Werner Hofmann (Soziologe)

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Werner Hofmann (* 27. Juli 1922 in Meiningen; † 9. November 1969 in Wehrda bei Marburg) war ein marxistisch orientierter deutscher Soziologe und Volkswirt, Gründer des Bundes demokratischer Wissenschaftler (1968) und Mitbegründer der Partei Aktion Demokratischer Fortschritt (1969).

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Sohn des Bankdirektors a. D. Rudolf Hofmann trat mit dem 11. September 1939 in die Klasse 7C des Maximiliansgymnasiums in München ein und wurde bereits ein Jahr später aus der 8. Klasse zur Wehrmacht eingezogen.[1] Nach Kriegsende studierte er ab dem Sommersemester 1946 Volkswirtschaftslehre an der Universität München.[2] Anschließend ging er 1948 aus Überzeugung in die Sowjetische Besatzungszone an die Universität Leipzig. Weil seine Promotion dort aus politischen Gründen nicht angenommen worden war und er daraufhin arbeitslos wurde, kehrte er 1952 nach München zurück. Dort promovierte er bei Adolf Weber (1953) und arbeitete an dessen Lehrbuch „Kurzgefasste Volkswirtschaftspolitik“ (1957)[3] mit. Seit 1958 lehrte er an der Hochschule für Sozialwissenschaften in Wilhelmshaven-Rüstersiel und habilitierte sich im gleichen Jahr bei Hans Raupach. Ab 1964 war er außerplanmäßiger Professor für Volkswirtschaftslehre in Göttingen, von 1966 bis 1969 ordentlicher Professor für Soziologie an der Universität Marburg.

Werner Hofmann setzte sich als einer der ersten Wissenschaftler in der BRD mit dem Stalinismus als Ideologie, Herrschaftssystem und gesellschaftliches Phänomen auseinander. Er entwickelte ökonomische und soziale Theorien insbesondere zur Entwicklung des Kapitalismus und zur Wissenschaftssoziologie.

In den Sozialwissenschaften verband er verschiedene wissenschaftliche Ansätze miteinander, die er insbesondere in den „Sozialökonomischen Studientexten“ und der „Wirtschaftsgesellschaft“ überzeugend darstellte. Er gab Wissenschaftlern unterschiedlicher Richtungen wesentliche Anstöße, ohne jedoch eine eigene Schule gebildet zu haben. Zusammen mit Wolfgang Abendroth und Heinz Maus prägte er die Marburger Schule.[4]

Charakteristisch war für ihn die Verbindung von wissenschaftlicher Ökonomie und Soziologie in der Tradition der Sozialökonomie (vgl. Max Weber, Werner Sombart, Adolf Weber und Hans Raupach). Wissenschaftstheoretisch tendierte er trotz seiner Kritik am Neopositivismus nicht zum dialektisch-materialistischen Ansatz, sondern zu einer Scheidung von Subjekt und Objekt.

Hofmann wirkte an der Begründung der Aktion Demokratischer Fortschritt (ADF) mit, einem Wahlbündnisses von DKP und Deutscher Friedensunion. Dort war er Mitglied des Bundespräsidiums und hessischer Spitzenkandidat in der Bundestagswahl von 1969. Der von ihm als Reaktion auf das Marburger Manifest mitbegründete „Bund demokratischer Wissenschaftler“ sollte aber keiner kommunistischen Kaderbildung dienen, sondern Schutz der individuellen Forschungsfreiheit vor gesellschaftlichen Angriffen bieten. Wichtig war es ihm hier, auch renommierte Wissenschaftler außerhalb marxistischer Kreise zu gewinnen.

Wenige Wochen nach der Bundestagswahl 1969 erlag Hofmann einem Kreislaufkollaps.[5]

Seine Schrift zur Wirtschaftsgesellschaft wurde in Gruppen der Studentenbewegung in breitem Umfang rezipiert, während er diese Studenten seinerseits als „anarchistische Kleinbürger“ kritisierte.

Sein Sohn ist der 1951 geborene SPD-Politiker Joachim Hofmann-Göttig.

Schriften (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, Berlin 1954
  • Wohin steuert die Sowjetwirtschaft?, Berlin 1955
  • Die Arbeitsverfassung der Sowjetunion, Berlin 1956
  • Gesellschaftslehre als Ordnungsmacht, Berlin 1961
  • Die säkulare Inflation, Berlin 1962
  • Ideengeschichte der sozialen Bewegung, Berlin 1962
  • Sozialökonomische Studientexte, Bd. 1 Wert und Preislehre, 2 Einkommenstheorie, 3 Theorie der Wirtschaftsentwicklung, Berlin 1964–66
  • Stalinismus und Antikommunismus. Zur Soziologie des Ost-West-Konflikts, Frankfurt a. M. 1967; 2., überarbeitete Auflage 1968
  • Universität, Ideologie, Gesellschaft: Beiträge zur Wissenschaftssoziologie. Frankfurt a. M., 1968
  • Grundelemente der Wirtschaftsgesellschaft, Reinbek 1969
  • Abschied vom Bürgertum. Essays und Reden, Frankfurt 1970
  • Industriesoziologie für Arbeiter. Klassenverhältnis und Arbeitsverfassung. Herausgegeben aus dem wissenschaftlichen Nachlass von Herbert Claas und Rainer Rilling, Heilbronn 1988

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Herbert Claas u. a. (Hrsg.): Werner Hofmann. Gesellschaftslehre in praktischer Absicht (= Forum Wissenschaft. Studien 46). BdWi-Verlag, Marburg 1999, ISBN 3-924684-80-4.
  • Dieter BorisHofmann, Werner. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 9, Duncker & Humblot, Berlin 1972, ISBN 3-428-00190-7, S. 461 f. (Digitalisat).
  • Wilhelm Bernsdorf: Hofmann, Werner. In: Wilhelm Bernsdorf, Horst Knospe (Hrsg.): Internationales Soziologenlexikon. Band 1: Beiträge über bis Ende 1969 verstorbene Soziologen. 2., neubearbeitete Auflage. Enke, Stuttgart 1980, ISBN 3-432-82652-4, S. 185 f.
  • Gerhard Schäfer: Das Marburger Dreigestirn: Wolfgang Abendroth – Heinz Maus – Werner Hofmann. Zur Vorgeschichte kritischer Gesellschaftswissenschaft in Marburg, in: Stephan Moebius/ ders. (Hg.),Soziologie als Gesellschaftskritik. Wider den Verlust einer aktuellen Tradition; Festschrift für Lothar Peter, Hamburg: VSA-Verlag, 2006, S. 44–70, ISBN 3-89965-175-8.
  • Finn Langbein: "Zwischen den Schlagzeilen: Der Soziologe Werner Hofmann und die Printmedien um 1968" in: Portal Ideengeschichte, Essays Autorenstudenten, Nr. 001/06 - 2017, Uni Marburg, [1]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Matrikel des Maximiliansgymnasiums in München, Schuljahr 1940/41
  2. Universität München / Studenten-Verzeichnis / Sommer-Halbjahr 1946 / (Semester B 1946) / Nach dem Stande vom Juni 1947 / München 1946, S. 47
  3. Adolf Weber: Kurzgefasste Volkswirtschaftspolitik. 7., neubearbeitete Auflage, 29.–31. Tausend. Duncker & Humblot, Berlin 1957.
  4. Lothar Peter Marx an die Uni. Die >>Marburger Schule. Geschichte, Probleme, Akteure, Köln 2014, S. 13f.
  5. GESTORBEN: Werner Hofmann. Der Spiegel 47/1969, 17. November 1969, abgerufen am 27. Juni 2017.