Wohnstraße

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Als Wohnstraße (englisch residential road) wird im Verkehrswesen ein verkehrsberuhigter Bereich bezeichnet, in welchem der Fußgängerverkehr Vorrang genießt und Fahrzeuge lediglich mit Schrittgeschwindigkeit bewegt werden dürfen.

Allgemeines[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Damit unterscheidet sich die Wohnstraße von städtischen Durchgangsstraßen, Ortsstraßen oder Gemeindestraßen, durch die der gesamte Straßenverkehr mit höherer Fahrgeschwindigkeit fließt. Sie ist eine Anliegerstraße in einem reinen Wohngebiet.[1] Die Wohnstraße ist so konzipiert, dass die Wohnqualität durch Verkehrsberuhigung verbessert werden soll.

Fahrzeugverkehr in Wohnstraßen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kraftfahrzeuge in Wohnstraßen dürfen Fußgänger und Radfahrer nicht behindern oder gefährden, haben von ortsgebundenen Gegenständen oder Einrichtungen einen der Verkehrssicherheit entsprechenden seitlichen Abstand einzuhalten und dürfen nur mit Schrittgeschwindigkeit fahren. Beim Ausfahren aus einer Wohnstraße ist dem außerhalb der Wohnstraße fließenden Verkehr Vorrang zu geben. Das Parken von Kraftfahrzeugen ist nur an den dafür gekennzeichneten Stellen erlaubt.

Radfahrer dürfen in Wohnstraßen nebeneinander fahren. Rollschuhfahrer dürfen die Fahrbahn in Wohnstraßen in Längsrichtung befahren.

Landesspezifische Regelungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Deutschland[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Beginn eines verkehrsberuhigten Bereichs

Der Begriff „Wohnstraße“ ist kein expliziter Rechtsbegriff des Straßenverkehrsrechts, sondern ist gemäß § 10 StVO und § 42 StVO ein verkehrsberuhigter Bereich, bei dem Fahrzeugverkehr, Fußgängerverkehr und spielende Kinder im Schritttempo erlaubt sind.[2] Er wurde – nach ersten Modellversuchen ab 1977 – im Jahre 1980 in die StVO eingeführt.

Der verkehrsberuhigte Bereich – umgangssprachlich häufig falsch als Spielstraße, seltener Wohnstraße und auch als Wohnverkehrsstraße bezeichnet – wird durch das Verkehrszeichen 325.1 gekennzeichnet und dient der Verkehrsberuhigung in geschlossenen Ortschaften.

In der Stadtplanung wird eine Wohnstraße baulich meist ohne Trennung der Verkehrsarten (Fahrzeugverkehr, Fußgängerverkehr) durch Fahrbahn und Bürgersteig, Zulassung des Anliegerverkehrs und die Schrittgeschwindigkeit fördernden Straßenbelag (Aufpflasterung) konzipiert.[3]

Niederlande[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Erf-Verkehrsschild mit Tempo-15-Gebot in Rijswijk (Zuid-Holland)

In den Niederlanden entstand in Delft 1972 der Begriff des „Wohnhofs“ (niederländisch Woonerf), um die zunehmende Motorisierung auf bestimmten städtischen Straßen zu verringern.[4] Im Jahre 1976 wurde sie per Gesetz legalisiert.[5] Sie soll vorwiegend in Wohngebieten errichtet werden, bis 1983 wurden mehr als 2700 solcher Straßen gebaut.

Österreich[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Österreich griff das niederländische Konzept auf und verankerte 1983 den Rechtsbegriff der Wohnstraße in § 76b StVO. In einer solchen Wohnstraße ist der Fahrzeugverkehr verboten; ausgenommen davon sind der Fahrradverkehr, das Befahren mit Fahrzeugen des Straßendienstes, der Müllabfuhr, des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der Feuerwehr in Ausübung des Dienstes sowie das Befahren zum Zwecke des Zu- und Abfahrens. In Wohnstraßen ist das Betreten der Fahrbahn und das Spielen gestattet. Der erlaubte Fahrzeugverkehr darf aber nicht mutwillig behindert werden. Parken ist nur auf gekennzeichneten Flächen gestattet, Schrittgeschwindigkeit ist einzuhalten, beim Verlassen der Wohnstraße besteht Nachrang gegenüber anderen Verkehrsflächen.

Aufgrund der Unkenntnis der umfangreichen Regeln wird die Wohnstraße bezüglich Durchfahrtsverbot und Schrittgeschwindigkeit häufig nicht eingehalten und erfüllt daher oft nicht den erwünschten Zweck.

Die jeweils zuständige Straßenbehörde (z. B. die Gemeinde) kann, wenn es die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des Verkehrs, insbesondere des Fußgängerverkehrs, die Entflechtung des Verkehrs oder die Lage, Widmung oder Beschaffenheit eines Gebäudes oder Gebietes erfordert, durch Verordnung Straßenstellen oder Gebiete dauernd oder zeitweilig zu Wohnstraßen erklären.

Dies ist mit dem entsprechenden Verkehrszeichen kundzumachen. Dieses Zeichen darf nur auf der Fahrbahn angebracht werden und nicht etwa am Gehsteig oder auf einem angrenzenden Grünstreifen. Weitere Verkehrszeichen auf demselben Schildermast sind nicht erlaubt.

Schweiz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Verkehrszeichen der Begegnungszone in der Schweiz

Mit dem Bedürfnis nach mehr Verkehrssicherheit, Lebensqualität und Bewegungsfreiraum in dicht besiedelten Wohnquartieren, in denen private und öffentliche Freiflächen Mangelware sind, wurde 1979 nach niederländischem Vorbild in der Schweiz die Wohnstrasse eingeführt.[6] Die Begegnungszone löste ab Januar 2002 durch die revidierte Signalisationsverordnung[7] sukzessive die Wohnstrasse ab.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Klaus-Jürgen Evert (Hrsg.), Lexikon - Landschafts- und Stadtplanung, 2001, S. 747
  2. Harald Gerhards/Helmut Keller, Lexikon Baufinanzierung von A bis Z, 1993, S. 577
  3. Klaus Müller-Ibold, Einführung in die Stadtplanung, Band 2: Leitgedanken, Systeme und Strukturen, 1996, S. 202
  4. Arzu Kalin, Change-Transformation And Critique of Urban Spaces, 2023, S. 265
  5. Timothy Stillings/Ian Lockwood, West Palm Beach Traffic Calming The Second Generation, 2003, S. 3
  6. Thomas Schweizer, Begegnungszonen in der Schweiz – ein Erfolgsmodell, in: Fussverkehr Schweiz, 2010, S. 1 f.
  7. Amtsdruckschriften: AS 2001, 2017