Versagen

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Als Versagen (englisch choking, failure) wird in vielen Fachgebieten die Nichterfüllung von Anforderungen, Erwartungen oder Zielvorgaben bezeichnet.

Allgemeines[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wird ein Ziel vollständig erreicht, liegt ein Zielerreichungsgrad von 100 % vor. Dies ist der maximale Gegensatz zum Versagen, bei dem ein geringerer oder kein Zielerreichungsgrad vorhanden ist. Die Fachliteratur zur Arbeitspsychologie zählt sieben Fehlertypen auf, wozu auch das Versagen gehört.[1] Die Vorstellung vom Versagen „aus Versehen“ liegt die Auffassung zugrunde, dass ein solches Versagensrisiko so menschlich sei wie das „Irren“.[2]

Arten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Versagen kommt vor als menschliches Versagen oder als Versagen von Maschinen, Systemen oder technischen Anlagen (technischer Defekt) oder Verfahren. Das menschliche Versagen kommt durch Fehler zum Ausdruck, die ein Mensch durch sein Handeln (Fehlbedienung) bzw. Nichthandeln (unterlassene Hilfeleistung) oder durch seinen körperlich-geistigen Zustand (Ermüdung) zu verantworten hat. Fehlverhalten kann sowohl wissentlich als auch unwissentlich vorkommen.

Das menschliche Versagen wird in drei Arten unterteilt:[3]

  • Beim Versehen ist das beabsichtigte Vorgehen im Grundsatz korrekt, allein die Durchführung ist falsch.
  • Beim Fehler ist bereits die Intention falsch.
  • Das eigentliche Versagen ist eine Fehlleistung in Situationen, in denen eine Aktivität notwendig gewesen wäre, die jedoch unterlassen wurde.

Das eigentliche Versagen wird hier auf die Unterlassung eingeschränkt.

Bei Maschinen usw. können Fehlfunktionen auftreten, die eine Abweichung von der Soll-Funktionalität darstellen. Das Systemversagen ist eine Fehlfunktion von Automaten oder Systemen. Als Organisationsversagen wird die Haftung wegen der Verletzung von Organisationspflichten oder wegen Nichterfüllung rechtlicher Anforderungen an betriebliche organisatorische Maßnahmen bezeichnet.

Unfälle jeder Art (insbesondere Arbeitsunfall, Bergunfall, Haushaltsunfall, Jagdunfall, Sportunfall, Verkehrsunfall) sind in den meisten Fällen nicht reduzierbar auf technisches oder menschliches Versagen. So ist das Versagen des Mensch-Maschine-Systems (Interaktionsversagen) eher im Unvermögen der Konstrukteure in der Konstruktion der Geräte zu suchen.[4]

Medizin[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Medizin wird das Versagen einzelner Organe (etwa Herzversagen) oder das Multiorganversagen mehrerer lebenswichtiger Organsysteme des Körpers thematisiert.

Pädagogik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wenn ein Kind aus Sicht der Pädagogik versagt, dann hat es sich nicht genug angestrengt.[5] Erst im Alter von elf oder zwölf Jahren können Kinder zwischen Anstrengung, Fähigkeit und gezeigter Leistung unterscheiden.[6]

Als Leistung wird allgemein die erfolgreiche Bewältigung einer Aufgabe verstanden.[7] Entsprechend ist die Schulleistung das intellektuelle, physische und künstlerische Lernergebnis nach Aneignung eines schulischen Lernstoffes, der das Lernziel repräsentiert.

Dauerhaftes Schulversagen kann zu Sitzenbleiben und schlimmstenfalls zum Schulabbruch führen.

Psychologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Versagen ist in der Psychologie eine suboptimale Leistung unter Zeitdruck.[8] Hierbei spielt die Frustration eine Rolle, die als Behinderung des Individuums begriffen werden kann, ein persönliches Ziel zu erreichen.[9] Dabei kann die Behinderung in der Versagung erlebt oder unbewusst wirksam werden.

Rechtswissenschaft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei der Anwendung von § 831 und § 823 Abs. 1 BGB (unerlaubte Handlungen) im Rahmen des Organisationsverschuldens könnte es auf die Art der Gefahr ankommen, wobei zwischen Betriebsgefahr, Sachgefahr oder der durch menschliches Versagen ausgelösten Gefahr unterschieden wird.[10] Durch Arbeitsteilung kommt es auf diese Unterscheidung nicht an, denn es entsteht eine Organisationspflicht, die auf menschliches Versagen reduziert wird.

Sport[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Minderleister („Versager“) sind Personen, die dauerhaft unterhalb ihrer körperlichen oder psychischen Leistungsfähigkeit bleiben. Liegt die Sportleistung dauerhaft unterhalb des erwartbaren Leistungsziels (etwa Sieger eines Wettkampfs werden zu wollen), so kann von Versagen gesprochen werden.

