Tarnów

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Tarnów
Wappen von Tarnów
Tarnów (Polen)
Tarnów (Polen)
Tarnów
Basisdaten
Staat: Polen
Woiwodschaft: Kleinpolen
Powiat: Kreisfreie Stadt
Fläche: 72,38 km²
Geographische Lage: 50° 1′ N, 20° 59′ OKoordinaten: 50° 0′ 46″ N, 20° 59′ 18″ O
Höhe: 190–293 m n.p.m.
Einwohner: 109 358 (30.06.2018)
Postleitzahl: 33-100 bis 33-110
Telefonvorwahl: (+48) 14
Kfz-Kennzeichen: KT
Wirtschaft und Verkehr
Straße: KrakauRzeszów
Eisenbahn: Krakau–Lwiw
Tarnów–Leluchów
Tarnów–Szczucin
Nächster int. Flughafen: Krakau-Balice
Gmina
Gminatyp: Stadtgemeinde
Einwohner: 107.498
(31. Dez. 2020)[1]
Gemeindenummer (GUS): 1263011
Verwaltung (Stand: 2014)
Stadtpräsident: Roman Ciepiela
Adresse: ul. Mickiewicza 2
33-100 Tarnów
Webpräsenz: www.tarnow.pl



Tarnów [ˈtarnuf], deutsch Tarnow oder Tarnau, ist eine Stadt in der Woiwodschaft Kleinpolen im Süden Polens. Zur Zeit der Habsburgermonarchie wurde sie inoffiziell auch Tarnau genannt.[2] 1975 bis 1998 war sie Hauptstadt der Woiwodschaft Tarnów. Die kreisfreie Stadt ist Sitz der Landgemeinde Tarnów und des Landkreises Tarnów.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Stadtansicht von Tarnów 1846
Burgruine am Berg des Heiligen Martin
Kathedrale St. Maria
Altstadt von Tarnów
Rathaus am Marktplatz (Rynek)
Bürgerhäuser am Marktplatz (Rynek)
Überreste der Alten Synagoge (Bima)
Szekler Tor

Im 12. Jahrhundert gehörte das Gebiet zur Benediktinerabtei Tyniec, damit im Zusammenhang tauchten erste Erwähnungen auf, deren Datierung in Frage gestellt wurde.[3]:27–41 Der Ort wurde in einem Dokument von Gilo von Paris (wahrscheinlich aus den Jahren 1123–1125) benannt sowie in der 1229 erschienenen Päpstlichen Bulle als Tarnowo erwähnt.[3]:29

Am 7. März 1330 verlieh der Woiwode von Kraków, Spycimir Leliwita, nach Ermächtigung durch den König Władysław I. Ellenlang dem Ort in der Woiwodschaft Sandomir an der Via Regia das Stadtrecht nach Magdeburger Recht.[4] Im selben Jahr wurde auch die heute nur noch als Ruine existierende Burg fertiggestellt. In dieser Zeit kamen zahlreiche neue Siedler, darunter auch deutsche, aus Krakau und dem heutigen Nowy Sącz (siehe auch Walddeutsche, Hochmittelalterliche Ostsiedlung) nach Tarnów und in die Umgebung (Rychwałd, Szynwałd, Keyzerswałd – Klikowa?). 1376 wurde zum ersten Mal eine Kirche erwähnt. Die ersten Juden ließen sich im 15. Jahrhundert nieder. Im 16. Jahrhundert kamen zahlreiche Schotten, darunter Familien mit Namen wie Dun, Huyson und Nikielson, die im Fernhandel tätig waren. Ab 1514 war Tarnów im Besitz des Hetmans Jan Amor Tarnowski. Im 17. und 18. Jahrhundert gehörte Tarnów den Lubomirskis und ab 1723 den Sanguszkos. Der letzte Eigentümer, Fürst Eustachy Sanguszko verzichtete 1787 auf die Regierungsgewalt.

