Ulrich Knoche

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Ulrich Knoche (* 5. September 1902 in Berlin; † 24. Juli 1968 in Hamburg) war ein deutscher Klassischer Philologe, der als Professor in Göttingen (1936–1939), Hamburg (1939–1941, 1950–1968) und Köln (1947–1950) wirkte. Seine Forschungsschwerpunkte waren die Textkritik der römischen Satiriker, der römische Ruhmesbegriff und die Philosophie von Seneca.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach der Reifeprüfung am Kaiserin-Augusta-Gymnasium in Berlin-Charlottenburg Ostern 1920 studierte Knoche an den Universitäten Jena, Göttingen und Berlin Klassische Altertumswissenschaften. Auf Anregung seines Berliner Dozenten Eduard Fraenkel bewarb sich Knoche um Aufnahme in das sogenannte „Begabtenheim“ des Bergmann-Hauses in Kiel und wechselte gemeinsam mit Fraenkel an die Universität Kiel. Hier beeindruckte ihn neben Fraenkel der Professor Felix Jacoby, der Knoches textkritische Begabung erkannte und förderte. Er inspirierte Knoche mit seinen Forschungen zu den lateinischen Satirikern, besonders zu Juvenal. 1925 wurde Knoche mit der Dissertation „Prolegomena zu den Satiren Juvenals“ promoviert.

Nach der Promotion arbeitete Knoche kurze Zeit am Thesaurus Linguae Latinae und ging dann an die Universität zu Köln, wo er mit Günther Jachmann und Josef Kroll in Kontakt kam. Auf ihre Anregung hin entstand seine Habilitationsschrift „Probe einer kritischen Edition“ (Köln 1932). Nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten trat er 1933 Alfred Rosenbergs antisemitischem Kampfbund für deutsche Kultur bei.[1] Knoche gehörte zu den Gründern des Kölner NS-Dozentenbunds und wurde 1934 auch Mitglied der Reichsfachschaft Hochschullehrer im NS-Lehrerbund.[1] Er wurde als außerordentlicher Professor nach Göttingen berufen, am 13. August 1937 beantragte er die Aufnahme in die NSDAP und wurde rückwirkend zum 1. Mai desselben Jahres aufgenommen (Mitgliedsnummer 4.493.911).[2][1] 1939 folgte sein Ruf als ordentlicher Professor an die Universität Hamburg als Nachfolger des von den Nationalsozialisten vertriebenen Ernst Kapp. Seine Veröffentlichungen zwischen 1939 und 1941 zeigen eine deutliche Annäherung an die nationalsozialistische Ideologie, während er sich noch 1933 privat eher kritisch zum Nationalsozialismus geäußert hatte.[3] Während des Zweiten Weltkriegs musste Knoche seine akademische Laufbahn unterbrechen: Er wurde 1941 zur Wehrmacht eingezogen. 1943 wurde er mit dem Kriegsverdienstkreuz 2. Klasse mit Schwertern ausgezeichnet.[1]

Als nationalsozialistisch belastet wurde Knoche Ende Mai 1945 als Hochschullehrer entlassen.[4] Zu diesem Zeitpunkt war er noch in einem englischen Lager in Kärnten, aus dem er im März 1946 nach Hildesheim entlassen wurde, da seine Hamburger Wohnung mit seiner privaten Bibliothek 1943 zerstört worden war. Seine Frau fand er todkrank vor. In dieser Notlage bat ihn sein ehemaliger Kollege Josef Kroll, ihn in Köln beim Wiederaufbau der Universität zu unterstützen. Knoche folgte dem Ruf und vertrat seit 1947 als Gastprofessor[1] den Kölner Lehrstuhl für Gräzistik. Mit der Unterstützung seiner Freunde gelang ihm der Aufbau einer neuen Privatbibliothek. Seine Frau starb während dieser Zeit.

Knoche legte gegen seine Entlassung in Hamburg Einspruch ein und konnte im Sommersemester 1950 auf seinen Lehrstuhl zurückkehren, nachdem er im Juni 1949 im Entnazifizierungsverfahren als „entlastet“ eingestuft worden war.[4][5] In Hamburg heiratete er zum zweiten Mal und verbrachte im Privaten viel Zeit mit seinen Kollegen und Schülern. Einen Ruf an die Philipps-Universität Marburg, den er 1952 erhalten hatte, lehnte er ab. Am 24. Juli 1968 starb Knoche an den Folgen eines Herzinfarktes im Alter von 65 Jahren.

