Memantin

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Strukturformel
Strukturformel von Memantin
Allgemeines
Freiname Memantin
Andere Namen

3,5-Dimethyltricyclo[3.3.1.13,7]decanamin (IUPAC)

Summenformel
Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer
EG-Nummer (Listennummer) 690-724-9
ECHA-InfoCard 100.217.937
PubChem 4054
ChemSpider 3914
DrugBank DB01043
Wikidata Q412189
Arzneistoffangaben
ATC-Code

N06DX01

Wirkstoffklasse

Antidementivum

Eigenschaften
Molare Masse
  • 179,31 g·mol−1 (Memantin)
  • 215,76 g·mol−1 (Memantin·Hydrochlorid)
Aggregatzustand

fest

Schmelzpunkt

258 °C oder 290–295 °C (Memantin·Hydrochlorid)[1]

Löslichkeit

löslich in Wasser (Memantin·Hydrochlorid)[1]

Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[2]

Hydrochlorid

keine GHS-Piktogramme

H- und P-Sätze H: keine H-Sätze
P: keine P-Sätze[2]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet.
Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa).

Memantin ist ein Derivat des Amantadins und wird zur Behandlung von moderaten bis schweren Demenz-Formen vom Alzheimer-Typ eingesetzt. Es ist der einzige Vertreter der Klasse der NMDA-Rezeptor-Antagonisten (NMDA = N-Methyl-D-Aspartat) bei den Anti-Alzheimer-Medikamenten. Seine Wirksamkeit wird allerdings kontrovers diskutiert.[3]

Klinische Angaben

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Anwendungsgebiete (Indikationen)

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Memantin ist in Europa und den USA zur Behandlung der moderaten bis schweren Alzheimer-Demenz zugelassen. Außerdem wird es in der Parkinsontherapie als Medikament in der frühen Therapie eingesetzt, genau wie Amantadin selbst.[4] Es findet zunehmend bei psychiatrischen Störungen Anwendung, wo es bei Zwangsstörungen und ADHS positive Hinweise für eine Wirksamkeit gibt.[5][6][7]

Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten

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Memantin verstärkt die Wirkung von Anticholinergika und Dopaminagonisten. Die Wirkung von Neuroleptika und Barbituraten kann abgeschwächt werden. Eine Therapie zusammen mit dem Cholinesterasehemmer Donepezil zeigte in Studien synergistische Effekte.[8]

Unerwünschte Wirkungen

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Nebenwirkungen sind motorische Unruhe, Kopfschmerzen, Müdigkeit, Verwirrtheit, Halluzinationen, Verstopfung, anormaler Gang, Schwindel, Übelkeit, Erbrechen, erhöhte Krampfbereitschaft.[9]

Pharmakologische Eigenschaften

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Wirkungsmechanismus (Pharmakodynamik)

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Memantin ist ein moderat-affiner nichtkompetitiver Antagonist des NMDA-Rezeptors und greift somit am glutamatergen System an.[10] Glutamat ist ein erregender Neurotransmitter im zentralen Nervensystem und Störungen im glutamatergen Neurotransmitter-System spielen eine bedeutende Rolle in der Pathophysiologie primärer Demenzen.

Aufgrund seines spezifischen Bindungsverhaltens am NMDA-Rezeptor blockiert Memantin schädliche Glutamat-Wirkungen, die zu Funktionseinschränkungen und schließlich zum Absterben von Nervenzellen führen. Memantin gibt den mit dem Rezeptor verbundenen Ionenkanal wieder frei, sobald ein physiologisches Signal eintrifft, wie z. B. bei kognitiven Prozessen. Der Lern- und Gedächtnisvorgang kann weiter ablaufen.

Memantin wurde von Merz entwickelt und ist seit 2002 zur Behandlung der Alzheimerschen Krankheit zugelassen. Von Forest wurde Memantin für die USA und von Lundbeck für einige europäische und internationale Märkte lizenziert. Zuvor wurde Memantin unter der Bezeichnung Akatinol für die Behandlung spastischer Leiden, des hirnorganischen Psychosyndroms, Parkinson-Krankheit bzw. leichter und mittelschwerer Hirnleistungsstörungen eingesetzt.[11] Die Umbenennung und Indikationserweiterung ging mit einer erheblichen Preiserhöhung einher.[11][12]

In verschiedenen Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass das cholinerge Defizit nicht alleinverantwortlich für die Demenz-Pathologie ist, sondern Störungen im glutamatergen Neurotransmitter-System entscheidend an der Pathologie der Demenzen beteiligt sind.[13] Deshalb ist die Modulation der Glutamat-Wirkung im Gehirn, die vorwiegend über NMDA-Rezeptoren erfolgt, ein neuer Behandlungsansatz.

Die Memantin-Therapie führt bei mittelschwerer bis schwerer Alzheimersymptomatik bei den drei Kerndomänen (Kognition, Alltagskompetenz, klinischer Gesamteindruck) nach sechs Monaten zu statistisch signifikanten, insgesamt jedoch geringen Besserungen bzw. Verzögerungen der Symptomatik verglichen mit einer Placebobehandlung.[14] Weiterhin kann die Behandlung mit diesem Antidementivum laut einer Auswertung von zwei randomisierten Studien unter Beteiligung des Herstellers Merz dazu beitragen, demenzbedingte Verhaltensstörungen zu vermindern.[15]

