Zeitungsviertel

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Als Zeitungsviertel bezeichnet man einen Teil der südlichen Friedrichstadt in Berlin, in dem über 500 Betriebe des grafischen Gewerbes, Druckereien und Verlagshäuser ihren Sitz hatten.[1] Das Kerngebiet lag zwischen der Leipziger Straße im Norden, der Wilhelmstraße im Westen, der Axel-Springer- und Lindenstraße im Osten sowie dem Mehringplatz im Süden.[2]

Geschichte des Zeitungsviertels[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Zeitungsviertel entstand Ende des 19. Jahrhunderts im Zuge der Industrialisierung der Druckbranche. 1867 gründete Rudolf Mosse hier die Annoncen-Expedition Rudolf Mosse und produzierte ab 1872 das Berliner Tageblatt, ab 1889 die Berliner Morgen-Zeitung sowie ab 1904 die Berliner Volks-Zeitung. Schon 1877 folgte der Ullstein Verlag mit der Berliner Zeitung, die im eigens dafür angelegten Ullstein-Komplex gedruckt wurde. Weitere Ullstein-Zeitungen waren zum Beispiel die Berliner Morgenpost oder die B.Z. am Mittag.[3] 1883 legte August Scherl eine Zeitschrift mit Anzeigen- und Stellenmarkt, den Berliner Lokal-Anzeiger auf. Damit wuchs das Viertel um die Jahrhundertwende zum weltweit größten Zeitungsviertel.[4] 1879 wurde die damalige Reichsdruckerei gegründet; sie zog in Liegenschaften am Rande des Zeitungsviertels. Heute hat hier die Bundesdruckerei in der Kommandantenstraße ihren Sitz. Das Viertel wurde 1919 als einer der Hauptschauplätze des Spartakusaufstandes bekannt.

Im Zweiten Weltkrieg wurde das Gebiet durch einen alliierten Luftangriff am 3. Februar 1945 stark zerstört.[2] Durch den Bau der Berliner Mauer änderte sich die Situation grundlegend: So wurde beispielsweise in der Schützenstraße (nunmehr im Ostteil Berlins) die Druckerei des Druckhauses Berlin-Mitte in einen volkseigenen Betrieb, den VEB Industriedruck umgewandelt.[5] Das Gebiet rückte erneut in das Interesse der Druckindustrie, als 1967 Axel Springer den Hauptsitz seines Unternehmens von Hamburg nach Berlin verlegte. Er errichtete in unmittelbarer Nähe zur Mauer das nach ihm benannte Axel-Springer-Hochhaus. 1989 bezog die tageszeitung in der Kochstraße (heute: Rudi-Dutschke-Straße 23) – und damit in direkter Nähe zum Springer-Konzern – ein Gebäude, das zuvor von Filmschaffenden genutzt wurde.[6] 1993 wurde die Druckerei des Axel-Springer-Verlages nach Spandau ausgelagert. Anstelle der einstmals denkmalgeschützten Druckhalle entstand die Axel-Springer-Passage.

Der Ursprung des Zeitungsviertels – das Mossehaus – befindet sich aktuell noch an der Ecke Schützen- und Jerusalemer Straße mit der von Erich Mendelsohn in den 1920er Jahren entworfenen Architektur. Das Gebäude ist heute denkmalgeschützt und war von 2006 bis 2023 unter anderem Sitz des Leibniz-Zentrums für Literatur- und Kulturforschung Berlin. In diesem Gebäude befand sich bis 2013 mit dem Druckhaus Berlin-Mitte eine der größten Druckereien der Stadt.

Heutige Nutzung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Von den Verlagsgebäuden ist heute nur noch das Axel-Springer-Hochhaus mit der Axel-Springer-Passage vorhanden. An der Stelle des Ullstein-Komplexes befindet sich heute das GSW-Hochhaus der GSW Immobilien.[7] An den Ullstein-Verlag erinnert sein Markenzeichen, eine Eule, die vor der Axel-Springer-Passage neben dem Denkmal Väter der Einheit aufgestellt wurde. Wo vor dem Zweiten Weltkrieg kleine Stein- und Buchdruckereien sowie Zeitschriftenverlage ihren Sitz hatten, befindet sich heute ein Geschäftsquartier am Markgrafenpark. Die Gebäude in der Lindenstraße wurden völlig zerstört und im Zuge der Internationalen Bauausstellung 1984 entwickelt. Hier entstanden Wohnungen im sozialen Wohnungsbau. In unmittelbarer Nähe befindet sich noch heute das Kreuzberghaus zum Alten Fritz, ein Hochhaus aus den 1960er Jahren. Es ist nach einer gleichnamigen Gaststätte benannt, die sich in der Zimmerstraße befand.[8] Nach dem Fall der Mauer lag das einst abgelegene Viertel nun wieder mitten in der Stadt. 2000 zog der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger in einen eigens dafür errichteten Neubau in die Markgrafenstraße.[9] 2010 nahm die Zentralredaktion der Deutschen Presse-Agentur ihre Arbeit im Zeitungsviertel auf.[10]

Initiative Berliner Zeitungsviertel e. V.[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im September 2007 gründete eine Reihe Berliner Publizisten, Journalisten und Wissenschaftler die Initiative Berliner Zeitungsviertel. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, „die Geschichte und Gegenwart des Berliner Zeitungsviertels durch eine multimediale Ausstellung im Stadtraum auf attraktive und spannende Weise sichtbar zu machen.“[11]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Wieder Berliner „Zeitungsviertel“. In: Die Zeit. vom 24. Oktober 1957, Nr. 43, abgerufen am 11. September 2011.
  2. a b Zeitungsviertel und Hochburg der Druckindustrie auf zeitungsviertel.de, abgerufen am 11. September 2011.
  3. Arne Reul: Das Berliner Zeitungsviertel. In: Deutschlandradio Kultur, 13. Dezember 2007, abgerufen am 11. September 2011.
  4. Werner von Westhafen: Das Berliner Zeitungsviertel – 1. Teil. In: Kreuzberger Chronik, Oktober 2005, Ausgabe 41, abgerufen am 15. September 2011.
  5. Geschichte zum Druckhaus Berlin-Mitte, auf druckhaus-berlin-mitte.de, abgerufen am 14. September 2011.
  6. Steffen Grimberg: Ein Viertel macht wieder Zeitung. In: taz, 17. Juni 2009, abgerufen am 11. September 2011.
  7. Michael Jespersen: Scheibe, Turm und Pillbox: Sauerbruch/Huttons GSW-Hochhaus in Berlin eröffnet In: BauNetz, 2. September 1999, abgerufen am 11. September 2011
  8. Kreuzberghaus zum Alten Fritz. Bei: zeitungsviertel.de, abgerufen am 11. September 2011.
  9. BDZV und VDZ weihen „Haus der Presse“ in Berlin ein. Pressemeldung des BDZV vom 21. September 2000, abgerufen am 8. Januar 2017.
  10. Pressemeldung der dpa: Die Zentrale der dpa-Redaktion in Berlin. Bei: dpa.de, abgerufen am 15. September 2011.
  11. Initiative Berliner Zeitungsviertel e. V.: Presseinfo zur Gründungsfeier der Initiative Berliner Zeitungsviertel e. V. vom 25. Juni 2007 (PDF-Datei, abgerufen am 11. September 2011).