Justizvollzugsanstalt Bautzen

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Justizvollzugsanstalt Bautzen
Informationen zur Anstalt
Name Justizvollzugsanstalt Bautzen
Bezugsjahr 1904
Haftplätze 462[1]
Mitarbeiter 171[2]
Teil der Gebäude der JVA Bautzen

Die Justizvollzugsanstalt Bautzen ist eine Justizvollzugsanstalt (JVA) im sächsischen Bautzen. Sie befindet sich seit 1990 im Gebäude der Haftanstalt Bautzen I, dem sogenannten „Gelben Elend“. Bekanntheit erlangte Bautzen I als „Speziallager Nr. 4“ der Sowjetischen Militäradministration und als Synonym für politische Verfolgung in der DDR. Bautzen I ist eines von zwei historischen Gefängnissen in Bautzen. Das andere ist Bautzen II, dort befindet sich seit 1993 die Gedenkstätte Bautzen zur Erinnerung an die Opfer beider Bautzener Gefängnisse.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Von der Eröffnung bis zur Nutzung durch die Nationalsozialisten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bautzen I, 1910

1904 wurde am nördlichen Stadtrand von Bautzen die damals modernste Strafvollzugsanstalt im Königreich Sachsen mit 1100 Haftplätzen errichtet. Das Gefängnis orientierte sich in den ersten Jahrzehnten an Plänen zur Einführung eines reformerischen, menschenwürdigen und nach liberalen Grundsätzen gestalteten Strafvollzugs.

Seit Beginn des Ersten Weltkrieges diente Bautzen auch zur Unterbringung russischer, französischer und britischer Kriegsgefangener.

Bautzen I und das Gerichtsgefängnis Bautzen II wurden 1923 zu den „Vereinigten Gefangenenanstalten“ zusammengeschlossen. Die Liberalisierung des Strafvollzugs in der Weimarer Republik ab 1924 führte auch in Bautzen I zur Stärkung der Gefangenenrechte und zur Verbesserung der Haftbedingungen.

Das änderte sich mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten. Zwischen 1933 und 1945 waren in Bautzen I politische Gegner aus der SPD und der KPD (so beispielsweise 1943/44 Ernst Thälmann) und Angehörige weiterer von den Nazis verfolgter religiöser Gruppen, wie Zeugen Jehovas, Reformadventisten und kirchliche Oppositionelle, inhaftiert. Dabei arbeitete die Gefängnisleitung eng mit der Gestapo zusammen.

Speziallager in der Sowjetischen Besatzungszone[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Mai 1945 errichtete die Sowjetische Militäradministration (SMAD) auf dem Gelände der Haftanstalt das „Speziallager Nr. 4“. Aufgabe dieses Internierungslagers war zunächst die Unterbringung von NS- und Kriegsverbrechern. Ab 1946 inhaftierte man in Bautzen I aber zunehmend von den Sowjetischen Militärtribunalen (SMT) verurteilte Stalinismus-Gegner. Sie wurden im Zellenbau untergebracht, die Internierten im Barackenlager.[3] Unter den verurteilten Insassen waren auch sowjetische Militärangehörige. In der Haftanstalt Bautzen waren ab 1946 bis zu 7000 Häftlinge unter unmenschlichen Bedingungen untergebracht, damit war das Gefängnis ständig überbelegt. In einem als Einzelzelle geplanten Raum lagen normalerweise fünf, vereinzelt auch sechs Mann. Mehr als 27.000 Häftlinge durchliefen bis 1950 das Speziallager Bautzen. Bis 1956 starben etwa 3000 Häftlinge in Bautzen, die in anonymen Massengräbern auf dem nahen „Karnickelberg“ bestattet wurden.[4] 1992 wurden bei gezielten Grabungen in früheren Schützengräben die sterblichen Überreste von 180 Menschen gefunden.