Nach der Ersten Teilung Polens im Jahre 1772 gehörte Tarnów zu dem von Österreich besetzten Teil. Im Jahre 1785 wurde das Bistum Tarnów gegründet. Am 18. Februar 1846 versammelten sich in der Gemeinde Lisia Góra bei Tarnów bewaffnete polnische Patrioten, um einen Aufstand gegen die habsburgischen Behörden anzuzetteln, Galizien unter ihre Kontrolle zu bringen und einen unabhängigen polnischen Staat zu errichten. Da sie allein zu schwach waren, versuchten sie, die Unterstützung der Bauern zu gewinnen. Doch die Bauern bewaffneten sich gegen die Aufständischen, nahmen etwa 40 von ihnen gefangen und übergaben sie den Behörden. Es gab Opfer auf beiden Seiten. Ähnliche Szenen spielten sich in den folgenden Tagen in ganz Westgalizien ab. Es waren die blutigsten Unruhen in der Habsburgermonarchie vor 1848.[5] Im Jahre 1856 erhielt die Stadt Anschluss an die Carl-Ludwigs-Eisenbahn (Krakau–Lemberg). Die Stadt hatte 1860 24.627 Einwohner, von denen 11.349 Juden waren. Zum Ende des 19. Jahrhunderts war Tarnów eine bedeutende Handelsstadt im damaligen österreichischen Kronland Galizien. Der größte Industriebetrieb war eine Landmaschinenfabrik. Mit einer theologischen Lehranstalt, einem bischöflichen Seminar, einer Lehrerbildungsanstalt und einem Obergymnasium war die Stadt außerdem ein wichtiger Bildungsstandort.

Im Mai 1915 kam es im Raum zwischen Tarnów und Gorlice zur Durchbruchsschlacht von Gorlice-Tarnów, die mit einer der schwersten Niederlagen der Kaiserlich Russischen Armee im Ersten Weltkrieg endete.

Nach dem Überfall Deutschlands auf Polen gehörte Tarnów ab 1939 zum von den deutschen Besatzern errichteten Generalgouvernement, durch das die Bevölkerung vielfältigem Terror und Entrechtung ausgesetzt war. Am 14. Juni 1940 wurde von der Gestapo der erste Gefangenentransport mit überwiegend christlichen Polen ins KZ Auschwitz zur Entlastung der örtlichen Gefängnisse geschickt. Von den 728 Gefangenen dieses Transports überlebten etwa 200 Personen das Ende des Zweiten Weltkriegs.[6]

Während der Shoa wurden von den deutschen Besatzern etwa 20.000 polnische Juden im „Ghetto Tarnów“ genannten Sammellager der SS im System der Konzentrationslager gefangengehalten und tausende von hier zur Ermordung in Vernichtungslager deportiert. Hier wurde vor allem ins Konzentrationslager Belzec deportiert, das 1943 von der SS „liquidiert“ wurde. Die beiden deutschen Anthropologinnen Dora Maria Kahlich und Elfriede Fliethmann besuchten bereits ab 1941 die Stadt, um an 631 jüdischen polnischen Frauen und Männern Untersuchungen zur Bestätigung der Rassentheorie der Nationalsozialisten durchzuführen.[7] 1997 entdeckte Margit Berner, eine Mitarbeiterin des Naturhistorischen Museums Wien, in den Beständen des Museums eine Schachtel mit Fotos von Juden und Jüdinnen aus Tarnów. Es stellte sich heraus, dass sie 1942 von den genannten Anthropologinnen zur rassenkundlichen Dokumentation der in ihren Augen minderwertigen Menschen angefertigt worden waren. Bei der nachfolgenden Aufarbeitung der Fotos zeigte sich, dass es sich in vielen Fällen um die einzigen erhaltenen Bildnisse von später ermordeten Menschen handelte.[8]

Große Teile der Stadt wurden während der Kriegshandlungen, aber auch bei der Flucht der deutschen Besatzer zerstört. Die Besetzung der Stadt durch die Rote Armee erfolgte am 18. Januar 1945.

