Sparparadoxon

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Das Sparparadoxon resultiert aus wechselseitigen Ausgabenreduktionen und insofern Verringerung der Anderen Einnahmen, die ihrerseits wiederum danach trachten sich liquide zu halten bzw. vorsichtshalber Liquiditätsreserven zu erhöhen beginnen.[1][2] Beispielgebend waren Weltwirtschafts- und Deutsche Bankenkrise in den 1930ern.[3]

Das Sparparadoxon (engl. paradox of thrift) besagt, dass es den Wirtschaftssubjekten in ihrer Gesamtheit nicht möglich sei, wegen erhöhter Sparbemühungen die gewohnte Höhe ihrer Einnahmen zu erhalten. Beim Sparparadoxon handelt es sich um eine Variante des Konkurrenzparadoxons.[4]

Historische Ursprünge[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anfang des 20. Jahrhunderts beschrieben William Trufant Foster und Waddill Catchings relevante Aspekte der Theorie des Sparparadoxons. Die Güternachfrage durch schuldenfinanzierte Staatsausgaben anzukurbeln, wurden in der Weltwirtschaftskrise aufgegriffen.[5] Eine historisch relevante Beschreibung in einen Gedankenexperiment findet sich jedoch schon bei Bernard Mandeville in dessen Bienenfabel, in der er aus einer Entscheidung zur Austerität einen volkswirtschaftlichen Niedergang herleitet.[6][7]

Das Sparparadoxon bei Keynes[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auch John Maynard Keynes zufolge bedeutet ein Konsumverzicht, also das Sparen der Haushalte, für die Unternehmen einen Rückgang der Nachfrage. Sie reduzieren die Produktion (und reduzieren weitere Investitionen) und lösen einen negativen Multiplikatorprozess aus. Das gesamtwirtschaftliche Einkommen sinkt, und zwar stärker als der ursprüngliche Rückgang des Konsums.

Während eine einzelne Person jederzeit ihre Ausgaben für den Konsum reduzieren und damit ihre Ersparnisse erhöhen kann, ist das für alle Personen in einer Ökonomie nicht möglich. Denn jeder, der seine Ausgaben reduziert, senkt damit die Einnahmen der anderen Personen. Sobald alle weniger konsumieren, sinken Produktion und Einkommen in der Volkswirtschaft. Zusätzlich gehen auch die Investitionen zurück, so dass das gemeinsame Sparen beim Konsum die Ersparnis in der Ökonomie nicht nur nicht erhöht, sondern sogar noch senkt.

Das Sparparadoxon nach der Saldenmechanik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Beispiel: US-Sektoren 1929–33
Beispiel: Sektorale Salden (netto)
USA 1929–35

Das Sparparadoxon lässt sich formal am besten in den Begriffen der von Wolfgang Stützel entwickelten Saldenmechanik als Kreislaufparadoxon beschreiben. Dabei geht es um Sparen durch die Kürzung der Ausgaben, was für den Einzelnen immer zu einem Einnahmeüberschuss, also einer Ersparnis von Geld führt. Sobald aber die Gesamtheit (im Sinne von jeder Einzelne) an den Ausgaben spart, sinken nur die Einnahmen in der Ökonomie:

Partialsatz
Für einzelne Wirtschaftsteilnehmer oder eine Partialgruppe von Wirtschaftsteilnehmern gilt: Je geringer die Ausgaben, desto größer der Einnahmeüberschuss.
Größenmechanik
Der Ausgabenrückgang einer Partialgruppe von Wirtschaftsteilnehmern kann nur dann zu einem Einnahmeüberschuss führen, wenn die Komplementärgruppe einen Ausgabenüberschuss vor- bzw. hinnimmt.
Globalsatz
Ein allgemeiner Ausgabenrückgang führt für die Gesamtheit immer zu einem Einnahmerückgang und nie zu einem Einnahmeüberschuss.[8]

