Ukrainischer Staat

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Ukrainischer Staat
Українська Держава

Ukrajinska Derschawa
1918
Flagge Wappen
Amtssprache Ukrainisch
Hauptstadt Kiew
Staats- und Regierungsform Monarchie
Staatsoberhaupt, zugleich Regierungschef Hetman
Pawlo Skoropadskyj
Währung Hrywnja
Errichtung 29. April 1918
Vorgängergebilde Ukrainische Volksrepublik
Endpunkt 14. Dezember 1918
Abgelöst von Ukrainische Volksrepublik
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Der Ukrainische Staat (ukrainisch Українська держава Ukrajinska derschawa), auch das Hetmanat (ukrainisch Гетьманат Het’manat) genannt, war ein kurzlebiger ukrainischer Staat. Er wurde während des Ersten Weltkrieges am 29. April 1918 mit Unterstützung der Mittelmächte gegründet, nachdem sie die Zentralna Rada der Ukrainischen Volksrepublik (UNR) aufgelöst hatten.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hetman Pawlo Skoropadskyj

In den Friedensverhandlungen von Brest-Litowsk unterzeichneten Vertreter der Mittelmächte einerseits und der sozialistischen Regierung der Ukrainischen Volksrepublik am 9. Februar 1918 den sogenannten „Brotfrieden“. Er beruhte im Wesentlichen auf der Absprache, dass die UNR landwirtschaftliche Produkte nach Deutschland liefern würde und im Gegenzug militärische Hilfe gegen die Bolschewiki erhalten würde. Die sowjetrussische Seite hatte sich bislang geweigert, die für sie unannehmbaren Bedingungen des von den Deutschen vorgeschlagenen Friedensvertrages zu unterzeichnen.

Ab dem 18. Februar 1918 marschierten deutsche und österreichisch-ungarische Truppen in die Ukraine ein und besetzten sie (vgl.: Operation Faustschlag). Mit Unterstützung der Mittelmächte konnte die Regierung der UNR, die zuvor vor den heranrückenden roten Truppen hatte fliehen müssen, nach Kiew zurückkehren.

Mit der Zeit zeigte sich jedoch, dass die Ukrainische Volksrepublik weder in der Lage noch gewillt war, im gewünschten Maße mit den Besatzungstruppen zusammenzuarbeiten. Daher löste die deutsche Besatzungsmacht am 28. April 1918 die gerade tagende Zentralna Rada gewaltsam auf. Am nächsten Tag wurde der konservative Großgrundbesitzer und General Pawlo Skoropadskyj, der in Verhandlungen zuvor den deutschen Bedingungen zugestimmt hatte, von einem Kongress grundbesitzender Bauern zum Hetman der ganzen Ukraine erklärt.

Mit der Bezeichnung des Staatsoberhauptes als Hetman erhoffte man sich über die Anknüpfung an nationale kosakische Traditionen einen Legitimitätsgewinn in den Augen der Bevölkerung. Darüber hinaus benannte er den Staat in Ukrainischer Staat um. Noch am selben Tag gab er ein Manifest heraus, in dem er die Schaffung einer Heimat für alle Ukrainer versprach und eine provisorische Verfassung vorstellte. Die Regierung Skoropadskyjs war de facto eine von deutschen Truppen gestützte Diktatur der meist russischen Grundbesitzer, Geschäftsleute, Unternehmer und Verwaltungsbeamten.[1] Gegen sie gab es viel Widerstand, besonders auf dem Land. Zur Unterdrückung von Unruhen und regionalen Bauernaufständen wurde immer wieder deutsches Militär eingesetzt.