Einwohnerentwicklung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im 16. Jahrhundert zählte die Stadt etwa 1.200 Einwohner und etwa 200 Häuser; nach der Plünderung der Stadt durch die schwedischen Truppen im Jahre 1655 sank die Einwohnerzahl von etwa 2.000 auf unter 800. Im Jahre 1870 betrug die Einwohnerzahl 21.779, und Tarnów war drittgrößte Stadt Galiziens nach Lemberg und Krakau. Im Jahre 1939 gab es fast 40.000 Einwohner, ungefähr die Hälfte davon waren jüdische Polen.

Gemeinde[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Stadtgemeinde[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die kreisfreie Stadt Tarnów bildet eine eigenständige Stadtgemeinde (gmina miejska).

Landgemeinde[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die ebenfalls eigenständige Landgemeinde (gmina wiejska) Tarnów hat eine Fläche von 82,81 km² und 25.472 Einwohner (September 2018).

Politik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Stadtpräsidenten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

An der Spitze der Stadtverwaltung steht ein Stadtpräsident. Seit 2014 ist dies erneut Roman Ciepiela (PO), der das Amt bereits 1994 bis 1998, damals für die Unia Wolności, innehatte. Die turnusmäßige Wahl 2018 brachte folgendes Ergebnis:[9]

Bei der damit notwendigen Stichwahl setzte sich Ciepiela mit 58,1 % der Stimmen gegen den PiS-Kandidaten Koprowski durch. 2019 trat Ciepiela aus der PO aus und ist seither parteilos.[10]

Stadtrat[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Stadtrat besteht aus 25 Mitgliedern und wird direkt gewählt. Die Stadtratswahl 2018 führte zu folgendem Ergebnis:[11]

Städtepartnerschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Tarnów pflegt Städtepartnerschaften mit den folgenden Städten:[12]

Kultur und Sehenswürdigkeiten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Museen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Das Diözesanmuseum (pl. Muzeum Diecezjalne w Tarnowie)
  • Das Museum der Region Tarnów (Muzeum Okręgowe, auch mit englischer Webseite)

Bauwerke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt zählen unter anderem:

  • Die Kathedrale St. Maria (pl. Najświętszej Maryi Panny), seit dem Jahre 1972 Basilica minor. Sie wurde im 14. Jahrhundert gebaut und im 15. bis zum 19. Jahrhundert mehrmals umgebaut.
  • Der Marktplatz mit dem Rathaus aus dem 15. und 16. Jahrhundert und zahlreichen Bürgerhäusern aus dem 16. bis 18. Jahrhundert
  • Die Überreste der Synagoge (Bima) aus den 17. bis 19. Jahrhundert

Wirtschaft und Infrastruktur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Verkehr[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Öffentliche Personennahverkehr wird vom stadteigenen Unternehmen Miejskie Przedsiębiorstwo Komunikacyjne Spółka z o.o. w Tarnowie mit Buslinien abgewickelt. In den Jahren von 1911 bis 1942 verfügte Tarnów über eine Straßenbahn.

Ansässige Unternehmen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zu den bedeutendsten Unternehmen der Stadt zählen:

Bildung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Stadt sind folgende Hochschulen ansässig:

Periodika der Theologischen Fakultät[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Tarnowskie Studia Teologiczne (Tarnower theologische Studien) erscheinen seit 1938 halbjährlich. Die Hefte enthalten Übersetzungen, Kommentare und Rezensionen polnischer und ausländischer Publikationen. Chefredakteur: Andrzej Michalik.[14]

Seit 2011 erscheint halbjährlich The Person and the Challenges, eine Zeitschrift zur Verbreitung internationaler Forschungsarbeiten und Untersuchungen in den Bereichen Theologie, Bildungs- und Erziehungswesen, Kanonisches Recht und Sozialwissenschaften mit Beiträgen in Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch und Spanisch. Chefredakteur: Józef Stala.[15]

