Kleiner Ackerwurm

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Kleiner Ackerwurm

Der Kleine Ackerwurm erscheint mehrfarbig durch die innere, gelbe Körperflüssigkeit

Systematik
Stamm: Ringelwürmer (Annelida)
Klasse: Gürtelwürmer (Clitellata)
Ordnung: Wenigborster (Oligochaeta)
Familie: Regenwürmer (Lumbricidae)
Gattung: Allolobophora
Art: Kleiner Ackerwurm
Wissenschaftlicher Name
Allolobophora chlorotica
(Savigny, 1826)

Der Kleine Ackerwurm (Allolobophora chlorotica) ist eine Art der Regenwürmer. Die Art bevorzugt menschengemachte Habitate wie Äcker, Wiesen, auch Gärten. Er findet sich häufig in schweren, feuchten Böden, auch in Gewässernähe.

Der Kleine Ackerwurm ist 3 bis 7[1] oder bis 8[2] Zentimeter lang bei einem Körperdurchmesser von 2 bis 4[1] bzw. 3 bis 7[2] Millimetern, es handelt sich damit um einen kleineren bis mittelgroßen Regenwurm. Der Körper besteht bei ausgewachsenen Exemplaren in Ungarn aus 60 bis 140[1], in England aus 80 bis 138[2] Segmenten. Da Regenwürmer ein Leben lang weiterwachsen, indem sie am Hinterende neue Segmente hinzufügen, sind die Angaben zur Körpergröße vom erreichten Lebensalter abhängig. Der Körper zeigt die typische zylindrische Form der Regenwürmer, das Hinterende kann etwas abgeflacht sein.

Charakteristisch für die Art ist die grünliche Färbung. Ältere Tiere können dunkelgrün gefärbt sein, junge Exemplare eher gelbgrün.[2] Manchmal sind sie unpigmentiert und können dann fleischfarben aussehen. In manchen Werken angegebene braune oder bräunliche Färbung einiger Exemplare[1] geht vermutlich auf falsch zugeordnete Tiere zurück. Alle Arten der Gattung Allolobophora sind nach neueren Untersuchungen grün pigmentiert oder unpigmentiert, braun gefärbte wurden in andere Gattungen transferiert.[3]

Weitere Merkmale sind: Der Ackerwurm gehört zu den Regenwürmern mit sog. epilobem Prostomium, d. h. der Kopflappen am ersten, borstenlosen, Körpersegment, der die Mundöffnung überwölbt, erreicht nach hinten nicht die Intersegmentalfurche, d. h. er teilt das Segment nicht. Die ersten Dorsalporen (am Grund der Intersgmentalfurchen einmündende Poren in der Rückenmitte) sitzen zwischen dem vierten und fünften, alternativ seltener zwischen dem fünften und sechsten Körpersegment. Aus den Poren scheidet der Wurm, wenn gestört, reichlich eine gelbe Flüssigkeit aus. Die acht Borsten (Setae) jedes Segments sitzen in den Segmenten hinter dem Gürtel (Clitellum) paarweise sehr nahe benachbart. Geschlechtsreife Würmer weisen den für alle Regenwürmer charakteristischen drüsig angeschwollenen Gürtel (Clitellum) auf, dieser sitzt bei der Art auf den Segmenten 28 oder 29 bis zum Segment 37, er ist sattelförmig. Das Clitellum weist auf der Unterseite paarig angelegte sog. Pubertätsleisten auf, diese sind bei der Art kleine saugnapfartige Bildungen auf den Segmenten 31, 33 und 35, gelegentlich auch auf weiteren. Die männlichen Genitalporen sitzen auf Segment 15. Diese Ausprägung der Pubertätsleisten ist, in Verbindung mit der (wenn pigmentiert) grünlichen Farbe das beste Feldmerkmal zur Unterscheidung von ähnlichen Arten.[1][2][4] Regenwürmer sind aber allein nach Färbungsmerkmalen nicht bestimmbar.

Der Kleine Ackerwurm ist häufig in stark vom Menschen beeinflussten (synanthropen) Lebensräumen. Er kommt vor in Äckern, in Gärten, im Grünland (Wiesen und Weiden). Er fehlt in Wäldern nicht völlig, ist hier aber seltener als im Offenland.[5] Er gehört zu den sogenannten endogäischen Regenwürmern, die im Inneren des Mineralbodens leben und kaum freiwillig zur Bodenoberfläche aufsteigen. Auch die Paarung und die Kotabgabe finden bei ihm im Boden statt.[2] Die Art ist in Bezug auf den Bodentyp nicht wählerisch, bevorzugt aber feuchte Böden mit einem hohen Humusanteil,[1] er kommt so bis in Sümpfe und an Gewässerufer vor. Gemeinsam mit Aporrectodea caliginosa ist er häufig die dominante endogäische Regenwurmart im Kulturland.[2] Die Tiere graben typischerweise in einer Tiefe von etwa 6 Zentimeter, innerhalb des Wurzelfilzes der Pflanzenwurzeln.