Um sich die Unterstützung der nationalistischen Opposition zu sichern, bemühte sich der Hetman um einen nationalen Anstrich. So förderte er ukrainische Kunst und Kultur und ließ Schulen einrichten. Die soziale und wirtschaftliche Lage blieb katastrophal, Skoropadskyjs Regierung wurde nur von sehr geringen gesellschaftlichen Kräften aus der Ukraine selbst unterstützt, hingegen gab es starke Opposition gegen sie. So lösten sich als Protest gegen den Putsch Teile der Ukrainischen Armee wie auch die Sitscher Schützen auf oder desertierten. Der Widerstand gegen die Regierung Skoropadskyjs im Land nahm weiter zu und am 30. Juli wurde Hermann von Eichhorn, der Befehlshaber der deutschen Truppen in Kiew, von einem Linken Sozialrevolutionär in Kiew ermordet. Als ab ungefähr August 1918 eine Niederlage der Mittelmächte im Ersten Weltkrieg immer wahrscheinlicher wurde, begann Skoropadskyj sich nach anderer Unterstützung umzusehen, damit er sich an der Macht halten konnte. Daher baute er immer engere Kontakte zu den Weißen Truppen im Russischen Bürgerkrieg auf, was die Unterstützung der ukrainischen Bevölkerung für ihn jedoch noch weiter einbrechen ließ.

Ukrainischer Bürgerkrieg[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 16. November 1918 brach in der Stadt Bila Zerkwa bei Kiew ein offener Volksaufstand gegen die Regierung Skoropadskyj aus. Die Aufständischen gewannen schnell an Boden und konnten Skoropadskyj so bereits am 14. Dezember desselben Jahres zum Rücktritt vom Amt des Hetmans zwingen, als die Ukrainische Volksarmee Kiew eroberte. Zwar befanden sich zur Zeit des Bürgerkrieges noch Truppen der Mittelmächte im Land, allerdings hatten sie nach dem Waffenstillstand von Compiègne kein Interesse mehr daran, in die inneren Angelegenheiten des Landes einzugreifen. Auch die inzwischen zahlreich in der Ukraine befindlichen russischen Weißen Truppen unter Anton Denikin und die ab Dezember 1918 in der Ukraine intervenierenden Entente-Mächte konnten den Bürgerkrieg nicht mehr wenden. Nach der Abdankung des Hetmans wurde dessen Regierung durch das Direktorium der Ukrainischen Volksrepublik ersetzt, welches die Ukrainische Volksrepublik neu gründete, aber nach wenigen Wochen von der Roten Armee und den Bolschewiki aus Kiew verdrängt wurde, die im Januar 1919 die Sowjetukraine neu gründeten.

Regierungen des ukrainischen Staates[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Regierung des ukrainischen Staates war der Ministerrat des ukrainischen Staates (Рада Міністрів Української Держави Rada Ministriw Ukrajinskoji Derschawy).[2][3]

Folgende Minister waren in den einzelnen Ressorts in den Regierungen des Staates tätig:[4][5]

Ressort 30. April – 4. Mai 4. Mai – 24. Oktober 25. Oktober – 14. November 14. November – 14. Dezember
Vorsitzender des Ministerrates
(„Ataman-Minister“)
Mykola Wassylenko Fedir Lysohub Fedir Lysohub Serhij Herbel
Auswärtige Angelegenheiten Mykola Wassylenko Dmytro Doroschenko Heorhij Afanasjew
Innere Angelegenheiten Oleksandr Wyschnewskyj
(Олександр Андрійович Вишневський)
Fedir Lysohub Ihor Kistjakiwskyj
Militär Alexander Franzewitsch Ragosa
Marine Mykola Maksymow
(Микола Лаврентійович Максимов)
Mykola Maksymow Andrij Pokrowskyj
(Андрій Георгійович Покровський)
Finanzen Anton Rschepezkyj Anton Rschepezkyj Anton Rschepezkyj Anton Rschepezkyj
Handel Serhij Hutnyk
(Сергій Михайлович Гутник)
Serhij Mering
(Сергій Федорович Мерінг)
Arbeit Julij Wahner
(Юлій Миколайович Вагнер)
Julij Wahner Maksym Slawynskyj Wolodymyr Kossynskyj
(Володимир Андрійович Косинський)
Transport Borys Butenko
(Борис Аполлонович Бутенко)
Borys Butenko W. Je. Landeberh
(В. Є. Ландеберг)
Ernährung Jurij Sokolowskyj
(Юрій Юрійович Соколовський)
Jurij Sokolowskyj
Bekenntnisse und Kirchen Mykola Wassylenko Wassyl Senkiwskyj Oleksandr Lotozkyj Mychajlo Woronowytsch
(Михайло Михайлович Воронович)
öffentliche Gesundheit Wsewolod Ljubynskyj
(Всеволод Юрійович Любинський)
Wsewolod Ljubynskyj Wsewolod Ljubynskyj
Justiz Mychajlo Tschubynskyj Mychajlo Tschubynskyj Andrij Wjaslow Wiktor Rejnbot
(Віктор Євгенович Рейнбот)
Bildung Mykola Wassylenko Petro Stebnyzkyj Wolodymyr Naumenko
Landwirtschaft Wassyl Kolokolzow
(Василь Григорович Колокольцов)
Zustandssteuerung Heorhij Afanasjew
Staatssekretariat Mychajlo Hyschyzkyj
(Михайло Львович Гижицький)
* Ihor Kistjakiwskyj
* Serhij Sawadskyj
(Сергій Володиславович Завадський)

