Sprachpanscher des Jahres

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Sprachpanscher des Jahres ist ein Negativpreis, den der Verein Deutsche Sprache seit 1997 „für besonders bemerkenswerte Fehlleistungen im Umgang mit der deutschen Sprache“[1] verleiht. Im Jahr der ersten Verleihung hieß er „Sprachschuster des Jahres“. Mit der Preisverleihung wird vor allem die Verwendung von Anglizismen kritisiert; der Preis stehe „für das unnötige Verdrängen deutscher Begriffe durch Importe aus dem angelsächsischen Ausland sowie für die Demontage des Deutschen als Sprache von Kultur und Wissenschaft ganz allgemein“.[2]

Als „Sprachpanscher“ bezeichnet der Verein Menschen, die bewusst oder aufgrund mangelnder Kenntnis ständig neue „trendige“ Wörter verwendeten, auch wenn es gebräuchliche deutsche Bezeichnungen dafür gebe. Von den Benutzern werde dies häufig mit dem Argument „Für manche Sachen gibt es kein treffendes deutsches Wort“ gerechtfertigt, während Menschen, die zum vorsichtigen Umgang mahnten, oft als „Ewiggestrige“ bezeichnet würden. Der Verein vertritt die Auffassung, zwischen muttersprachlichen und fremdsprachlichen Ausdrücken würden kleine Bedeutungsunterschiede konstruiert, um die Unerlässlichkeit der Lehnwörter zu untermauern.

Der Preis ähnelt der französischen Académie de la Carpette anglaise.

Preisträger[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Jahr Preisträger Begründung
1997Anm. Jil Sander, Modeschöpferin „Mein Leben ist eine giving-story. Ich habe verstanden, dass man contemporary sein muss, das future-Denken haben muss. Meine Idee war, die hand-tailored-Geschichte mit neuen Technologien zu verbinden. Und für den Erfolg war mein coordinated concept entscheidend, die Idee, dass man viele Teile einer collection miteinander combinen kann. Aber die audience hat das alles von Anfang an auch supported. Der problembewusste Mensch von heute kann diese Sachen, diese refined Qualitäten mit spirit eben auch appreciaten. Allerdings geht unser voice auch auf bestimmte Zielgruppen. Wer Ladyisches will, searcht nicht bei Jil Sander. Man muss Sinn haben für das effortless, das magic meines Stils.“[3][4]
1998 Ron Sommer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom Sunshine- und Moonshine-Tarif, Short-Distance-Call, City-Call, German-Call[5]
1999 Johannes Ludewig, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn AG Service Point, ticket counter, db-lounge[6]
2000 Andreas Heldrich, Rektor der Ludwig-Maximilians-Universität München unter anderem für Masterstudiengänge und Credit-Point-Systeme sowie den Vorschlag, die Fakultäten und Fachbereiche in departments umzubenennen[7]
2001 Wolfgang H. Zocher, Vorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Bestatter funeral master als neues Berufsbild bei Bestattungsunternehmen, eternity als Name für eine jährlich stattfindende Fachmesse sowie peace box statt Sarg[8]
2002 Klaus Zumwinkel, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Post AG One stop shopping, Global mail, Mailing Factory, Fulfillment, Stampit, Postage point, Freeway, Easytrade, Funcard mailing, Travel service, Speed booking[9]
2003 Gerhard Mayer-Vorfelder, DFB-Präsident Home & Away Shirts, Signature Shirts, Reversible Tops[10]
2004 Markus Schächter, ZDF-Intendant Kiddie contests, Webcam Nights, Sendungen wie History oder Nightscreen[11]
2005 Herbert Beck, Direktor des Frankfurter Städel-Museums Member’s Night, Art Talk for Families, Holbein’s Lounge[12]
