Ulrich Tukur

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Ulrich Tukur beim Grimme-Preis 2015

Ulrich Tukur (eigentlich: Ulrich Gerhard Scheurlen; * 29. Juli 1957 in Viernheim/Hessen) ist ein deutscher Schauspieler, Musiker und Schriftsteller.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ulrich Scheurlen ist nach eigener Aussage ein Nachfahre Gustav Schwabs.[1] Sein Vater, der Diplom-Ingenieur Jerg Michael Scheurlen (1926–2017), stammte aus Stuttgart und arbeitete als Ingenieur für verschiedene Stromerzeuger.[2] Seine Mutter Ortrud Scheurlen, geb. Hermann (1929–2020), gebürtig aus Ravensburg und in Ulm aufgewachsen, war Landwirtschaftslehrerin.[2] Ulrich Scheurlen beschrieb seine Eltern als „sehr spießig, bürgerlich, schwäbisch“.[3] Er wuchs mit einer Schwester (Sabine) und einem Bruder (Michael) in Westfalen, Hessen und Niedersachsen auf. 1963 zog die Familie nach Großkrotzenburg, wo er ab 1967 das Franziskanergymnasium Kreuzburg besuchte.[4] Seine Jugend verbrachte er in der Wedemark in der Nähe von Hannover. 1977 machte er sein Abitur am Gymnasium Großburgwedel[5] und während eines Schüleraustauschs mit dem American Field Service in Boston (USA) einen High-School-Abschluss. Dort lernte er auch seine spätere erste Frau, Amber Wood, kennen.

Nach dem Wehrdienst studierte er Germanistik, Anglistik und Geschichte an der Universität Tübingen[6] und arbeitete unter anderem als Straßenmusiker. Während seines Studiums in Tübingen war er Mitglied der Studentenverbindung AV Igel. In Tübingen ging er im Alter von 21 Jahren zum ersten Mal freiwillig in ein Theater, in eine Aufführung der Dreigroschenoper.[7] Schließlich wurde er für die Bühne entdeckt und begann 1980 an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart eine Ausbildung in Schauspiel.[8] Nach Beendigung des Schauspielstudiums 1983 wurde er von den Städtischen Bühnen Heidelberg engagiert.

Seinen Künstlernamen Ulrich Tukur legte Ulrich Scheurlen sich nach Aufforderung von Michael Verhoeven, dem Regisseur seines ersten Kinofilms, zu Beginn seiner Karriere zu. Er leitete ihn aus einem in der Familie überlieferten Vorkommnis während der Besatzungszeit des Rheinlands durch Napoleon zu Anfang des 19. Jahrhunderts ab, als ein französischer Offizier den Namen eines Neugeborenen „Napoleon, tout court“ (für ‚Napoleon, ganz einfach‘) als Napoleon Tukur eindeutschte.[9]

Ulrich Tukur ist in zweiter Ehe mit der Fotografin Katharina John verheiratet. Von 1999[10] bis 2019 lebten sie in Venedig auf Giudecca sowie im toskanischen Dorf Montepiano (Stadt Vernio). Ulrich Tukurs erster Ehe entstammen die Töchter Lilli und Marlene, die beide in den USA studieren.[11] 2019 zog Ulrich Tukur in den Berliner Stadtteil Schöneberg.[12]

Er beteiligte sich im April 2021 an der kontrovers diskutierten Aktion #allesdichtmachen, bei der über 50 Schauspieler die Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie in Videos ironisch-satirisch kommentierten.[13]

Künstlerisches Schaffen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ulrich Tukur & die Rhythmus Boys (2010), Porträt von Manfred W. Jürgens

Noch zu Studienzeiten ermöglichte ihm Michael Verhoeven, erstmals in einem Film mitzuwirken: In Die weiße Rose spielte er 1982 den Studenten und Angehörigen des Widerstandskreises gegen die NS-Diktatur Willi Graf. Bei einem späteren Engagement in München in Ferdinand Bruckners Krankheit der Jugend wurde Peter Zadek auf ihn aufmerksam, woraus sich eine fruchtbare künstlerische Zusammenarbeit ergab, die 1984 schließlich zu Scheurlens Durchbruch am Theater führte.