Territoriale Gliederung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Ukrainische Staat nutzte für sein Territorium die administrativ-territoriale Einteilung des Russischen Reiches. Er wurde in neun Provinzen und zwei Bezirke (Okrug) aufgeteilt:[6]

Territoriale Gliederung des Hetmanats. Hellgraue Linie: Grenze der heutigen Ukraine, grün-gestrichelte Linie Gebietsansprüche des Hetmanats
Provinz Provinzzentrum
  • Gouvernement Wolhynien
  • Schytomyr
  • Gouvernement Jekaterinoslaw
  • Jekaterinoslaw
  • Gouvernement Kiew
  • Kiew
  • Gouvernement Podolien
  • Kamjanez-Podilskyj
  • Gouvernement Poltawa
  • Poltawa
  • Gouvernement Charkiw
  • Charkiw
  • Gouvernement Cherson
  • Cherson
  • Gouvernement Cholm
  • Brest-Litowsk
  • Gouvernement Tschernihiw
  • Tschernihiw
  • Okrug Polesien
  • Mosyr
  • Okrug Taurien
  • Berdjansk
  • Krim-Regionalregierung1
  • Simferopol
  • Volksrepublik Kuban1
  • Krasnodar
    1 
    Vertreter der Regionalregierungen der Krim und der Volksrepublik Kuban führten Gespräche zur Eingliederung als autonome Gebiete in den ukrainischen Staat.[6]

    Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

    • John S. Reshetar Jr.: The Ukrainian Revolution, 1917–1920: A Study In Nationalism. Literary Licensing, 2011, ISBN 1-258-08004-4.
    • Taras Hunczak: The Ukraine, 1917–1921: A Study in Revolution. Harvard Univ. Pr., 1978, ISBN 0-674-92009-0.
    • Скоропадський П. Спогади (кінець 1917 – грудень 1918) – Київ – Філадельфія, 1995.
    • Дорошенко Д. Мої спогади про недавнє минуле (1914–1920). – Мюнхен, 1969.
    • Дорошенко Д. Історія України. 1917–1923 рр.: Українська гетьманська держава 1918 року. — Ужгород, 1930.

    Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

    Commons: Ukrainischer Staat – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

    Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

    1. Paul R. Magocsi: A History of Ukraine. Toronto 1996. S. 489
    2. Eintrag zum Ministerrat in der Ukrainischen Sowjetenzyklopädie; abgerufen am 29. April 2019 (ukrainisch)
    3. Eintrag zum Ministerrat in der Enzyklopädie der Geschichte der Ukraine; abgerufen am 29. April 2019 (ukrainisch)
    4. Regierungsportal - Regierungen des ukrainischen Staates (Memento des Originals vom 29. Januar 2022 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/old.kmu.gov.ua auf der Webseite des Ministerkabinetts der Ukraine; abgerufen am 29. April 2019 (ukrainisch)
    5. Eintrag zu Hetman government in der Encyclopedia of Ukraine; abgerufen am 29. April 2019 (englisch)
    6. a b Olena Bojko; Territorium, Grenzen und administrativ-territoriale Einteilung des ukrainischen Staates unter Hetman P. Skoropadskyj (1918) - Regionalgeschichte der Ukraine, Sammlung wissenschaftlicher Artikel. - 2009. - Ausgabe 3.- 232 Seiten; abgerufen am 29. April 2019 (ukrainisch)