Die Art ist, wie typisch für Regenwürmer, ein (simultaner) Zwitter. Es kommt aber nicht zur Selbstbefruchtung, Eier werden nur nach einer Paarung abgelegt, auch diese findet im Boden statt. Die Eier werden in einem Kokon abgelegt, der aus dem Sekret des Clitellums gebildet wird. Die Kokos sind von kugeliger Gestalt und 2,2 bis 4,1 Millimeter lang, sie sind glatt und gelblich gefärbt, meist zu den Polen hin etwas bräunlich. Meist schlüpft pro Kokon nur ein Jungwurm. Dieser ist dann etwa 11 Millimeter lang und unpigmentiert.[2]

Das natürliche Verbreitungsgebiet der Art umfasst die Paläarktis. Er wurde aber fast weltweit in Regionen außerhalb der Tropen eingeschleppt und kommt heute auch in Nord- und im südlichen Südamerika, Afrika und Neuseeland vor.[1] In Europa ist er eine häufige Art. In Deutschland ist er überall verbreitet.[6]

Die Art wurde 1826 von Marie Jules César le Lorgne de Savigny als Enterion chloroticum wissenschaftlich beschrieben. Es ist die Typusart der Gattung Allolobophora. Genetisch ist die Art sehr variabel, dies wurde als eine Aufspaltung in mehrere genetische Linien, möglicherweise kryptische Arten gedeutet, zu denen es freilich zu Hybridisierung bei Kontakt käme.[7] Dass die grün und die rosa getönten Individuen, die unterschiedlichen genetischen Linien angehören, verschiedene Arten repräsentieren können, war schon lange vermutet worden, es konnten aber keine sicheren morphologischen Merkmale angegeben werden. Beide Linien unterscheiden sich aber anscheinend in ihrer ökologischen Präferenz: die grüne kommt eher in feuchten, die rosafarbene in trockenen Lebensräumen vor. Züchtungsversuche mit Tieren aus verschiedenen genetischen Linien zeigt verwickelte Verhältnisse, die möglicherweise auf andauernde Paarungsfähigkeit der weiblichen, nicht aber der männlichen, Paaarungspartner zwischen einzelnen Linien hindeuten.[8]

Einzelnachweise

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  1. a b c d e f g Csaba Csuzdi & András Zicsi: Earthworms of Hungary (Annelida: Oligochaeta, Lumbricidae). Pedozoologica Hungarica No.1. Hungarian Natural History Museum and Systematic Zoology Research Group of the Hungarian Academy of Sciences (editors), Budapest 2003. ISBN 963 7093 81 8. 278 Seiten.
  2. a b c d e f g h R.W. Sims & B.M. Gerard: Earthworms. Keys and notes for the identification and study of the species. Synopses of the British Fauna (New Series) no.31. E.J.Brill, London etc., 1985. ISBN 90 04 07582 8. 171 Seiten.
  3. Alejandro Martínez Navarro, Sergio Jiménez Pinadero, Thibaud Decaëns, Mickaël Hedde, Marta Novo, Dolores Trigo, Daniel Fernández Marchán (2023): Catch-All No More: Integrative Systematic Revision of the Genus Allolobophora Eisen, 1874 (Crassiclitellata, Lumbricidae) with the Description of Two New Relict Earthworm Genera. Journal of Zoological Systematics and Evolutionary Research Volume 2023, Article ID 5479917, 14 Seiten. doi:10.1155/2023/5479917
  4. E. Christian und A. Zicsi (1999): Ein synoptischer Bestimmungsschlüssel der Regenwürmer Österreichs (Oligochaeta: Lumbricidae). Bodenkultur 50: 121-131.
  5. Ulfert Graefe, Jörg Römbke, Ricarda Lehmitz: Die Waldbindung der Regenwürmer (Lumbricidae) Deutschlands. In: Wolfgang H.O. Dorow, Theo Blick, Steffen U. Pauls, Alexander Schneider: Waldbindung ausgewählter Tiergruppen Deutschlands. BfN-Skripten 544. BfN Bundesamt für Naturschutz, Bonn 2019. ISBN 978-3-89624-282-2. S. 17–25.
  6. Ricarda Lehmitz, Jörg Römbke, Stephan Jänsch, Stefanie Krück, Anneke Beylich, Ulfert Graefe (2014): Checklist of earthworms (Oligochaeta: Lumbricidae) from Germany. Zootaxa 3866 (2): 221–245. doi:10.11646/zootaxa.3866.2.3
  7. L.Dupont, D. Porco, W.O.C. Symondson, V. Roy (2016): Hybridization relics complicate barcode-based identification of species in earthworms. Molecular Ecology Resources 16: 883–894. doi: 10.1111/1755-0998.12517
  8. Lise Dupont, Hélène Audusseau, David Porco, Kevin R. Butt (2022): Mitonuclear discordance and patterns of reproductive isolation in a complex of simultaneously hermaphroditic species, the Allolobophora chlorotica case study. Journal of Evolutionary Biology 35: 831–843. doi:10.1111/jeb.14017
  • Matthias Schaefer: Brohmer – Fauna von Deutschland. 19. überarbeitete Auflage, Quelle & Meyer Verlag, Wiesbaden 1994, ISBN 3-494-01225-3; S. 102.
  • Bernhard Klausnitzer (Hrsg.): Stresemann, Exkursionsfauna von Deutschland. Band 1: Wirbellose (ohne Insekten). Springer-Spektrum, Berlin, 9. Auflage 2019. ISBN 978-3-662-55353-4; S. 369.
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