Verwaltungsgericht Frankfurt am Main

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Adalbertstraße 44–48, bis 2006 Sitz des Gerichtes
Adalbertstraße 18, ab 2006 Sitz des Gerichtes

Das Verwaltungsgericht Frankfurt ist das größte der fünf erstinstanzlichen Verwaltungsgerichte in Hessen.[1] Das 1952 gegründete Gericht hat seinen Sitz in Frankfurt am Main, seit 2006 im neu errichteten Gerichtsgebäude an der Adalbertstraße 18 im Stadtteil Frankfurt-Bockenheim.

Das Gericht[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Geschäftsverteilung, Spruchkörper[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Gericht gliedert sich in den (unabhängigen[2]) richterlichen und den (weisungsgebundenen) nicht-richterlichen Bereich (Gerichtsverwaltung[3]). Für die Verteilung der anhängig gemachten Streitverfahren (Geschäftsverteilung) ist im richterlichen Bereich das (von den Richtern gewählte) Präsidium des Gerichts[4] und im nicht-richterlichen Bereich der Gerichtsvorstand zuständig: Präsident ist Rainald Gerster, Vizepräsident Günter Wiegand.

Entscheidungen, Rechtsmittel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Entscheidungen (Urteile und Beschlüsse) des Gerichts werden durch verschiedene Spruchkörper getroffen: Kammern[5] und Einzelrichter[6]. Die Kammern sind mit drei Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Richtern besetzt[7]. Die Entscheidungen sind nur zum Teil unanfechtbar, die meisten Urteile können auch nach der Berufungsbeschränkung[8] durch die Rechtsmittel der Berufung[9] und der Revision[10] angefochten werden, Beschlüsse durch die Beschwerde[11], wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen. Berufungs- und Beschwerdeinstanz ist das Oberverwaltungsgericht, das in Hessen die Bezeichnung Hessischer Verwaltungsgerichtshof führt und seinen Sitz in Kassel hat[12].

Gerichtsbezirk[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Gerichtsbezirk des Verwaltungsgerichts ist die Stadt Frankfurt am Main sowie die Kreise Hochtaunuskreis, Main-Kinzig-Kreis und Main-Taunus-Kreis, in Asylverfahren umfasst der Gerichtsbezirk dagegen nicht den Main-Taunus-Kreis, dafür aber die Stadt und den Kreis Offenbach. Am Gericht waren 2011 42 Richter und 39 nicht-richterliche Mitarbeiter beschäftigt. Zum Stand vom 1. Januar 2013 sind 37 Richter und 35 nicht-richterliche Beschäftigte tätig.

Die Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Lex Verwaltungsgericht Frankfurt am Main[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zur Schaffung des 1952 gegründeten Gerichts bedurfte es einer eigenen Lex Verwaltungsgericht Frankfurt am Main, eines eigenen Gesetzes.[13] Das Gericht war zunächst in einem alten Bürgerhaus im Frankfurter Westend untergebracht und umfasste zwei Kammern mit sechs hauptamtlichen Richtern. Die Anzahl der Verfahren wuchs jedoch ständig, 1958 waren es sechs Kammern mit je drei hauptamtlichen Richtern; so sollte es über 20 Jahre bleiben, obwohl die Eingänge rasch weiter zunahmen.

Wirtschaftswunder und Subventionsstreitigkeiten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Wirtschaftswunder-Zeit waren es besonders die Streitigkeiten über Subventionen, die die in Frankfurt ansässigen Behörden (Einfuhr- und Vorratsstellen für die landwirtschaftliche Marktordnung), die vor allem auch EWG-Mittel verteilten (Streitigkeiten auf die Gewährung von Subventionen und Anfechtung von Rückforderungen wegen zu Unrecht gewährter Gelder), weshalb die damit befasste Kammer bald als Europa-Kammer bezeichnet wurde.

Bauboom und Demonstrationen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mit der Städtebaupolitik der Stadt Frankfurt am Main rollte von Mitte der 1960er bis zum Ende der 1970er Jahre eine weitere Verfahrenswelle besonders über die "Baukammer" des Gerichts (1973 waren es ca. 2.000 Verfahren: z. B. U-Bahn-Bau, Hochhäuser, Müllgebühren von Hauseigentümern besetzter Häuser). Die Baukammer war auch zuständig für das Ordnungsrecht, das waren Ende der 1970er bis etwa Ende der 1980er Jahre vor allem Streitigkeiten über das Verbot von (meist Samstags-) Demonstrationen, die aber durch die Behörde oft erst am Freitag (nachmittags) verboten wurden. Die Beratungen des Gerichts über die angegriffene Verbots-Verfügung der Ordnungsbehörde fanden daher oft am späten Abend (manchmal auch nachts) statt, ehe die Entscheidung fiel. 1982 waren es bereits 6.000 Verfahren.[14]

Freizeit: galerie v. g.[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine Gruppe kunstsinniger Richter organisierte (da sie Freitag-Nachmittag wegen der zu erwartenden Demo-Streitigkeiten anwesend sein "mussten") Kunstausstellungen ("galerie v.g.", drei Ausstellungen pro Jahr), die bald Nachahmer bei den anderen hessischen Verwaltungsgerichten fand.