Persönlichkeiten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Söhne und Töchter der Stadt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weitere Persönlichkeiten, die mit der Stadt in Verbindung stehen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Jan Szczepanik (1872–1926), polnischer Chemiker und Erfinder, wurde in Tarnów begraben.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Margit Berner: Letzte Bilder. Die „rassenkundliche“ Untersuchung jüdischer Familien im Ghetto Tarnów 1942. Final Pictures. The 1942 “Race Study” of Jewish Families in the Tarnów Ghetto. Notizen: Visuell 3. Hentrich & Hentrich, Leipzig 2020, ISBN 978-3-95565-407-8.
  • Melanie Hembera: Die Shoah im Distrikt Krakau. Jüdisches Leben und deutsche Besatzung in Tarnów 1939–1945. WBG, Darmstadt 2016, ISBN 978-3-534-26786-6, (zugleich Dissertation, Universität Heidelberg, 2014).
  • Agnieszka Wierzcholska: Nur Erinnerungen und Steine sind geblieben. Leben und Sterben einer polnisch-jüdischen Stadt: Tarnów 1918–1945. Brill Schöningh, Paderborn 2022, ISBN 978-3-506-76009-8, (zugleich Dissertation, Freie Universität zu Berlin, 2019).[16]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Tarnów – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Population. Size and Structure by Territorial Division. As of December 31, 2020. Główny Urząd Statystyczny (GUS) (PDF-Dateien; 0,72 MB), abgerufen am 12. Juni 2021.
  2. Wanderung durch das Krakau’sche, Galizien, Bukowina, Moldau und Walachei. In: Allgemeine Zeitung des Judenthums: 7. Jahrgang, Nr. 8, 25. Februar 1843, S. 118. Digitalisat in der Google-Buchsuche
  3. a b Gerard Labuda: Szkice historyczne XI wieku: początki klasztoru benedyktynów w Tyńcu. In: Studia Źródłoznawcze. Band 35, 1994 (polnisch, muzhp.pl [PDF; abgerufen am 18. Januar 2024]).
  4. Akta Grodzkie i Ziemskie, Band V, S. 1
  5. Christopher Clark: Frühling der Revolution. 1. Auflage. Deutsche Verlagsanstalt, München 2023, ISBN 978-3-421-04829-5, S. 102–105.
  6. "First transport to Auschwitz". Tarnow.pl, official portal of the city of Tarnów. Memento des Original vom 6. Mai 2008. Abgerufen am 30. Januar 2024. Internet-Archiv Wayback.
  7. Klaus Hillenbrand: Bilder der Ermordeten. taz, 2. April 2021, abgerufen am 14. April 2021.
  8. Die Fotos und die dahinter stehenden menschlichen Schicksale wurden in der Ausstellung „Der kalte Blick“ in Berlin (2020) und in Wien (2021), hier im Haus der Geschichte (https://www.hdgoe.at/der-kalte-blick), gezeigt.
  9. Ergebnis auf der Seite der Wahlkommission, abgerufen am 11. August 2020.
  10. „Prezydent Tarnowa Roman Ciepiela zawiesza członkostwo w PO“, in Gazeta Wyborcza vom 16. Oktober 2019, abgerufen am 11. August 2020.
  11. Ergebnis auf der Seite der Wahlkommission, abgerufen am 11. August 2020.
  12. Miasta partnerskie. In: tarnow.pl. Tarnów, abgerufen am 4. Februar 2022 (polnisch).
  13. http://www.wt.diecezja.tarnow.pl/
  14. Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 13. November 2011 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.wt.diecezja.tarnow.pl
  15. Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 25. März 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.wt.diecezja.tarnow.pl
  16. Vgl. dazu die Besprechung von Izabela Paszko in: H-Soz-Kult, 21. März 2023 (online).