Das deutsche Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen untersuchte 2009 im Rahmen einer Arzneimittelbewertung alle öffentlich zugänglichen Studien sowie die vom Hersteller zur Verfügung gestellten Studiendaten und kam zu dem Schluss, dass es keinen Beleg für einen Nutzen der Memantin-Therapie bei Patienten mit Alzheimer-Demenz gebe. In den Bereichen „Aktivitäten des täglichen Lebens“ und „kognitive Leistungsfähigkeit“ würden sich zwar Effekte der Memantin-Therapie zeigen. Aufgrund der geringen Ausprägung dieser Effekte sei deren Relevanz jedoch fraglich, sodass sich ein Nutzen der Memantinbehandlung daraus nicht ableiten ließe.[16]

Aufgrund der von der Firma Merz im Nachgang berechneten und an den G-BA übermittelten Responderanalysen ergibt sich folgende Änderung des Fazits des Abschlussberichts: „Hinsichtlich der Vermeidung einer relevanten Verschlechterung im Bereich der kognitiven Leistungsfähigkeit ergibt sich der Beleg für einen Nutzen von Memantin bei Patienten mit Alzheimer-Demenz. Im Bereich der alltagspraktischen Fähigkeiten ergibt sich bei Beachtung der unsicheren Responsekriterien und der gleichzeitig geringen Größe des Effekts ein Hinweis auf einen Nutzen von Memantin.“[17]

Die Synthese aus 1,3-Dimethyladamantan ist beschrieben.[18]

Monopräparate

Memando (D), Axura (D, A, CH), Ebixa (D, A, CH)

Commons: Memantin – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. a b The Merck Index: An Encyclopedia of Chemicals, Drugs, and Biologicals. 14. Auflage. Merck & Co., Whitehouse Station NJ 2006, ISBN 0-911910-00-X, S. 1007.
  2. a b Datenblatt Memantine hydrochloride bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 15. Juni 2011 (PDF).
  3. Gemeinsame Stellungnahme zu Memantin der Deutschen Gesellschaft für Neurologie und der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde vom 27. Oktober 2010 (PDF; 225 kB).
  4. Klaus Aktories, Ulrich Förstermann, Franz Hofmann, Klaus Starke: Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie. 10. Auflage. Elsevier, Urban & Fischer, München / Jena 2009, ISBN 978-3-437-42522-6.
  5. M. Haghighi, L. Jahangard, H. Mohammad-Beigi: In a double-blind, randomized and placebo-controlled trial, adjuvant memantine improved symptoms in inpatients suffering from refractory obsessive-compulsive disorders (OCD). In: Psychopharmacology. Band 228, Nr. 4, August 2013, S. 633–640, doi:10.1007/s00213-013-3067-z, PMID 23525525 (englisch).
  6. Martin Winkler: Memantine als neues Medikament für ADS/HKS? Web4Health.info, 12. März 2007. Abgerufen am 23. September 2013.
  7. C. B. Surman, P. G. Hammerness, C. Petty, T. Spencer, R. Doyle, S. Napolean, N. Chu, D. Yorks, J. Biederman: A pilot open label prospective study of memantine monotherapy in adults with ADHD. In: The world journal of biological psychiatry: the official journal of the World Federation of Societies of Biological Psychiatry. Band 14, Nummer 4, Mai 2013, S. 291–298, doi:10.3109/15622975.2011.623716. PMID 22436083.
  8. P. N. Tariot u. a.: Memantine Treatment in Patients With Moderate to Severe Alzheimer Disease Already Receiving Donepezil: A Randomized Controlled Trial. In: J. Am. Med. Assoc. Band 291, Nr. 3, 2004, S. 317–324. PMID 14734594, doi:10.1001/jama.291.3.317.
  9. Joint Formulary Committee (2004). British National Formulary (BNF) (47 ed.). London: British Medical Association and the Royal Pharmaceutical Society of Great Britain, ISBN 0-85369-584-9.
  10. J. Kornhuber, J. Bormann, W. Retz, M. Hübers, P. Riederer: Memantine displaces [3H]MK-801 at therapeutic concentrations in postmortem human frontal cortex. In: Eur. J. Pharmacol. 166, 1989, S. 589–590. PMID 2680528
  11. a b Umgewidmet: Memantin (Axura, Ebixa). In: Arznei Telegramm. Jg. 33, Nr. 9, 2002, S. 91; arznei-telegramm.de (PDF; 103 kB)
  12. T. Kaiser: Axura-Preis dem Mehrwert angepasst? In: Arznei-Telegramm. Jg. 33; Nr. 8, 2002, S. 86. arznei-telegramm.de (PDF; 108 kB)
  13. J. T. Greenamyre, A. B. Young: Excitatory amino acids and Alzheimer’s disease. In: Neurobiol Aging. Band 10, Nr. 5, 1989, S. 593–602. doi:10.1016/0197-4580(89)90143-7.
  14. R. McShane, A. Areosa Sastre, N. Minakaran: Memantine for dementia (Cochrane Review). In: The Cochrane Database of Systematic Reviews. Nr. 2, 2006, Art. No.: CD003154. doi:10.1002/14651858.CD003154.
  15. Gauthier u. a.: Effects of memantine on behavioural symptoms in Alzheimer’s disease patients: an analysis of the Neuropsychiatric Inventory (NPI) data o two randomised, controlled studies. In: Int J Geriatr Psychiatry. Nr. 20, 2005, S. 459–464. doi:10.1002/gps.1341.
  16. Kurzfassung (PDF; 257 kB) zum Bericht Memantin bei Alzheimer Demenz. Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, 10. September 2009.
  17. Responderanalysen zu Memantin bei Alzheimer Demenz (PDF). Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, Rapid Report A10-06, 28. März 2011
  18. Axel Kleemann, Jürgen Engel, Bernd Kutscher, Dietmar Reichert: Pharmaceutical Substances. 4. Auflage. 2 Bände. Thieme-Verlag, Stuttgart 2000, ISBN 1-58890-031-2; seit 2003 online mit halbjährlichen Ergänzungen und Aktualisierungen.