Werk[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Knoches Arbeit konzentrierte sich seit seiner Berliner Studienzeit stark auf die Textkritik, vornehmlich der lateinischen Satiriker. Die Forschungen, aus denen seine Doktorarbeit und seine Habilitationsschrift hervorgingen, entwickelte er stetig weiter, zunächst zu einer Monografie „Die handschriftlichen Grundlagen des Juvenaltextes“ (Leipzig 1940), dann (mit Unterbrechung durch den Kriegseinsatz und den Verlust seiner Bibliothek) zu einer kommentierten Übersetzung: „Saturae mit kritischem Apparat“ (München 1950). Seine bei Juvenal verfeinerte textkritische Methode dehnte er auch auf andere Autoren der Satire und Lyrik aus. Die Feststellung, dass jüngere Handschriften nicht notwendig eine schlechtere Textgestalt überliefern als ältere, drückte er prägnant in der zum Grundsatz moderner Textkritik gewordenen Formel aus: Recentiores non sunt deteriores (deutsch: „Jünger heißt nicht schlechter“). Knoche, der häufig auf die Problematik der Kontamination mittelalterlicher Handschriften hinwies, wurde von Giorgio PasqualiLachmann der Kontamination“[6] genannt.

Neben der Textkritik verfolgte Knoche seit seiner Habilitation zwei weitere Gebiete: Untersuchungen zum römischen Ruhmesprinzip und zum Philosophen Seneca. Auf das erste, eher semasiologische Feld war Knoche durch ein Kolloquium geraten. Seine wichtigste Veröffentlichung in diesem Bereich ist seine 1935 in Leipzig erschienene Monografie über die magnitudo animi. Zu Seneca veröffentlichte er mehrere Aufsätze, besonders über die Freundschaft in der Philosophie des Seneca. Dieser Aufsatz regte Knoches Schüler Gregor Maurach zu seiner Habilitationsschrift „Der Bau von Senecas Epistolae morales“ (Heidelberg 1970) an.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Fischer Taschenbuch Verlag, Zweite aktualisierte Auflage, Frankfurt am Main 2005, S. 320.
  • Gerhard Lohse: Klassische Philologie und Zeitgeschehen. Zur Geschichte eines Seminars an der Hamburger Universität in der Zeit des Nationalsozialismus. In: Eckart Krause (Hrsg.): Hochschulalltag im „Dritten Reich“. Die Hamburger Universität 1933–1945. Teil 2, Reimer, Berlin 1991, ISBN 3-496-00882-2, S. 775–824.
  • Hans Joachim Mette: Ulrich Knoche †, in: Gnomon, Band 41 (1969), S. 99–100.
  • Nachlass in der Bayerischen Staatsbibliothek

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d e Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Fischer Taschenbuch Verlag, Zweite aktualisierte Auflage, Frankfurt am Main 2005, S. 320.
  2. Bundesarchiv R 9361-IX KARTEI/21300933
  3. Gerhard Lohse: Klassische Philologie und Zeitgeschehen. Zur Geschichte eines Seminars an der Hamburger Universität in der Zeit des Nationalsozialismus. In: Eckart Krause (Hrsg.): Hochschulalltag im „Dritten Reich“. Die Hamburger Universität 1933–1945. Teil 2, Reimer, Berlin 1991, ISBN 3-496-00882-2, S. 786–792.
  4. a b Rainer Nicolaysen: Die Frage der Rückkehr. Zur Remigration Hamburger Hochschullehrer nach 1945. In: Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte. Band 94, 2008, S. 145.
  5. Gerhard Lohse: Klassische Philologie und Zeitgeschehen. Zur Geschichte eines Seminars an der Hamburger Universität in der Zeit des Nationalsozialismus. In: Eckart Krause (Hrsg.): Hochschulalltag im „Dritten Reich“. Die Hamburger Universität 1933–1945. Teil 2, Reimer, Berlin 1991, ISBN 3-496-00882-2, S. 801–802.
  6. Zitiert nach: Gnomon 41/1969, S. 100.