St. Leonhard ob Tamsweg

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Nordwestansicht der Wallfahrtskirche
Langhaus

St. Leonhard ob Tamsweg ist eine römisch-katholische Wallfahrtskirche in der Marktgemeinde Tamsweg im Lungau im Land Salzburg. Das Patroziniumsfest wird am 6. November, dem Gedenktag des hl. Leonhard, begangen. Die Kirche steht am Abhang des Schwarzenbergs über der Marktgemeinde, von wo aus man die geostete Kirche mit Nordturm, Befestigungsanlagen und mehreren mit Kapellen gesäumten Pilgerwegen, die in Form von Serpentinen auf den Berg führen, erkennen kann. Die Wallfahrtskirche steht unter Denkmalschutz.

Legende[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1421 sollen sich nahe der Stelle, an der die Kirche steht, mehrere Mirakel ereignet haben, die anfangs zum Bau einer Kapelle führten: In der Gründungslegende wird berichtet, dass eine Leonhardstatue aus der Tamsweger Pfarrkirche verschwand und auf dem Schwarzenberg, über dem Ort Tamsweg, in einem Wacholderstrauch wieder auftauchte. Sie wurde geborgen, zurückgebracht und in eine eisenbeschlagene Holztruhe gesperrt. Von dort ‚kehrte‘ die Statue eines Nachts an ihren Fundort zurück, wo sie abermals auf einem Wacholderstrauch zwischen zwei Lärchen gefunden wurde, womit der „heilige Ort“ angezeigt war.[1] Dieser Vorgang wiederholte sich mehrmals, worauf die damals verantwortlichen Personen beschlossen, die Statue auf dem Strauch zu belassen und eine Kapelle zu errichten. Noch heute steht die Leonhardfigur auf dem, damals dann abgeschnittenen Stamm, auf dem sie 1421 aufgefunden worden war.[2]

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Durch Einnahmen aus dem ab 1421 einsetzenden Zustrom an Wallfahrern konnte die Finanzierung einer größer dimensionierten Konstruktion der Kirche in Angriff genommen werden, 1433 wurde sie von Weihbischof Johann Ebser eingeweiht. Baumeister war der Salzburger Peter Harperger[3], der einen basilikaartigen Kapellensaal mit einem komplizierten Sternrippengewölbe (Harperger Figuration bzw. Wechselberger Figuration) und eingezogenem Chor mit Rippengewölbe in Geknickter Reihung vorsah.[4]

St. Leonhard ist eine Filialkirche der Dekanatspfarrkirche Tamsweg im Dekanat Tamsweg der Erzdiözese Salzburg, ein Umstand, der von der Pfarre Mariapfarr bestritten wurde. Nach einer Einigung zwischen Mariapfarr und Tamsweg wurden ab 1441 während dreier Monate pro Jahr die Erträge der Wallfahrtskirche an Mariapfarr abgetreten.[5]

Dompropst Burkhard von Weißpriach gab den Auftrag zum Bau des damals in Salzburg größten Flügelaltares,[6] der, 1466 vollendet, dem hl. Leonhard und der hl. Maria geweiht war. Noch 1613 waren insgesamt sechs Altäre in der Kirche aufgestellt[7], wovon jedoch keiner mehr erhalten ist.

Als im Juli 1478 osmanische Truppen in Kärnten einfielen und in Folge erstmals das Salzburger Stiftsgebiet erreichten, wurden noch im selben Jahr Wehranlagen errichtet, die bis heute die Kirche umgeben. In diesen Befestigungsanlagen installierten Streitkräfte des ungarischen Königs Matthias Corvin ein militärisches Quartier, das erst 1489 geräumt wurde.[8]

Kirche[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Goldenes Fenster: 1433 von Erzbischof Johann II. von Reisberg gestiftet