Technik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Insbesondere in der Fertigungstechnik wird üblicherweise durch Dauerbelastung unter erschwerten Bedingungen das Versagen von Maschinen, Geräten, Baugruppen und Einzelteilen absichtlich herbeigeführt, um die zu erwartende Lebensdauer eines Produkts (Produktlebenszyklus) zu ermitteln. Ein unerwartet frühes Versagen z. B. durch einen Bruch kann aufgrund von Materialermüdung, Verschleiß oder einem Materialfehler auftreten und erfordert Verbesserungen; ein unerwartet spätes Versagen dagegen führt in der Regel zu Einsparungen bei Werkstoffen, der Konstruktion und der Produktion.[11]

Materialversagen kann auch unabsichtlich – also außerhalb einer planmäßig durchgeführten Materialprüfung – auftreten.

Wirtschaftliche Aspekte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Betriebswirtschaftslehre sind Betriebsstörungen oder Betriebsunterbrechungen die folgenreichsten Fälle von Versagen. Hierdurch kommt es zur Fehlproduktion oder gar zur Unterbrechung des Produktionsprozesses. Das operationelle Risiko wird definiert als das „Risiko von Verlusten, die durch die Unangemessenheit oder das Versagen von internen Verfahren, Menschen und Systemen oder durch externe Ereignisse verursacht werden, einschließlich Rechtsrisiken“ (Art. 4 Abs. 1 Nr. 52 CRR).

Alle Arten des Versagens (menschliches und technisches Versagen, sonstiges technisches Versagen wie elektrischer Kurzschluss oder Überspannung und äußere Einflüsse wie Sturm oder Überschwemmung) werden durch eine Haftpflichtversicherung oder Maschinenversicherung gedeckt.[12]

Nicht versicherbares Marktversagen liegt vor, wenn die Marktentwicklung eines Markts nicht mehr mit der Pareto-effizienten Allokation der Ressourcen übereinstimmt. Meistens ist Marktversagen bedingt durch Politikversagen, Regelversagen, Staatsversagen oder überhaupt durch menschliches Versagen.[13]

Etwa 80 % aller in Deutschland jährlich stattfindenden Unfälle und Katastrophen werden mit „menschlichem Versagen“ begründet,[14] was aber auch mit der versicherungsrechtlichen Schuldfrage zusammenhängt.

Sonstiges[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im „Kulturhotell“ der schwedischen Stadt Helsingborg hat im Juni 2017 ein „Museum des Scheiterns“ eröffnet; es zeigt rund 70 missratene und nicht erfolgreiche Erfindungen. Gründer und Leiter ist Samuel West.[15]

Versagen ist ein unspezifisches Allgemeinwort, das auch in der Bedeutung von „Verwehren“ vorkommt. Behörden allgemein machen Erlaubnisse von Bedingungen abhängig, wobei im Falle der Nichterfüllung die Erlaubnis versagt (also nicht erteilt) wird. So bedeutet eine Passversagung nach § 7 Passgesetz, dass die Passbehörde in bestimmten Einzelfällen die Ausstellung eines Passes verweigern darf. Die Erlaubnis zur Erteilung einer Banklizenz ist durch die BaFin nach § 33 KWG zu versagen, wenn eine der hier genannten Voraussetzungen nicht vorliegt.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wikiquote: Versagen – Zitate
Wiktionary: Versagen – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. James T. Reason, Actions not as planned: The Price of Automation, in: Geoffrey Underwood/Robin Stevens (Hrsg.), Aspects of Consciousness, 1979, S. 67 ff.
  2. Wolf R. Dombrowsky, Menschliches Versagen, in: Hans-Werner Franz (Hrsg.), 22. Deutscher Soziologentag 1984, 1985, S. 572
  3. Edward Major/Thomas H. Taylor/Stephan Ellmauer, Risiken und Komplikationen in der Anästhesie, 1997, S. 15
  4. Michael Herczeg, Einführung in die Medieninformatik, 2007, S. 135
  5. Carol S Dweck, Self Theories: Their Role in Motivation, Personality, and Development, 2000, passim; ISBN 978-0863775703
  6. Anita Woolfolk Hoy, Pädagogische Psychologie, 2008, S. 474
  7. Peter Röthig/Robert Prohl/Carl Klaus/Dietrich Kayser/Michael Krüger/Volker Scheid (Hrsg.), Sportwissenschaftliches Lexikon, 2003, S. 332 ff.; ISBN 978-3778044971
  8. Mark C. Frame/Sydney L. Reichin, Promotional Score Changes Across Three Test Administrations: Preliminary Evidence for Construct Relevant Change, in: Journal of Police and Criminal Psychology 37 (4), 2022, S. 825–832
  9. James Drever/Werner D Fröhlich, dtv Wörterbuch zur Psychologie, 1970, S. 108; ISBN 978-3423030311
  10. Hans Steege, Organisationspflichten und Organisationsverschulden, 2022, S. 164
  11. Gunther Dette, Lexikon der Gastechnik, 1996, S. 473
  12. Berufsbildungswerk der Deutschen Versicherungswirtschaft (BWV) e.V. (Hrsg.), Sachversicherungen für private und gewerbliche Kunden, 2014, S. 134 f.
  13. Karen Horn, Die soziale Marktwirtschaft, 2010, o. S.
  14. Albert Kuhlmann, Einführung in die Sicherheitswissenschaft, 1983, S. 76; ISBN 978-3528084950
  15. Webseite Museum of Failure