerzeugnisse einschließlich des Austragens, bei der Herstellung von Satz, Filmen und Druckformen für tagesaktuelle Nachrichten und Bilder, bei tagesaktuellen Aufnahmen auf Ton- und Bildträger sowie beim Transport und Kommissionieren von Presseerzeugnissen, deren Ersterscheinungstag am Montag oder am Tag nach einem Feiertag liegt
  9. Messen, Ausstellungen und Märkte im Sinne des Titels IV der Gewerbeordnung sowie bei Volksfesten
  10. Verkehrsbetriebe sowie beim Transport und Kommissionieren von leichtverderblichen Waren im Sinne des § 30 Abs. 3 Nr. 2 Straßenverkehrs-Ordnung
  11. Energie- und Wasserversorgungs­betriebe sowie Abfall- und Abwasserentsorgungs­betriebe
  12. Landwirtschaft und Tierhaltung sowie Einrichtungen zur Behandlung und Pflege von Tieren
  13. Bewachungsgewerbe und bei der Bewachung von Betriebsanlagen
  14. Reinigung und Instandhaltung von Betriebseinrichtungen, soweit hierdurch der regelmäßige Fortgang des eigenen oder eines fremden Betriebs bedingt ist, bei der Vorbereitung der Wiederaufnahme des vollen werktägigen Betriebs sowie bei der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit von Datennetzen und Rechnersystemen
  15. Verhütung des Verderbens von Naturerzeugnissen oder Rohstoffen oder des Misslingens von Arbeitsergebnissen sowie bei kontinuierlich durchzuführenden Forschungsarbeiten
  16. Vermeidung einer Zerstörung oder erheblichen Beschädigung von Produktionseinrichtungen

Darüber hinaus gibt es Sonderregelungen, beispielsweise zur Arbeit in Bäckereien und Konditoreien oder zur Durchführung von dringenden Zahlungsverkehren im Wertpapierhandel.

In Deutschland ermächtigt das Arbeitszeitgesetz (§ 13 Absatz 2) die Bundesländer per Verordnung (über die bundesweit festgelegten Ausnahmen hinaus) weitere Ausnahmen zu genehmigen. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat die Hessische Bedarfsgewerbeverordnung jedoch insoweit für unwirksam erklärt, als sie eine Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen in den Bereichen Videotheken und öffentliche Bibliotheken, Callcentern und Lotto- und Totogesellschaften zulässt. Die Beschäftigung von Arbeitnehmern in diesen Bereichen sei zur Befriedigung an diesen Tagen besonders hervortretender Bedürfnisse der Bevölkerung nach einer Freizeitgestaltung nicht erforderlich.[8][9][10][11][12] Am 6. Mai 2020 hat das Bundesverwaltungsgericht festgestellt, dass die evangelische Kirche in Sachsen bei der Genehmigung von Sonntagsarbeit in Callcentern einbezogen werden muss (Az. BVerwG 8 C 5.19).[13]

Vereinigte Staaten von Amerika[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In den USA werden Gesetze und Verordnungen, welche die Sonntagsruhe schützen sollen, umgangssprachlich als Blue law bezeichnet.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Lutz Friedrich: Vom Recht zur Berechtigung. Subjektivierung des Rechts und Überindividualisierung des Rechtsschutzes am Beispiel des „Grundrechts auf Sonntag“. In: Jus ecclesiasticum. Nr. 123. Mohr Siebeck, Tübingen 2020, ISBN 978-3-16-159596-7 (Dissertation, Westfälische Wilhelms-Universität Münster, 2019).
  • Petra Rösgen (Hrsg.): Am siebten Tag. Geschichte des Sonntags. Siegler, Sankt Augustin 2002, ISBN 978-3-87748-625-2 (Begleitbuch zur Ausstellung im Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Bonn, 25. Oktober 2002 bis 21. April 2003 und im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig, 17. Juni bis 12. Oktober 2003).
  • Uwe Spiekermann: Freier Konsum und soziale Verantwortung. Zur Geschichte des Ladenschlusses in Deutschland im 19. und 20. Jahrhundert. In: Zeitschrift für Unternehmensgeschichte 49. 2004, S. 26–44.
  • Ulrike Verch: Sonntags in die Bibliothek! Die Wiederbelebung des Bibliothekssonntags in Deutschland. In: Berliner Arbeiten zur Bibliotheks- und Informationswissenschaft. Nr. 17. Logos, Berlin 2006, ISBN 978-3-8325-1182-1 (Zugl.: Berlin, Humboldt-Univ., Diss., 2005 u.d.T.: Verch, Ulrike: Der Bibliothekssonntag).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Konstantin an den römischen Stadtpräfekten (vicarius urbis Romae) Helpidius am 3. März 321. In: Roland Färber, Rita Gautschy (Hrsg.): Zeit in den Kulturen des Altertums. Antike Chronologie im Spiegel der Quellen. Böhlau-Verlag, Köln 2020, ISBN 978-3-412-51815-8, S. 585–586.
  2. Zur Auseinandersetzung um die Sonntagsruhe im 19. Jahrhundert vgl. Wolfgang Ayaß: Bismarck und der Arbeiterschutz. Otto von Bismarcks Ablehnung des gesetzlichen Arbeiterschutzes – eine Analyse der Dimensionen und Hintergründe, in: Vierteljahrschrift für Sozial und Wirtschaftsgeschichte 89 (2002), S. 400–426; vgl. auch die drei „Arbeiterschutz“-Bände der Quellensammlung zur Geschichte der deutschen Sozialpolitik 1867 bis 1914.
  3. Verordnung, betreffend das Inkrafttreten der auf die Sonntagsruhe im Handelsgewerbe bezüglichen Bestimmungen der Gewerbeordnungsnovelle vom 1. Juni 1891, erlassen am 28. März 1892. In: Reichsgesetzblatt, Jg. 1892, Nr. 18 vom 29. März 1892, S. 339.
  4. NRW: Bekanntmachung der Neufassung des Gesetzes über die Sonn- und Feiertage. Abgerufen am 3. Dezember 2017.
  5. NRW: §5 des Gesetzes über die Sonn- und Feiertage. Abgerufen am 3. Dezember 2017.
  6. Jens Witte: Justizstreit um Videothek – Am siebten Tage soll der Automat ruhen, Spiegel Online, 25. August 2011
  7. Deutsche wollen auch am Sonntag einkaufen gehen, GfK-Studie, Die Welt, 21. Dezember 2014
  8. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 26. November 2014,6 CN 1.13
  9. Pressemitteilung 69/2014 des BVerwG
  10. Richter verbieten Ausweitung der Sonntagsarbeit, FAZ.net
  11. Bundesverwaltungsgericht dämmt Sonntagsarbeit ein, sueddeutsche.de, 26. November 2014
  12. Der Sonntag bleibt ein bisschen heilig, spiegel.de
  13. https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/bverwg-bverwg8c519-kirche-evangelisch-sachsen-sonntagsarbeit-beteiligung-religionsfreiheit/ Legal Tribune Online abgerufen am 7. Mai 2020