In 17 von 19 Fenstern sind gotische Glasmalereien zu sehen,[9] die aus verschiedenen Teilen Österreichs stammen. Das sogenannte „Goldene Fenster“, ursprünglich mittig im Chorabschluss, seit 1912 seitlich im Chor eingebaut,[10] hatte um 1433 Erzbischof Johann II. von Reisberg gestiftet, in einer der Glasscheiben ist sein Porträt zu erkennen.[11] Im Lungau waren die Lehren Martin Luthers früh verbreitet worden, erste Hinweise datieren aus dem Jahre 1534. Daher übernahm 1633 der Kapuzinerorden, auch in St. Leonhard ob Tamsweg, die Seelsorge im Lungau, um die Bevölkerung dauerhaft zu rekatholisieren.[12] Die Kapuziner wollten offenbar einer wesentlichen Forderung des Trienter Konzils, nämlich die einer sinnfälligen Anbetung des Herrn im Sakrament, nachkommen. Dabei sollte die siegreiche Wahrheit einen solchen Triumph über Lüge und Häresie feiern, daß ihre Gegner, in dem Anblick eines so großen Glanzes und in eine so große Freude der gesamten Kirche versetzt, entweder entkräftet und gebrochen dahinschwinden oder von Scham erfüllt und verwirrt irgendwann einmal wieder zur Einsicht kommen.[13] Vermutlich in diesem Sinne kam es in der Folgezeit zu einer Umgestaltung des Inneren der Kirche, und damit einhergehend auch zu einer Änderung in der musikalischen Praxis in St. Leonhard: 1676 sorgten die dafür zuständigen Mitglieder des Kapuzinerordens dafür, dass die Orgel auf die Westempore übertragen wurde. Sie verlor dadurch ihren hervorgehobenen Standplatz am Triumphbogen, wo heute der nördliche Seitenaltar steht.[14] Schon 1659 hatte der Tischler und Mesner Ulrich Seitlinger, der 1626 an der Vergrößerung der Orgel mitgewirkt hatte,[15] mit der Errichtung eines neuen Hochaltares begonnen.[16] Im Weiteren wurden 1676 am sogenannten Triumphbogen zwei Altäre aufgestellt,[17] deren Entwürfe von Georg Haim stammten und die von Jakob Seitlinger getischlert wurden.[18]

Kultgegenstand[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

St. Leonhard, 1421 auf dem Wacholderstrauch aufgefunden

Kultgegenstand ist eine bäuerliche Schnitzerei aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, sie stellt den hl. Leonhard dar.[19] Hinweise darauf, warum die auf einem Wacholder-Ast montierte Statue an der Rückseite verkohlt ist, konnten bisher nicht gefunden werden.[20]

Wallfahrt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wallfahrtsmotive waren vornehmlich der Schutz der Nutztiere, insbesondere der Hauspferde, und Schutz vor Gefangennahme. Der hl. Leonhard gilt im Weiteren als Nothelfer: Helfer in bäuerlichen Angelegenheiten, Patron der Gefangenen, Patron der Wöchnerinnen und Kranken, Wetterpatron und Beschützer von Hab und Gut.[21] Votive waren häufig geschmiedetes Eisen in Form von Ketten, da der hl. Leonhard als „Kettenlöser“, als Befreier aus Gefangenschaft verehrt wurde[22] (→ Kettenkirche), aber auch Wachs, Wolle, Flachs und andere Materialien.[23]

Orgel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Dummel-Orgel von 1838

Die Orgel wurde 1837/38 von Johann Dummel geschaffen.[24] 2005–2007 wurde sie von Orgelbau Walter Vonbank umfassend restauriert. Der Kalkant wird seither durch Balgaufzugsmaschinen mit Getriebemotoren ersetzt, die alle drei Bälge abwechselnd aufziehen.[25]

Disposition[Anm. 1]

Manual: C–g3
Principal 8′
Gamba 8′
Gedeckt 8′
Flöte 4′
Dolce 4′[Anm. 2]
Quint 223
Octav 2′
Mixtur IV 113[Anm. 3]
Pedal: C–f0
Subbaß 16′
Octavbaß 8′
Violon 8′
Pedalcoppel

Anmerkungen

  1. Schreibweise der Register zitiert nach den Porzellanschildern am Spieltisch (2007)
  2. Dummel nannte sie Piramidflötte (= Pyramidflöte)
  3. Enthält eine Terzreihe