Kritik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gemäß der Österreichischen Schule sowie der neoklassischen Theorie könne kein Sparparadoxon entstehen. Dabei wird davon ausgegangen, dass ein Überangebot an Kapital, aufgrund des Ausgabenverzichtes der einzelnen Wirtschaftshaushalte und damit einer Erhöhung von freier Liquidität, die Kreditzinsen derart vergünstigen, dass dies ausreichend Anreiz zu kreditfinanzierten Investitionen sowie zu Konsumkrediten darstelle, sodass ex post jeder Einnahmeüberschuss durch zumindest einen anderen (kreditaufnehmenden) Wirtschaftsakteur in gleicher Höhe an die Realwirtschaft ausgegeben würde, dem Sayschen Gesetz entsprechend – ein wirtschaftliches Ungleichgewicht aufgrund von erhöhtem Sparaufkommen könne niemals auftreten.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Wilhelm Lautenbach (Hrsg. Wolfgang Stützel): Zins, Kredit und Produktion. (PDF; 1,2 MB) Tübingen 1952, S. 62: „Wenn die ersparten Beträge als Depositen bei den Banken gehalten werden, verschlechtert sich ceteris paribus die Liquidität [des Gesamtbankensystems]. Das Kreditvolumen wächst bei gleicher Kasse, so daß das Verhältnis von Gesamteinlagen zu Kasse sich verschlechtert. Denn hätten die Sparer nicht gespart, sondern ihr Einkommen verausgabt, so wären die Geldbeträge genau so nach Durchfluß durch den Einzelhandel unweigerlich im Kreislauf an die Banken gekommen; der Barmittelbestand der Banken wäre also der gleiche gewesen, das Kreditvolumen aber geringer, weil die zum Konsum verausgabten Beträge von Unternehmern vereinnahmt worden wären mit der Folge, daß ihr Kreditbedarf entsprechend geringer, ihr Umsatz aber höher gewesen wäre. Das ist ein nach jeder Richtung hin paradoxes Ergebnis. Verdienst, Liquidität und infolgedessen Neigung zu investieren, sind größer, wenn Lohn- und Gehaltsempfänger weniger sparen. Das Sparen erzeugt gerade erst Kreditbedarf bei verringertem Umsatz, umgekehrt wird, wenn Sparer frühere Ersparnisse verzehren, die Liquidität sowohl der Banken wie der Unternehmungen, gesteigert und zugleich das Unternehmereinkommen.“
  2. Wilhelm Lautenbach (Hrsg. Wolfgang Stützel): Zins, Kredit und Produktion. Tübingen 1952, S. 91: „Nur wenn per Saldo in der Depression Nichtunternehmer ihre Ersparnisse aufzehrten, könnte sich die Liquidität der Unternehmungen bessern; nur soweit dies geschähe, wäre es möglich, dass auch Vorräte in der Wirtschaft mit Erfolg liquidiert werden könnten. Da es nun aber beobachtungs- und erfahrungsgemäß genau umgekehrt ist, da die Ersparnisse von Nichtunternehmern insgesamt noch wachsen, so ist von dieser Seite her nur noch eine weitere Illiquidisierung der Wirtschaft zu erwarten. Ja, darüber hinaus ist das Wachsen der Ersparnisse von Nichtunternehmern in der Depression Grund und Ausdruck von Kapitalverlusten der Unternehmungen.“
  3. Stephan Schulmeister: Euroabwicklung: Der finale Schritt in den Wirtschaftskrieg. (PDF; 624 kB) Oktober 2013, S. 2:
    „Wie schon damals erweist sich die Austeritätspolitik als der wichtigste Krisenverstärker. Je härter gespart wurde, umso stärker ist die Staatsverschuldung gestiegen, in der Rangfolge Griechenland, Spanien, Portugal, Großbritannien. Das Wissen um dieses ‚Sparparadox‘ war eigentlich ein Ergebnis des Lernens aus der Weltwirtschaftskrise gewesen, doch nach 30 Jahren Dominanz der neoliberalen Weltanschauung ist dieses Wissen in Vergessenheit geraten.“
  4. Peter Bofinger: Grundzüge der Volkswirtschaftslehre. Eine Einführung in die Wissenschaft von Märkten. München 2007, (online auf Google.Books) S. 606: „[…] bei dem das Bestreben eines jeden Einzelnen in der Gesamtheit nicht gelingt, weil verminderte Ausgaben eines Akteurs die Einnahmen eines anderen reduzieren.“
  5. Meir Kohn: Foster, William Trufant (1879-1950), in: Business Cyles and Depressions. An Encyclopedia (Hg: David Glasner), London 1997, S. 244: „While Roosevelt’s New Deal ist often seen as the first example of a Keynesian stabilization policy, it may have derived its inspiration more from Foster and Catchings than from Keynes.“
  6. Luigi Paganetto, Mario Baldassarri, Edmund S. Phelps: World Saving, Prosperity and Growth. 1993, Palgrave Macmillan, ISBN 9781349229253, S. 6 ff.
  7. Jürgen Kromphardt: Grundlagen der Makroökonomie. 2015, Vahlen, ISBN 9783800650606, S. 78 ff.
  8. Wolfgang Stützel: Volkswirtschaftliche Saldenmechanik. Mohr Siebeck, (2. Auflage) Tübingen 2011. S. 74.