Ulrich Tukur spielte unter Zadek zunächst an der Freien Volksbühne Berlin als SS-Offizier Kittel in Joshua Sobols Stück Ghetto. Später wurde für beide das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg zu ihrer künstlerischen Heimat – für Zadek als Intendanten und für Ulrich Tukur von 1985 bis 1995 als Ensemblemitglied in zahlreichen Haupt- und Nebenrollen. Insbesondere konnte er unter Zadek in Shakespeares Wie es euch gefällt, als Marc Anton in Shakespeares Julius Cäsar, in Zadeks Inszenierung der Lulu von Frank Wedekind als Alwa Schön sowie als Hamlet in der Inszenierung von Michael Bogdanov überzeugen. 1986 wurde er von den deutschen Theaterkritikern zum Schauspieler des Jahres gekürt. Von 1995 bis 2003 leitete er zusammen mit Ulrich Waller als Intendant die Hamburger Kammerspiele, die er mit der Rolle des Beckmann in Wolfgang Borcherts Draußen vor der Tür eröffnete. Von 1999 bis 2001 agierte er bei den Salzburger Festspielen in der Titelrolle des Jedermann von Hugo von Hofmannsthal.

Ulrich Tukur ist Mitglied der Freien Akademie der Künste Hamburg. Im März 2015 wurde er als Mitglied in die Deutsche Akademie der Darstellenden Künste aufgenommen.

Ulrich Tukur & die Rhythmus Boys bei einem Gastspiel im Deutschen Schauspielhaus, Hamburg, Anf. der 1990er Jahre

1995 gründete er die Tanzkapelle Ulrich Tukur und die Rhythmus Boys, mit der er viele Tourneen gespielt und verschiedene Tonträger veröffentlicht hat. Sie firmiert unter der Bezeichnung Die älteste Boygroup der Welt und spielt Eigenkompositionen und Evergreens, mit Ulrich Tukur als Sänger, Pianist und Akkordeon-Spieler. Die Rhythmus Boys sind Kalle Mews (Schlagzeug, Tierlaute), Ulrich Mayer (Gitarre, Gesang) und Günter Märtens (Kontrabass, Gitarre, Gesang). „Ulrich Tukur & Die Rhythmus Boys“ starteten am 24. April 2017 eine Tour als musikalische Botschafter Deutschlands in Budapest, Belgrad und Laibach.[14]

Ulrich Tukur verkörperte 2006 in dem Oscar-preisgekrönten Film Das Leben der Anderen die Rolle des Oberstleutnants der DDR-Staatssicherheit Anton Grubitz. Im August 2009 wurde bekannt, dass Ulrich Tukur eine Rolle als Tatort-Ermittler Felix Murot für den Hessischen Rundfunk übernimmt.[15] Am 28. November 2010, zum 40-jährigen Jubiläum des Tatort, wurde die erste Folge ausgestrahlt.

2014 übernahm er die Schirmherrschaft für den Deutschen Fernsehkrimi-Preis.[16]

Im Oktober 2019 veröffentlichte er seinen ersten Roman Der Ursprung der Welt.[17]

Filmografie (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kino[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Fernsehen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Diskografie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Musik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • 1989: Ulrich Tukur: Tanzpalast, CBS
  • 1990: Ulrich Tukur spielt Erik in dem Musical Freudiana am Theater an der Wien
  • 1994: Ulrich Tukur, Joachim Witt und Achim Reichel: Ein Freund bleibt immer Freund
  • 1998: Ulrich Tukur & Die Rhythmus Boys: Meine Sehnsucht ist die Strandbar, Metronome
  • 2001: Ulrich Tukur & Die Rhythmus Boys: Wunderbar, dabei zu sein, Tacheles! (Roofmusic, DE: Gold (German Jazz Award)Gold (German Jazz Award))[18]
  • 2003: Ulrich Tukur & Die Rhythmus Boys: Morphium, Tacheles! (Roofmusic, DE: Gold (German Jazz Award)Gold (German Jazz Award))
  • 2003: Peter Lohmeyer & Fink mit Ulrich Tukur: Bagdad Blues, Trocadero (Indigo)
  • 2006: Ulrich Tukur & Die Rhythmus Boys: Musik hat mich verliebt gemacht, Roofmusic
  • 2010: Ulrich Tukur: Mezzanotte, Deutsche Grammophon
  • 2011: Ulrich Tukur & Die Rhythmus Boys: Musik für schwache Stunden, Trocadero (Indigo, DE: Gold (German Jazz Award)Gold (German Jazz Award))
  • 2012: Musik im Hörbuch Roger Willemsen: Das müde Glück, gelesen vom Autor, sowie Sofia Brandt und Matthias Brandt, Tacheles Verlag, Bochum; 1 CD, 47 Minuten
  • 2014: Ulrich Tukur & Die Rhythmus Boys: So wird's nie wieder sein: Lebendig im Konzert, Trocadero (Indigo)
  • 2015: Ulrich Tukur & Die Rhythmus Boys: Let's Misbehave!, Trocadero (Indigo)

