Soziologischer Neoinstitutionalismus

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Der Soziologische Neoinstitutionalismus ist ein theoretischer Ansatz der Soziologischen Organisationstheorie, dessen Grundlagen die amerikanischen Soziologen John W. Meyer und Brian Rowan ab den späten 1970er Jahren entwickelt haben.[1]

Basiskonzepte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Theorieansatz erklärt Strukturen und Operationsweisen von Organisationen durch den Bezug auf Normen, Erwartungen und Leitbilder der institutionellen Umwelt. Durch Prozesse der Isomorphie gleichen sich Organisationen solchen Organisationen an, die als vorbildlich, rational und effektiv gelten. Dabei lässt sich zwischen drei verschiedenen Isomorphie-Mechanismen unterscheiden: Isomorphie durch Zwang, Isomorphie durch mimetische Prozesse und Isomorphie durch normativen Druck. Da nicht die technisch-ökonomische Effizienz, sondern die Legitimation gegenüber der Umwelt das primäre Gestaltungsziel ist, tendieren sie dazu, Rationalitätsmythen zu erzeugen und Legitmitätsfassaden zu errichten.

Ein weiteres Konzept dieses Ansatzes ist der Begriff des organisationalen Feldes, den Paul J. DiMaggio und Walter W. Powell eingeführt haben,[2] um die Strukturangleichung von Organisationen und Homogenität von Managementpraktiken für eine bestimmte Klasse von Organisationen zu kennzeichnen. Sie formulierten als Hypothese, dass je stärker eine Organisation von einer anderen abhängig ist, „desto stärker wird sie sich hinsichtlich ihrer Strukturen, ihrer Kultur und ihres Verhaltens jener Organisation angleichen“.[3]

Kritik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kritisch eingewandt wurde gegen diesen Theorieansatz, dass er das Modell des rational und autonom handelnden Akteurs ablehnt und an seine Stelle den unreflektiert und routinemäßig handelnden Akteur setzt. Auch seien mit diesem Ansatz weder sozialer Wandel noch Innovationen erklärbar. Meyer und Rowan haben mit der Entkopplungsthese[4] diese Kritik teilweise relativiert. Sie besagt: Die Organisation hält in ihren formalen Strukturen die von der Umwelt geforderte Fassade aufrecht, kommt aber mit den davon entkoppelten Aktivitäten im technischen Kernbereich deren Anforderungen mit rationalen Entscheidungen nicht nach. Diese Zusatzhypothese ist selbst unter Vertretern dieses Theorieansatzes umstritten,[5] da sie die theoretischen Ausgangsannahmen unterminiere.[6]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Raimund Hasse / Anne K. Krüger (Hg.): Neo-Institutionalismus. Kritik und Weiterentwicklung eines sozialwissenschaftlichen Forschungsprogramms. transcript, Bielefeld 2020, ISBN 978-3-8376-4302-2.
  • John W. Meyer and Brian Rowan: Institutionalized Organizations: Formal Structure as Myth and Ceremony. In: American Journal of Sociology, Vol. 83, No. 2 (Sep., 1977), pp. 340–363, Stable Link: JSTOR:2778293
  • W. Richard Scott: Institutions and Organizations. Sage, Thousand Oaks, CA 1995, ISBN 0-8039-5653-3.
  • Michael Schmidt, Andrea Maurer (Hrsg.): Ökonomischer und soziologischer Institutionalismus. Metropolis, Marburg 2003, ISBN 3-89518-415-2.
  • Konstanze Senge, Kai-Uwe Hellmann (Hrsg.): Einführung in den Neo-Institutionalismus. VS Verlag, Wiesbaden 2006, ISBN 3-531-15070-7.
  • Peter Walgenbach, Renate Meyer: Neoinstitutionalistische Organisationstheorie. Kohlhammer, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-17-019088-7.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. John W. Meyer, Brian Rowan: Institutionalized Organizations: Formal Structure as Myth and Ceremony. In: American Journal of Sociology. Vol. 83, 1977, S. 340–363.
  2. Paul J. DiMaggio, Walter W. Powell: The Iron Cage Revisited: Isomorphism and Collective Rationality in Organizational Fields. In: American Sociological Review. Vol 48, 1983, S. 147–160.
  3. Peter Walgenbach, Renate Meyer: Neoinstitutionalistische Organisationstheorie. Kohlhammer, Stuttgart 2008, S. 36.
  4. John W. Meyer, Brian Rowan: Institutionalized Organizations: Formal Structure as Myth and Ceremony. In: American Journal of Sociology. Vol. 83, 1977, S. 357.
  5. Peter Walgenbach, Renate Meyer: Neoinstitutionalistische Organisationstheorie. Kohlhammer, Stuttgart 2008, S. 52f.
  6. Walther Müller-Jentsch: Akteure, Interessen, Institutionen. In: Michael Schmidt, Andrea Maurer (Hrsg.): Ökonomischer und soziologischer Institutionalismus. Metropolis, Marburg 2003, S. 250.