Sozialgeschichte der Literatur

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Die Sozialgeschichte der Literatur ist eine in den 1960er und 1970er Jahren aufgekommene, an der sozialen Entwicklung orientierte geschichtliche Betrachtung der Literatur, ihrer Produktion und Rezeption, ihres Gehalts und ihrer Gestalt.

Sie verstand sich anfänglich als Gegenbewegung zur werkimmanenten Interpretation und zur Geistesgeschichte (die selbst wieder Gegenbewegungen zur Germanistik während der Zeit des Nationalsozialismus bzw. zum Positivismus des 19. Jh. gewesen waren).

Ihr Ziel ist, die Bestimmtheit der Literatur durch die zeitgenössischen sozialen Verhältnisse und ihre Entwicklung aufzuzeigen, aber auch umgekehrt den Einfluss der Literatur auf ebendiese Verhältnisse. Autoren und ihre Werke gelten als Repräsentanten ihrer Gesellschaft bzw. bestimmter Gruppen und ihrer Weltanschauung (ev. Ideologie): Literatur ist Ausdruck bestimmter sozialer (Herrschafts-, Repräsentations-, Aus- und Einschließungs-) Verhältnisse; sie lässt sich damit als Quelle zur allgemeinen Geistesgeschichte und Sozialgeschichte verwenden.

„Literarische Kunstwerke oder philosophische Literatur können ohne Kenntnis jener sozialen Wirklichkeit, die sie in ihren Sprachformen stets schon zu Sinnzusammenhängen verarbeitet haben, nur unzureichend oder gar falsch verstanden werden.“[1]

Die zwei Hauptrichtungen der Sozialgeschichte der Literatur sind:

1. Eine positivistisch ausgerichtete empirische Literatursoziologie in ihrer historischen Variante untersucht Produktions- und Rezeptionsbedingungen/-weisen der Literatur anhand detaillierter historischer Forschungen (z. B. Fallstudien, Autoren-Gruppen- und Generations-Untersuchungen, solche zum Literaturmarkt und dem Publikum usw.).
2. Die Ideologiekritik (traditionell marxistisch oder orientiert an der Frankfurter Schule der Kritischen Theorie) behandelt die Werke nach ihrem Gehalt und ihrer Gestalt als Ausdruck bestimmter Interessen- und Herrschafts-Strukturen, und kritisiert sie im Namen einer anderen Gruppe (z. B. das Bürgertum und seine Literatur aus der Sicht des Proletariats) oder deutet sie wissenssoziologisch neutral (vergleiche Hermeneutische Wissenssoziologie und Wissenssoziologie).

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Hans Norbert Fügen (Hrsg.): Wege der Literatursoziologie (= Soziologische Texte. Bd. 46). Luchterhand, Neuwied 1968 (historischer Teil S. 39–159).
  • Horst Albert Glaser (Hrsg.): Deutsche Literatur. Eine Sozialgeschichte. 10 Bde. Rowohlt, Reinbek 1980–1991.
  • Rolf Grimminger (Hrsg.): Hansers Sozialgeschichte der deutschen Literatur. 12 Bde. Hanser/dtv, München 1980–1999.
  • Arnold Hauser: Sozialgeschichte der Kunst und Literatur (1953). Ungekürzte Sonderausgabe in 1 Bd. Beck, München 1969.
  • Leo Löwenthal: Das Bild des Menschen in der Literatur (1957) (= Soziologische Texte. Bd. 37). Luchterhand, Neuwied 1966.
  • Leo Löwenthal: Erzählkunst und Gesellschaft. Die Gesellschaftsproblematik in der deutschen Literatur des 19.Jh. Neuwied: Luchterhand 1971 (Sammlung Luchterhand 32)
  • Georg Lukács: Skizze einer Geschichte der neueren deutschen Literatur (1953). Luchterhand, Neuwied 1963.
  • Georg Lukács: Faust und Faustus. Vom Drama der Menschengattung zur Tragödie der modernen Kunst (= Ausgewählte Schriften. Bd. 2). Rowohlt, Reinbek 1967.
  • Georg Lukács: Schriften zur Literatursoziologie (1961) (= Soziologische Texte. Bd. 9). Luchterhand, Neuwied 1970.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. R. Grimminger: Hansers Sozialgeschichte der deutschen Literatur. Vorbemerkung zum Bd. Aufklärung, 1980.