Vor den Zellenfenstern wurden große Blechblenden montiert, die keinerlei Ausblick mehr zuließen. Solche Blechblenden wurden im Sommer 1946 auch an den Fenstern des Hauptgebäudes angebracht, das ab September 1946 als Erweiterung der Strafanstalt diente. Die bis dahin dort untergebrachten Speziallagerhäftlinge kamen per Güterzugtransport in andere solche Lager.

Mit dem offiziellen Abschluss der Entnazifizierung in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) 1948 wurde etwa die Hälfte der in Bautzen Internierten entlassen, wie gleichzeitig auch aus anderen Lagern, und einige Lager aufgelöst. Die restlichen Häftlinge wurden auf die drei verbliebenen, neu durchnummerierten Speziallager verteilt: Nr. 1 = Sachsenhausen, Nr. 2 = Buchenwald, Nr. 3 = Bautzen, wo sie bis 1950, teilweise sogar bis 1956 in Haft blieben.

Zuchthaus in der DDR[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Februar 1950 übergab die sowjetische Besatzungsmacht Bautzen I der DDR. Damit wurde das Speziallager (ebenso wie Buchenwald und Sachsenhausen) offiziell aufgelöst, wobei ca. 6000 SMT-Verurteilte weiterhin in der Haftanstalt blieben.

Im März 1950 kam es in der Anstalt zu zwei Häftlingsaufständen, die von der Deutschen Volkspolizei niedergeschlagen wurden. Im Zuge dieses Aufstandes gelangten zwei Briefe der Häftlinge als Hilferuf in die Bundesrepublik, wo sie von Herbert Wehner beim Parteitag der SPD vorgelesen wurden. Durch diese Briefe wurde die Öffentlichkeit auf Bautzen als Ort politischer Verfolgung aufmerksam. Außerdem tauchte in ihnen das erste Mal die Bezeichnung „Gelbes Elend“ (in Anspielung auf die gelben Klinkerfassaden und -mauern) für die Haftanstalt Bautzen I auf.[5]

Seit den 1950er Jahren diente Bautzen I in erster Linie zur Inhaftierung von mehrfach Vorbestraften und Langzeithäftlingen. Erst 1956 wurden die letzten SMT-Verurteilten aus Bautzen entlassen. Ab 1975 unterhielt Bautzen I auch einen besonders unmenschlichen Haftbereich, die „Abteilung für besserungsunwillige Häftlinge“, welche vom MfS Dresden für solche Strafgefangenen eingerichtet worden war, die nicht mehr für die DDR arbeiten wollten, da sie schon Ausreiseanträge gestellt hatten.

„Bautzen“ galt in der DDR als bekanntester Haftort für politische Gefangene. Trotz der Tabuisierung des Strafvollzugs in der Öffentlichkeit erlangte das Gefängnis mit Redewendungen wie „Ab nach Bautzen!“ sprichwörtlichen Rang und in der Wendezeit forderten Demonstranten: „Für Erich und Konsorten öffne Bautzen seine Pforten!“[6]

Im wiedervereinigten Deutschland[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seit 1990 ist Bautzen I eine Justizvollzugsanstalt des Landes Sachsen und dient dem Vollzug von Freiheitsstrafen von Männern. Rund 380 Menschen sitzen im geschlossenen Vollzug ein. Darüber hinaus verfügt die Anstalt über 42 Haftplätze im offenen Vollzug, 40 Haftplätze in der Sicherungsverwahrung, sowie eine kleine Abteilung mit jugendlichen Straftätern. Im geschlossenen Vollzug werden mehrere Aus- und Weiterbildungsprogramme angeboten, darunter auch eine Ausbildung zum Tischler mit fünf Plätzen pro Jahr.

Als einzige Justizvollzugsanstalt in Sachsen verfügt Bautzen I über eine Anstaltskirche. Diese fasst rund 600 Sitzplätze.

An die Opfer von Bautzen I erinnert seit 1993 die Gedenkstätte Bautzen.