Strukturwandel verwaltungsrichterlichen Handelns durch die Asylverfahren[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Rund elf Jahre bestand das Gericht aus sieben Kammern, ehe ein weiterer Schub an Verfahren nicht nur das Gericht, sondern die ganze Verwaltungsgerichtsbarkeit faktisch umstrukturierte[15]: die Asylverfahren. Sie sind auf Grund des 1993 in Kraft getretenen Asylverfahrensgesetzes (am 24. Oktober 2015 umbenannt in Asylgesetz) auf nahezu alle Verwaltungsgerichte der Bundesrepublik verteilt worden (Richterliches und nicht-richterliches Personal verdoppelten sich, im Gerichtsgebäude wurde ein neues Stockwerk angemietet und neue Sitzungssäle gebaut, 2/3 des Aktenbestandes jeder Kammer bestand nun aus Asylverfahrensakten[16]). Das Asylverfahrensgesetz 1993 führte einen neuen Verfahrenstyp ein: das asylrechtliche Flughafenverfahren.[17]

„Web-Richter“[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auf die Initiative einiger weniger Richter bekam das Gericht bereits Mitte der 1990er-Jahre eine Website, später eine Rechtsprechungs-Datenbank, die noch später in die Landes-Rechtsprechungsdatenbank LaReDa einging.

Die Präsidenten des Gerichts[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • 1952–1953: Friedrich Müller
  • 1954–1962: Georg Bankwitz (* 1898)
  • 1962–1972: Joachim Kniesch (1907–1991)
  • 1973–1977: Karl Becker
  • 1977–1979: Wolfgang Muno
  • 1979–2001: Dieter Neumeyer (* 1936)
  • 2001–2008: Reiner Stahl
  • 2008–2013: Roland Fritz (* 1947)
  • seit 2013: Rainald Gerster

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Richterinnen und Richter der hessischen Verwaltungsgerichtsbarkeit (Hrsg.): Fünfzig Jahre hessische Verwaltungsgerichtsbarkeit: 1947–1997. Festschrift zum 50. Jahrestag der Errichtung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs in Kassel sowie der Verwaltungsgerichte Darmstadt, Kassel und Wiesbaden. Darmstadt, Frankfurt am Main, Gießen, Kassel und Wiesbaden 1997.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Verwaltungsgericht Frankfurt am Main – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Zu den in Hessen bestehenden Verwaltungsgerichten vgl. § 1 Abs. 2 des Hessischen Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung (HessAGVwGO).
  2. § 25 des Deutschen Richtergesetzes; Art. 126 Abs. 2 der Verfassung des Landes Hessen
  3. § 13 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)
  4. § 4 VwGO in Verbindung mit den §§ 21a - 21i des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG)
  5. § 5 Abs. 2 VwGO
  6. § 6 VwGO
  7. § 5 Abs. 3 VwGO
  8. https://www.gesetze-im-internet.de/vwgo/__124a.html
  9. §§ 124–130b VwGO
  10. §§ 132–144 VwGO; https://www.gesetze-im-internet.de/vwgo/__132.html
  11. §§ 146–152a VwGO; https://www.gesetze-im-internet.de/vwgo/__146.html
  12. Neufassung des Hessischen Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung (GVBl. I 1997, S. 381)
  13. Gesetz betreffend das Verwaltungsgericht in Frankfurt (Main) vom 22. Dezember 1953 (GVBl. S. 203); wegen der Einzelheiten der Gründung vgl. Norbert Breunig Lex Verwaltungsgericht Frankfurt am Main in Hans-Joachim Höllein (Hrsg.) 50 Jahre Verwaltungsgerichtsbarkeit in Hessen 1947–1997, Kassel 1997, S. 63–67; in erweiterter Fassung auch in Hohm/Schunder/Stahl (Hrsg.) Verwaltungsgericht im Wandel der Zeit – 50 Jahre Verwaltungsgericht Frankfurt am Main, München (Beck) 2004, ISBN 3406526675, S. 25–30. Verwaltungsgerichte gab es nach der preußischen Tradition nur am Sitz des Regierungspräsidenten (heute: Regierungspräsidium), also in Darmstadt, Kassel und Wiesbaden; zu dem Wiesbadener Gericht gehörte nicht nur ganz Nassau (soweit nach dem Zweiten Weltkrieg noch hessisch), sondern auch das Gebiet der Stadt Frankfurt am Main und das des späteren Main-Kinzig-Kreises, das entsprach dem Gebiet des Regierungsbezirks Wiesbaden nach dem 1. Juli 1944. Nach dem vermehrten Geschäftsanfall wurde der Gerichtsbezirk einfach in der Mitte geteilt. Der östliche Teil kam zum Frankfurter, der westliche blieb bei dem Wiesbadener Gericht.
  14. Wegen der Einzelheiten vgl. Günther Edelmann Dokumentation zum 30jährigen Bestehen des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main, Typoskript, Darmstadt 1982, auch abgedruckt in Hohm/Schunder/Stahl (Hrsg.) Verwaltungsgericht im Wandel ..., München (Beck) 2004, ISBN 3406526675, S. 31–40.
  15. Karl-Heinz Hohm Strukturwandel verwaltungsrichterlichen Handelns in Hohm/Schunder/Stahl (Hrsg.) Verwaltungsgericht im Wandel ..., München (Beck) 2004, ISBN 3406526675, S. 76–84.
  16. Eine Statistik über die Entwicklung der Kammern beim Verwaltungsgericht Frankfurt findet sich in Hans-Joachim Höllein (Hrsg.) 50 Jahre Verwaltungsgerichtsbarkeit in Hessen ..., Kassel 1997, S. 106
  17. nach § 18a AsylG; dazu Bertold Huber Das asylrechtliche Flughafenverfahren in Hohm/Schunder/Stahl Verwaltungsgericht im Wandel ..., München (Beck) 2004, ISBN 3406526675, S. 76–84.