Technische Angaben

Besonderheiten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seit Gregor Lederwasch I 1665 Mesner der Wallfahrtskirche wurde, wird dieses Amt ununterbrochen bis heute von Nachfahren der Familie Lederwasch bekleidet. Nach dem Tod von Heliodor Theobaldus Lederwasch (1828–1897) übernahm dessen Tochter Krescentia, verheiratete Resch, den Mesnerdienst. Von etwa 1950 bis zu ihrem Tod 1996 versah deren Schwiegertochter Marianne Resch diesen Dienst, von 1996 bis zu ihrem Tod 2021 deren gleichnamige Schwiegertochter.[27]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Klaus Beitl: Der Kult des hl. Leonhard zu Tamsweg und seine Ausstrahlung. In: 550 Jahre St. Leonhard 1433–1983 – Tamsweg, hg. von Georg Neureiter, Tamsweg 1987 (2. Auflage), S. 69–73.
  • Handschriftenarchiv St. Peter: P. Anselm Ebner: Wegweiser (Band 14). Der Lungau oder das Decanat Tamsweg, 1. Theil, Salzburg 1898 (nicht foliiert).
  • Heinz Dopsch: Salzburg im 15. Jahrhundert. In: Geschichte Salzburgs. Stadt und Land, hg. von Heinz Dopsch, Salzburg 1983 (2. verbesserte Auflage), Bd. I, 1. Teil.
  • Gustav Gugitz: Österreichs Gnadenstätten in Kult und Brauch. Ein topographisches Handbuch zur religiösen Volkskunde in fünf Bänden, Band 5, Wien 1958.
  • Valentin Hatheyer: Das 500jährige Jubiläum der Kirche St. Leonhard ob Tamsweg. In: Festschrift 1433–1933. 500 Jahre Wallfahrtskirche St. Leonhard ob Tamsweg, 15.–16.–17. September, Tamsweg 1933, S. 2–41.
  • Valentin Hatheyer: Die protestantische Bewegung im Lungau und das Kapuzinerkloster in Tamsweg. In: Jahresbericht des f.e. Gymnasiums am Collegium Borromäum, hg. vom f.e. Kollegium Borromäum, 53. Jg. (1902).
  • Leopold Kretzenbacher: Die Verehrung des hl. Leonhard in Europa. In: 550 Jahre St. Leonhard 1433–1983 – Tamsweg, hg. von Georg Neureiter, Tamsweg 1987 (2. Auflage), S. 45–68.
  • Österreichische Kunsttopographie 22: Die Denkmale des politischen Bezirkes Tamsweg in Salzburg (ÖKT 22), Wien 1929.
  • Elisabeth Oberhaidacher-Herzig: Ein Stifterdiptychon in einem Fenster der Wallfahrtskirche St. Leonhard ob Tamsweg. In: Bau- und Bildkunst im Spiegel internationaler Forschung. Festschrift zum 80. Geburtstag von Prof. Dr. Edgar Lehmann. Berlin 1989, S. 210–216.
  • Elisabeth Oberhaidacher-Herzig: Die Rosenzweigmadonna von St. Leonhard ob Tamsweg. In: Österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege. 44, 1990, S. 137–140.
  • Beate Rukschcio: Die Glasgemälde der St. Leonhardskirche ob Tamsweg/Lungau, Salzburg. In: Das Münster. 27, 1974, S. 411–413.
  • Roman Schmeißner: Orgelbau in Salzburger Wallfahrtskirchen. WiKu-Verlag, Duisburg & Köln 2015, ISBN 978-3-86553-446-0.
  • Friederike Zaisberger: Das Bruderschaftsbuch von St. Leonhard ob Tamsweg 1446–1482. In: Salzburgs Wallfahrten in Kult und Brauch, hg. von Johannes Neuhardt, Salzburg 1986, S. 75–80.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: St. Leonhard ob Tamsweg – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise und Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Dieter Assmann: Wallfahrten in der Erzdiözese Salzburg – ein volkskundlicher Überblick. In: Salzburgs Wallfahrten in Kult und Brauch, hg. von Johannes Neuhardt, Salzburg 1986, S. 23.
  2. Johannes Neuhardt: Die Wallfahrt im Leben der Christenheit. In: Salzburgs Wallfahrten in Kult und Brauch, hg. von Johannes Neuhardt, Salzburg 1986, S. 10.
