Uluzzien

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Als Uluzzien wird eine rund um die Adria zwischen -43'000 und -37'000 verbreitete archäologische Kultur bezeichnet. Sie wurde bis 2011 dem Neandertaler und damit dem Mittelpaläolithikum zugeordnet. Unter der Annahme, dass die früheren Bewohner durch die späteren verdrängt wurden, neigte man dann zum anatomisch modernen Menschen und damit dem Jungpaläolithikum, obwohl bereits Bednarik (2009) zu bedenken gab, dass es auch kulturell bedingt zu einer grazileren Körperform gekommen sein könnte.[1] Erneut zur Einordnung ins Mittelpaläolithikum empfehlen Zilhão et al. (2015).[2]

Karte
Fundstellen des Uluzzien (CC-BY-SA 4.0 ROCEEH)

Insgesamt sind mehr als zwanzig Uluzzienfundorte in Italien bekannt, ein möglicher weiterer Fundort befindet sich auf der Peloponnes. Der Name der Kultur geht auf Baia di Uluzzo zurück, eine kleine Meeresbucht im südlichen Apulien, wo entsprechende Funde Anfang der 1960er Jahre in der Grotta del Cavallo gemacht wurden.

Das Uluzzien wurde vielfach als „Übergangsindustrie“ bezeichnet. Demnach lag es zwischen dem Moustérien, in dem noch Neandertaler existierten, und dem Aurignacien, in dem der anatomisch moderne Mensch in Europa erschien. Arturo Palma di Cesnola hatte 1964 zwei Zähne in der Uluzzienschicht der Grotta del Cavallo entdeckt. Sie wurden lange Neandertalern zugewiesen, doch konnte Stefano Benazzi von der Universität Wien 2011 nachweisen, dass es sich um Zähne eines anatomisch modernen Menschen handelt.

Grabungen in der Grotta di Fumane in Venetien, 2014
Profil mit Kennzeichnung der Straten im Eingangsbereich der Fumane-Höhle

Uluzzien-Funde gab es bis 2007 nur im Süden der Halbinsel, doch fanden sich Uluzzienanzeichen in diesem Jahr auch in der Grotta della Fabbrica in der toskanischen Maremma.[3] Wichtigste Fundorte in Apulien sind neben der besagten Grotta del Cavallo die Grotta Bernardini und die Grotta Riparo di Uluzzo; in Kampanien sind dies die Cala- und die Castelcivita-Höhle – letztere weist ein Alter von 32.500 bis 33.500 Jahren auf. Die Ähnlichkeit mit Funden in der Klisoura-Höhle auf der Peloponnes ist inzwischen umstritten. In der Grotta di Fumane, 18 km nordwestlich von Verona gelegen, fanden sich Malereien, die dem Uluzzien angehören.[4] Auch fanden sich dort während der Grabungen zwischen 1989 und 2011 insgesamt vier Zähne, von denen drei dem Mousterien (Fumane 1, 4, 5) und einer dem Uluzzien (Fumane 6) zugeordnet wurden. Dabei ließ sich Fumane 6 nicht sicher dem anatomisch modernen Menschen zuordnen.[5]

Neben den wenigen anatomischen Merkmalen und den Veränderungen in der Steinbearbeitung durch ein neues Konzept kam es auch zu Veränderungen im Umgang mit den erbeuteten Tieren.[6]

Die Chronologie der Uluzzien-Technologie, wie sie sich in der Grotta Fumane darstellt, weist in der Siedlung sowie Stein- und Knochenverarbeitung eine erhebliche Dynamik auf, denn ihre ältesten Artefakte stehen eher dem Moustérien nahe, die jüngeren dem Aurignacien. Die Abschlagindustrie basiert in der Frühphase auf der Levalloistechnik, die zunehmend durch Abschlagprozeduren verdrängt wird, durch die Abschläge und Klingen entstanden, aber auch Rückenmesser.[7]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Katerina Douka, Thomas F. G. Higham, Rachel Wood, Paolo Boscato, Paolo Gambassini, Panagiotis Karkanas, Marco Peresani, Annamaria Ronchitelli: On the chronology of the Uluzzian, in: Journal of Human Evolution 68 (2014) 1–13.
  • Julien Riel-Salvatore: What is a transitional industry? The Uluzzian of southern Italy as a case study, in: Marta Camps (Hrsg.): Sourcebook of Paleolithic Transitions. Methods, Theories, and Interpretations, Springer 2009, S. 377–396.
  • Aldo D'Alessio, Emilia Bramanti, Marcello Piperno, Gino Fornaciari: An 8500-year-old bladder stone from Uluzzo cave (Trapani): Fourier Transform-Infrared spectroscopy analysis, in: Archaeometry 47,1 (2005) 127-136. (online)

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Robert G. Bednarik: The Middle-Upper Paleolothic Transition revisited, in: Marta Camps, Parth Chauhan (Hrsg.): Sourcebook of Paleolithic Transitions. Methods, Theories, and Interpretations, Springer, 2009, S. 272–282, hier: S. 279.
  2. João Zilhão, William E. Banks, Francesco d’Errico, Patrizia Gioia: Analysis of Site Formation and Assemblage Integrity Does Not Support Attribution of the Uluzzian to Modern Humans at Grotta del Cavallo, in: PLoS ONE 10 (2015) (online)
  3. Julien Riel-Salvatore: What is a ‘Transitional’ Industry? The Uluzzian of Southern Italy as a Case Study, in: Marta Camps, Parth R. Chauhan (Hrsg.): Sourcebook of Paleolithic Transitions. Methods, Theories, and Interpretations, Springer, 2009, S. 377–396, hier: S. 385.
  4. Alberto Broglio, Giampaolo Dalmeri: Pitture paleolitiche nelle Prealpi venete. Grotta di Fumano e Riparo dalmieri, Verona 2005.
  5. Stefano Benazzi, Shara E. Bailey, Marco Peresani, Marcello A. Mannino, Matteo Romandini, Michael P. Richards, Jean-Jacques Hublin: Middle Paleolithic and Uluzzian human remains from Fumane Cave, Italy, in: Journal of Human Evolution 70 (2014) 61–68.
  6. Paolo Boscato, Jacopo Crezzini: Middle–Upper Palaeolithic transition in Southern Italy: Uluzzian macromammals from Grotta del Cavallo (Apulia), in: Quaternary International, Online-Vorabveröffentlichung vom 31. März 2011, doi:10.1016/j.quaint.2011.03.028
  7. Marco Peresani, Emanuela Cristiani, Matteo Romandini: The Uluzzian technology of Grotta di Fumane and its implication for reconstructing cultural dynamics in the Middle–Upper Palaeolithic transition of Western Eurasia, in: Journal of Human Evolution 91 (2016) 36–56.