Hörbücher[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auszeichnungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ulrich Tukur (2009)

Veröffentlichungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Ulrich Tukur – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Elmar Krekeler: Ulrich Tukur – „Hitler ist besser als Bruno Ganz“. In: welt.de. 6. Mai 2011, abgerufen am 6. November 2022.
  2. a b „In meinen Büchern wird immer viel gestorben“. In: berliner-zeitung.de. 16. November 2019, abgerufen am 6. November 2022.
  3. https://www.daserste.de/unterhaltung/talk/talk-am-dienstag/videos/koelner-treff-video-ut100.xml
  4. Ulrich Tukur über Erinnerungen an Hanau und den neuen Tatort. 18. Dezember 2019, abgerufen am 8. September 2023.
  5. Welche Schule für mein Kind? Verlagsbeilage der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 12. Januar 2011, S. 12.
  6. Ulrich Tukur im Munzinger-Archiv, abgerufen am 22. Oktober 2023 (Artikelanfang frei abrufbar)
  7. Der Sonntag, 3. Dezember 2017, S. 9.
  8. Ulrich Tukur bei filmportal.de , abgerufen am 26. Oktober 2021.
  9. Schauspieler Ulrich Tukur verdankt Künstlername dem Franzosenkrieg. (Memento vom 24. Juni 2013 im Internet Archive) In: Stern vom 26. November 2010.
  10. Ulrich Tukur: Venedig, meine ewige Verführerin. In: Welt am Sonntag. 14. Januar 2001, abgerufen am 7. Juli 2022.
  11. Stand 2012. Ulrich Tukur bei „Höchstpersönlich“ auf daserste.de (Memento vom 20. Juli 2012 im Internet Archive)
  12. Tukur kehrt Venedig den Rücken für „Wohnung mit Kohleöfen“ in Berlin. In: bz-berlin.de. 16. November 2019, abgerufen am 6. November 2022.
  13. Schauspieler sorgen für Aufsehen – und kassieren Lob und Shitstorm. In: faz.net. 23. April 2021, abgerufen am 25. April 2021.
  14. Ulrich Tukur und Die Rhythmus Boys auf Balkan-Tour, Kabarett-News.de vom 23. März 2017. Abgerufen am 28. März 2017.
  15. Ulrich Tukur wird „Tatort“-Kommissar. In: welt.de. 10. August 2009, abgerufen am 7. November 2022.
  16. Hauch von Glamour und 1000 Liter Wein. In: FAZ.net. 15. März 2014, abgerufen am 6. November 2022.
  17. Katja Weise: Ulrich Tukurs Debüt-Roman: „Der Ursprung der Welt“. In: ndr.de. 6. November 2019, archiviert vom Original am 5. März 2020; abgerufen am 6. November 2022.
  18. Gold-/Platin-Datenbank des Bundesverbandes Musikindustrie, Abruf vom 19. November 2015
  19. Niedersächsischer Staatspreis für Wilhelm Krull, in: Informationsdienst Wissenschaft vom 30. November 2010.
  20. Helmut Glück, Walter Krämer, Eberhard Schöck (Hrsg.): Kulturpreis Deutsche Sprache. Reden und Ansprachen (2013). IFB Verlag im Institut für Betriebslinguistik, Paderborn 2013, ISBN 978-3-942409-36-0 (Online als PDF, 1,3 MB), S. 30–41
  21. Helmut-Käutner-Preis für Ulrich Tukur. In: Website Landeshauptstadt Düsseldorf. 22. Mai 2015, abgerufen am 5. Juli 2015.
  22. Ulrich Tukur in Wiesbaden mit Fernsehkrimi-Preis ausgezeichnet