Victor Ehrenberg

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Victor Leopold Ehrenberg (geboren 22. November 1891 in Altona; gestorben 25. Januar 1976 in London) war ein deutsch-britischer Althistoriker jüdischer Abstammung, der aufgrund nationalsozialistischer Verfolgung nach Großbritannien emigrierte.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ehrenberg, Neffe des gleichnamigen Juristen Victor Ehrenberg, studierte nach dem Schulbesuch in Kassel zunächst Architektur in Stuttgart, dann ab 1912 altertumswissenschaftliche Fächer in Göttingen und Berlin. Nach vierjährigem Kriegsdienst im Ersten Weltkrieg setzte er sein Studium in Tübingen fort, wo er 1920 promoviert wurde, und habilitierte sich 1922 in Frankfurt am Main.

1929 wurde er auf den althistorischen Lehrstuhl an der Deutschen Universität Prag berufen. Kurz vor dem Einmarsch deutscher Truppen floh Ehrenberg mit seiner Familie im Februar 1939 nach Großbritannien, wo er während des Zweiten Weltkriegs verschiedene Lehraufträge (u. a. in Newcastle) erhielt. 1946 übernahm er eine Professur an der University of London, nachdem er einen Lehrstuhl in München abgelehnt hatte, weil er nicht nach Deutschland zurückkehren wollte. Seit 1958 war er korrespondierendes Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften.[1]

Der Schwerpunkt von Ehrenbergs weitgespannter wissenschaftlicher Arbeit lag im Bereich der griechischen Geschichte. Sein wohl bekanntestes Buch befasste sich unter dem Titel Aristophanes und das Volk von Athen mit der „Soziologie der altattischen Komödie“.

Ehrenberg heiratete 1919 die Lehrerin Eva Sommer.[2] Ihre Söhne waren der Historiker Geoffrey Rudolph Elton und der Physiker und Pädagoge Lewis R. B. Elton, ein Enkel des Komikers Ben Elton.