  3. zu Harperger siehe Walther BuchowieckiHarperger, Peter. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 7, Duncker & Humblot, Berlin 1966, ISBN 3-428-00188-5, S. 694 (Digitalisat).
  4. Franz Fuhrmann: Bildende Kunst. In: Geschichte Salzburgs. Stadt und Land, hg. von Heinz Dopsch, Salzburg 1983 (2. verbesserte Auflage), Bd. I, 2. und 3. Teil, S. 1129 und Anmerkung S. 1569.
  5. ÖKT 22: Die Denkmale des politischen Bezirkes Tamsweg in Salzburg, Wien 1929, S. 209.
  6. Mit einem Schreinmaß von 2,97 m × 3,58 m. Siehe Fuhrmann: Bildende Kunst, S. 1132.
  7. AES: Visitationsprotokoll 1613, fol. 76.
  8. Anselm Ebner: Wegweiser (Band 14). Der Lungau oder das Decanat Tamsweg, 1. Theil, Salzburg 1898 (nicht foliiert).
  9. Beate Rukschcio: Die Glasgemälde der St. Leonhardskirche ob Tamsweg. In: 550 Jahre St. Leonhard 1433–1983 - Tamsweg, hg. von Georg Neureiter, (2. Auflage Tamsweg 1987), S. 87.
  10. Restauration der Filialkirche St. Leonhard 1909–1913; AES: Kasten 9, Fach 56, Faszikel 12.
  11. Johannes Neuhardt: Wallfahrten im Erzbistum Salzburg, München und Zürich 1982, S. 113.
  12. Valentin Hatheyer: Festschrift 1433–1933. 500 Jahre Wallfahrtskirche St. Leonhard ob Tamsweg, Tamsweg 1933, S. 29.
  13. Konzil von Trient: Dekret über das Sakrament der Eucharistie. Zit. nach: Heinrich Denzinger: Kompendium der Glaubensbekenntnisse in kirchlichen Lehrentscheidungen, Nr. 1644, verbessert hg. von Peter Hünermann, 1991 (37. Auflage), S. 531. Zit. nach: Rupert Klieber: Bruderschaften und Liebesbünde nach Trient. Ihr Totendienst, Zuspruch und Stellenwert im kirchlichen und gesellschaftlichen Leben am Beispiel Salzburg (1600–1950), Wien 1997, S. 82.
  14. Roman Matthias Schmeißner: Studien zum Orgelbau in Wallfahrtskirchen der Erzdiözese Salzburg, Dissertation Universität Mozarteum Salzburg 2012, S. 344.
  15. Valentin Hatheyer: Festschrift 1433–1933. 500 Jahre Wallfahrtskirche St. Leonhard ob Tamsweg, Tamsweg 1933, S. 29.
  16. Valentin Hatheyer: Festschrift 1433–1933. 500 Jahre Wallfahrtskirche St. Leonhard ob Tamsweg, Tamsweg 1933, S. 9.
  17. AES: Kasten 9, Fach 57, Faszikel 7 (Teil 2), betreffend Tamsweg/St. Leonhard (Moosham, 14. Jänner 1676).
  18. Valentin Hatheyer: Festschrift 1433–1933. 500 Jahre Wallfahrtskirche St. Leonhard ob Tamsweg, Tamsweg 1933, S. 10.
  19. Dehio Salzburg, Wien 1986, S. 430.
  20. Klaus Beitl: Der Kult des hl. Leonhard zu Tamsweg und seine Ausstrahlung. In: 550 Jahre St. Leonhard 1433–1983 - Tamsweg, hg. von Georg Neureiter (2. Auflage Tamsweg 1987), S. 71.
  21. Leopold Kretzenbacher: Die Verehrung des hl. Leonhard in Europa In: 550 Jahre St. Leonhard 1433–1983 - Tamsweg, hg. von Georg Neureiter (2. Auflage Tamsweg 1987), S. 45–68.
  22. Klaus Beitl: Der Kult des hl. Leonhard zu Tamsweg und seine Ausstrahlung. In: 550 Jahre St. Leonhard 1433–1983 - Tamsweg, hg. von Georg Neureiter (2. Auflage Tamsweg 1987), S. 72.
  23. Leopold Kretzenbacher: Die Verehrung des hl. Leonhard in Europa In: 550 Jahre St. Leonhard 1433–1983 - Tamsweg, hg. von Georg Neureiter (2. Auflage Tamsweg 1987), S. 67.
  24. Klangvorstellung der Orgel auf YouTube. Abgerufen am 26. November 2022.
  25. Walter Vonbank: Restaurierbericht. Triebendorf 2007, S. 25.
  26. Walter Vonbank: Restaurierbericht. Triebendorf 2007, S. 15.
  27. Marianne Resch – Salzburgwiki. Abgerufen am 11. Februar 2020.

Koordinaten: 47° 7′ 23″ N, 13° 48′ 10″ O