2006 Günther Oettinger, Ministerpräsident von Baden-Württemberg für seine Äußerungen in einem SWR-Interview: „Englisch wird die Arbeitssprache. Deutsch bleibt die Sprache der Familie und der Freizeit, die Sprache, in der man Privates liest.“[13]
2007 Hartmut Mehdorn, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn Service Point, counter, McClean[14]
2008 Klaus Wowereit, Regierender Bürgermeister von Berlin für den Werbespruch Be Berlin sowie Werbefahnen am Brandenburger Tor mit Texten wie Power for Peace – Power for unity – Power for understanding[15]
2009 Deutscher Turner-Bund[16] für „das gedankenlose Übernehmen“ englischer Begriffe wie Slacklining, Gymmotion, Speedjumping oder Speedminton sowie für Veranstaltungen wie Feel Well Woman oder Sport for Fun[17]
2010 Fritz Pleitgen (stellvertretend für RUHR.2010) aufgrund vieler „denglischer“ Imponiervokabeln rund um die Kulturhauptstadt Essen 2010 (freiwillige Helfer wurden etwa als volunteers bezeichnet, ein Kooperationsprojekt mit den europäischen Partnerstädten heißt Twins, Städte des Ruhrgebiets werden im Programm als Local Heroes bezeichnet)[18]
2011 René Obermann, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom weil „die Deutsche Telekom […] ihre Kunden über Jahre hinweg mit englischen Sprachimporten verärgert“ habe. Nahezu alle Tarife des Unternehmens hätten englische Namen.[19][20]
2012 Andrew Jennings, Vorstandsvorsitzender der Kaufhauskette Karstadt Seit der Übernahme des Vorstandssitzes durch Andrew Jennings werbe das Unternehmen noch stärker mit Begriffen wie modern and full of life oder Midseason-Sale und kidswear.[21][22]
2013 Duden für ein „sprachliches Imponiergehabe“, das sich laut VDS im Glanze einer quasi amtlichen Zustimmung sonnen dürfe[2]
2014 Ursula von der Leyen, Bundesverteidigungsministerin Von der Leyen hielt ihre Rede bei der 50. Münchner Sicherheitskonferenz am 31. Januar 2014 auf Englisch.[23]
2015 Wolfgang A. Herrmann, Präsident der Technischen Universität München Herrmann plane, für nahezu jeden Masterstudiengang der TU München die deutsche Sprache abzuschaffen und auf Englisch umzustellen.[24]
2016 Thomas Bellut, ZDF-Intendant Kiddie Contests, Webcam Nights und das neue Format „I can do that – die große Promi-Challenge“, die die Zuschauer vom Weiterschalten abhalten sollen[25]
2017 Evangelische Kirche in Deutschland godspots, Moments of Blessing, BlessU-2, und alle kranken Menschen auch (statt „und unsern kranken Nachbarn auch“)[26]
2018 Deutscher Fußball-Bund Best never rest[27]
2019 Stefan Schostok, Oberbürgermeister von Hannover Vorschriften zur Hannoverschen Behördensprache, zum Beispiel Mitarbeiter*innen, Redepult statt Rednerpult oder Lehrende statt Lehrer[28]
2020 Tagesschau und heute-Nachrichten „In Zeiten von Corona haben die Nachrichten-Flaggschiffe Wörter wie Lockdown, Homeschooling, Social Distancing, Homeoffice usw. nicht hinterfragt, sondern einfach übernommen. Diese Anglizismen zeigen, wie wenig Interesse Tagesschau und heute-Nachrichten haben, die Menschen in ihrer eigenen Muttersprache zu informieren.“[29]
2021 Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission für mangelnde Nutzung der Muttersprache[30][31]
2022 Ulrike Lembke, Richterin am Verfassungsgericht Berlin für „Rechtfertigung des Gendersternchens mit Scheinargumenten“ in einem Gutachten[32]
2023 Bettina Stark-Watzinger, Bundesministerin für Bildung und Forschung Dafür, dass die FDP-Politikerin in deutschen Behörden Englisch als Verwaltungssprache einführen wolle. Das sei nicht nur ein teures und bürokratisches Projekt; vielmehr entwerte es die Stellung der deutschen Sprache.[33]
Anm. 
1997 hieß die Bezeichnung noch „Sprachschuster des Jahres“.

Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In den Medien, von Sprachwissenschaftlern sowie von Preisträgern und Kandidaten wird der Negativpreis zum Teil stark kritisiert. So schrieb der Linguist Anatol Stefanowitsch anlässlich der Bekanntgabe der Kandidatenliste 2011 von „substanzlosen und schwer bis gar nicht überprüfbaren Behauptungen“ und „Sprachpanscherhatz“.[34] Er lobte dabei die Reaktion der Bundesagentur für Arbeit auf ihre Nominierung, die unter dem Titel Knapp daneben ist auch vorbei: „Verein Deutsche Sprache“ schlägt den falschen Hund darauf hingewiesen hatte, dass sie nicht für die Wahl des kritisierten Begriffs „Jobcenter“ verantwortlich sei und dass Begriffe wie „Coaching“ oder „Start-Up“ als „fester Bestandteil einer Sprache, die in der globalisierten Geschäftswelt gesprochen wird“, nicht rätselhaft seien.[35] Eine Sprecherin der Redaktion des Duden, dem der Negativtitel 2013 verliehen wurde, wies die Kritik des VDS mit den Worten „Wir machen die Sprache nicht, wir bilden sie objektiv ab“ zurück.[36]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Sprachpanscher des Jahres. Verein Deutsche Sprache, abgerufen am 3. September 2017.
  2. a b Duden ist Sprachpanscher 2013. Pressemitteilung des VDS. Abgerufen am 3. September 2017
  3. Sprachschuster des Jahres 1997: Jil Sander. Pressemitteilung des VDS. Abgerufen am 3. September 2017
  4. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 22. März 1996; zitiert im SPIEGEL vom 1. April 1996: [1] zuletzt abgerufen am 3. September 2017.
  5. Sprachpanscher des Jahres 1998: Ron Sommer. Pressemitteilung des VDS. Abgerufen am 3. September 2017
  6. Sprachpanscher des Jahres 1999: Dr. Johannes Ludewig. Pressemitteilung des VDS. Abgerufen am 3. September 2017
  7. Sprachpanscher des Jahres 2000: Prof. Dr. jur. Andreas Heldrich. Pressemitteilung des VDS. Abgerufen am 3. September 2017
  8. prachpanscher des Jahres 2001: Wolfgang H. Zocher. Pressemitteilung des VDS. Abgerufen am 3. September 2017
  9. Sprachpanscher des Jahres 2002: Dr. Klaus Zumwinkel. Pressemitteilung des VDS. Abgerufen am 3. September 2017
  10. Sprachpanscher des Jahres 2003: Dr. Gerhard Mayer-Vorfelder. Pressemitteilung des VDS. Abgerufen am 3. September 2017
  11. Sprachpanscher des Jahres 2004: Markus Schächter. Pressemitteilung des VDS. Abgerufen am 3. September 2017
  12. Sprachpanscher des Jahres 2005: Prof. Dr. Herbert Beck. Pressemitteilung des VDS. Abgerufen am 3. September 2017
  13. Sprachpanscher des Jahres 2006: Günther Oettinger. Pressemitteilung des VDS. Abgerufen am 3. September 2017
  14. Sprachpanscher des Jahres 2007: Hartmut Mehdorn. Pressemitteilung des VDS. Abgerufen am 3. September 2017
  15. Sprachpanscher des Jahres 2008: Klaus Wowereit. Pressemitteilung des VDS. Abgerufen am 3. September 2017
  16. Die Welt: Die schlimmsten Sprachpanscher des Jahres. Ausgabe vom 28. August 2009. Abgerufen am 3. September 2017.
  17. Sprachpanscher des Jahres 2009: Deutscher Turner-Bund. Pressemitteilung des VDS. Abgerufen am 3. September 2017
  18. Sprachpanscher des Jahres 2010: Fritz Pleitgen. Pressemitteilung des VDS. Abgerufen am 3. September 2017
  19. Die Welt: René Obermann ist der Sprachpanscher des Jahres Ausgabe vom 26. August 2011. Abgerufen am 3. September 2017
  20. Sprachpanscher des Jahres 2011: René Obermann. Pressemitteilung des VDS. Abgerufen am 3. September 2017
  21. Die Welt: Karstadt-Chef ist Sprachpanscher des Jahres. 24. August 2012. Abgerufen am 3. September 2017.
  22. Sprachpanscher des Jahres 2012: Andrew Jennings. Pressemitteilung des VDS. Abgerufen am 3. September 2017
  23. Sprachpanscher des Jahres 2014: Ursula von der Leyen. Pressemitteilung des VDS. Abgerufen am 3. September 2017
  24. Sprachpanscher des Jahres 2015: Prof. Dr. Wolfgang A. Herrmann. Pressemitteilung des VDS. Abgerufen am 3. September 2017
  25. Sprachpanscher des Jahres 2016: ZDF. Pressemitteilung des VDS. Abgerufen am 3. September 2017
  26. Evangelische Kirche Deutschlands ist Sprachpanscher des Jahres. In: Webseite des Vereines Deutsche Sprache e.V. 25. August 2017, abgerufen am 25. August 2017.
  27. DFB erhält "Sprachpanscher"-Preis – und reagiert erzürnt – Quelle: https://www.shz.de/20816502 ©2018
  28. Pressemitteilung: Ein Denkzettel zum Abschied. Hannovers Ex-OB Schostok ist Sprachpanscher des Jahres. In: vds-ev.de. Abgerufen am 30. August 2019.
  29. Tagesschau und heute-Nachrichten sind die Sprachpanscher 2020 | Verein Deutsche Sprache e. V. Abgerufen am 18. September 2020 (deutsch).
  30. https://vds-ev.de/mitteilungen/ursula-von-der-leyen-ist-sprachpanscher-2021/
  31. Ursula von der Leyen ist Sprachpantscher 2021
  32. Prof. Ulrike Lembke ist „Sprachpanscher 2022“. Verein Deutsche Sprache, abgerufen am 3. Januar 2023.
  33. Bildungsministerin Stark-Watzinger ist "Sprachpanscherin" des Jahres. Abgerufen am 28. August 2023.
  34. Anatol Stefanowitsch: Die Sprachpanscher schlagen zurück. In: SciLogs. 28. Mai 2011, abgerufen am 16. September 2017.
  35. Knapp daneben ist auch vorbei: „Verein Deutsche Sprache“ schlägt den falschen Hund. Bundesagentur für Arbeit, 27. Mai 2011, archiviert vom Original am 22. Oktober 2012; abgerufen am 16. September 2017.
  36. sda: Duden ist «Sprachpanscher 2013» – «Laptop» statt «Klapprechner». In: TagesWoche. 1. September 2013, abgerufen am 16. September 2017.