Schriften (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Ost und West. Studien zur geschichtlichen Problematik der Antike. Brünn 1935.
  • Alexander and the Greeks. Blackwell, Oxford 1938.
  • The people of Aristophanes. Blackwell, Oxford 1943. Deutsche Ausgabe: Aristophanes und das Volk von Athen. Eine Soziologie der altattischen Komödie. Artemis, Zürich und Stuttgart 1968.
  • Der Staat der Griechen. 2. erweiterte Auflage. Artemis, Zürich und Stuttgart 1965.
  • Polis und Imperium. Beiträge zur alten Geschichte [Aufsatzsammlung zu Ehren seines 70. Geburtstags] / hrsg. von Karl Friedrich Stroheker und Alexander John Graham. Artemis, Zürich 1965
  • From Solon to Socrates. Greek history and civilization during the sixth and fifth centuries B. C. Methuen, London 1968 und Nachdrucke, ISBN 0-415-04024-8
  • Über 100 Artikel für Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Wilhelm Sternfeld, Eva Tiedemann: Deutsche Exilliteratur 1933–1945. Eine Bio-Bibliographie. Schneider, Heidelberg/Darmstadt 1962.
  • Eva Ehrenberg: Franz Rosenzweig 25. Dezember 1886 – 10. Dezember 1929. In: Eva Ehrenberg: Sehnsucht – mein geliebtes Kind. Bekenntnisse und Erinnerungen. Ner-Tamid-Verlag, [Frankfurt am Main] 1963.
  • Hans Schäfer: Victor Ehrenbergs Beitrag zur historischen Erforschung des Griechentums. In: Hans Schaefer: Probleme der Alten Geschichte. Gesammelte Abhandlungen und Vorträge, hg. von Ursula [Vogel]-Weidemann, Walter Schmitthenner. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1963, S. 428–440.
  • Joseph Vogt (Althistoriker), Victor Ehrenberg. . In: Gnomon 48, 1976, S. 423–426,
  • Werner Röder, Herbert A. Strauss (Hrsg.): International Biographical Dictionary of Central European Emigrés 1933–1945. Band 2,1. Saur, München 1983, ISBN 3-598-10089-2, S. 238
  • Peter R. Franke: Victor Ehrenberg. Ein deutsches Gelehrtenschicksal 1891-1976. In: Reinhard Schneider (Hrsg.): Juden in Deutschland. Lebenswelten und Einzelschicksale ; Ringvorlesung der Philosophischen Fakultät der Universität des Saarlandes im Wintersemester 1988/89. Röhrig, St. Ingbert 1994, ISBN, 3-86110-036-3, S. 309–331.
  • Karl Christ: Die Verdrängten. Zur Existenz des Historikers. In: Karl Christ: Griechische Geschichte und Wissenschaftsgeschichte. Steiner, Stuttgart 1996, ISBN 3-515-06915-1, S. 187–218.
  • Archiv Bibliographia Judaica (Herausgeber), Renate Heuer (Redaktion): Lexikon deutsch-jüdischer Autoren. Band 6: Dore–Fein. De Gruyter, Berlin u. a. 1998, ISBN 3-598-22686-1, S. 96–103.
  • Karl Christ: Hellas. Griechische und deutsche Geschichtswissenschaft. Beck, München 1999, ISBN 3-406-45312-0, S. 195–202; S. 271–273; S. 313f.
  • Christoph Ulf: Ideologie als Grundlage für Abgrenzung und Spezifik der Antike bei Eduard Meyer, Helmut Berve, Ernst Kornemann, Werner Jäger und Victor Ehrenberg. In: Beat Näf (Hrsg.): Antike und Altertumswissenschaft in der Zeit von Fachismus und Nationalsozialismus. Kolloquium Universität Zürich 14. - 17. Oktober 1998 . Edition Cicero, Mandelbach/Cambridge 2001, ISBN 3-934285-45-7, S. 305…343.
  • Kai Brodersen: „To write history and to live history are two very different things“. Victor Ehrenberg in Newcastle upon Tyne 1941–45. In: Ders. (Hrsg.): Die Antike außerhalb des Hörsaals. Lit, Münster u. a. 2003, ISBN 3-8258-6852-4, S. 165–168.
  • Kay Ehling: „Vielleicht werde ich auch einmal wieder Deutschland besuchen können.“ Ein Brief Victor Ehrenbergs vom 20. Februar 1947. In: Historia. Band 53, 2004, S. 121–128.
  • Helmuth Schneider: Erinnerungen an eine untergegangene Welt: Eva Ehrenberg. In: Helmuth Schneider: Antike zwischen Tradition und Moderne. Gesammelte Schriften zur Wirtschafts-, Technik- und Wissenschaftsgeschichte (Philippika. Altertumswissenschaftliche Abhandlungen 95), hg. von Kai Ruffing, Kerstin Droß-Krüpe. Harrassowitz Verlag, Wiesbaden 2011, ISBN 978-3-447-10648-1, S. 377–390 (zuerst in: Dagmar Bussiek, Simona Göbel: Kultur, Politik und Öffentlichkeit. Festschrift für Jens Fleming. Kassel University Press, Kassel 2009, ISBN 9783-89958-688-6, S. 391–408).
  • Helmuth Schneider (Althistoriker): Ehrenberg, Victor. In: Peter Kuhlmann, Helmuth Schneider (Hrsg.): Geschichte der Altertumswissenschaften. Biographisches Lexikon (= Der Neue Pauly. Supplemente. Band 6). Metzler, Stuttgart/Weimar 2012, ISBN 978-3-476-02033-8, Sp. 350–353 (Helmuth Schneider).
  • Helmuth Schneider: „Das Messer an der Kehle“. Victor Ehrenberg – der Weg in die Emigration. In: Gymnasium 130, 2023, S. 151–181.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Mitglieder der HAdW seit ihrer Gründung 1909. Victor Ehrenberg. Heidelberger Akademie der Wissenschaften, abgerufen am 11. Juli 2016.
  2. Vgl. Eva Ehrenberg: Sehnsucht – mein geliebtes Kind. Bekenntnisse und Erinnerungen. Ner-Tamid-Verlag, [Frankfurt am Main] 1963, zur Eheschließung S. 39–41; Eva Ehrenberg. In: Lexikon deutsch-jüdischer Autoren, Band 6, de Gruyter, Berlin 1998, S. 81–83.