Bautzen in der öffentlichen Wahrnehmung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Insbesondere in den ersten Nachwendejahren wurde „Bautzen“ als ein Inbegriff des DDR-Unrechtes auch über die deutschen Grenzen hinaus bekannt. Dazu beigetragen haben die Initiativen ehemaliger Häftlinge, wie das Bautzen-Komitee e. V., und eine ausführliche Berichterstattung in der deutschen Presse. Da einige bedeutende Schriftsteller in Bautzen gefangen gehalten wurden, haben diese ihre Erlebnisse auch literarisch verarbeitet. Bautzen war jedoch nicht der einzige Ort der DDR, an dem Menschen auch aus politischen Gründen inhaftiert waren. In öffentlichen Äußerungen wurden die Verbrechen der Sowjetischen Besatzungsmacht fälschlicherweise auch der DDR angerechnet. Begriffe wie „Gelbes Elend“ (Haftanstalt Bautzen I) und „Stasi-Knast“ (Haftanstalt Bautzen II) wurden und werden häufig vermengt. Bautzen war aber nur eines (und auch nicht das größte) von zehn Speziallagern der Sowjetischen Besatzungszone.

Prominente Häftlinge[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Haftanstalt der Weimarer Republik (1918–1933)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Haftanstalt des NS-Regimes (1933–1945)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Speziallager der Sowjetischen Militäradministration (1945–1956)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Haftanstalt der DDR (1956–1989)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Karl Wilhelm Fricke: Humaner Strafvollzug und politischer Missbrauch. Zur Geschichte der Strafvollzugsanstalten in Bautzen 1904 bis 2000. In: Sächsisches Staatsministerium der Justiz (Hrsg.): Sächsische Justizgeschichte. Band 10. Dresden 1999.
  • Susanne Hattig, Silke Klewin, Cornelia Liebold, Jörg Morré: Geschichte des Speziallagers Bautzen. 1945–1956. Katalog zur Ausstellung der Gedenkstätte Bautzen. Hrsg.: Stiftung Sächsische Gedenkstätten (= Schriftenreihe der Stiftung Sächsische Gedenkstätten zur Erinnerung an die Opfer politischer Gewaltherrschaft. Band 11). Sandstein Verlag, Dresden 2004, ISBN 3-937602-29-1.
  • Ronny Heidenreich: Aufruhr hinter Gittern. Das 'Gelbe Elend' im Herbst 1989. Leipziger Universitätsverlag, Leipzig 2009, ISBN 978-3-86583-361-7.
  • Winfried Köhler: Die Hoffnung gab uns Kraft. Pro Business, Berlin 2003, ISBN 3-937343-00-8.
  • Ruf aus Bautzen: Blätter aus der STVE Bautzen, ZDB-ID 1154320-6

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. http://www.justiz.sachsen.de/jvabz/content/612.htm
  2. http://www.justiz.sachsen.de/jvabz/content/612.htm
  3. "Die SMT-Verurteilten gehörten nicht zu den Speziallager-Insassen und waren auch völlig isoliert untergebracht" nach: Sergej Mironenko, Lutz Niethammer, Alexander v. Plato (Herausgeber), Sowjetische Speziallager in Deutschland 1945 bis 1950, Band 1 Studien und Berichte, Akademie Verlag, Berlin 1998, ISBN 3-05-002531-X.
  4. Susanne Hattig, Silke Klewin, Cornelia Liebold, Jörg Morré: Geschichte des Speziallagers Bautzen. 1945–1956. Katalog zur Ausstellung der Gedenkstätte Bautzen 2004, S. 111.
  5. Jörg Müller: Strafvollzugspolitik und Haftregime in der SBZ und in der DDR: Sachsen in der Ära Ulbricht 2012, S. 161.
  6. Zitate bei Silke Klewin: Bautzen. In: Martin Sabrow (Hrsg.): Erinnerungsorte der DDR. Beck, München 2009, ISBN 978-3-406-59045-0, S. 51.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Justizvollzugsanstalt Bautzen I – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Koordinaten: 51° 11′ 24,5″ N, 14° 25′ 58,1″ O