Qabus-nama

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Die letzte Seite des Qabus-nama aus einer Ausgabe von 1349 (Befindet sich im Malek-Nationalbibliothek und -museum in Teheran).

Das Qabus-nama oder Qābus nāmeh (persisch قابوسنامه, DMG Qābūs-nāma, ‚Qabus-Buch‘)[1] ist eines der bedeutendsten persischsprachigen Prosawerke des 11. Jahrhunderts. Der in viele Sprachen übersetzte Fürstenspiegel wurde von Unsur al-Maali Kai-Kawus ibn Iskandar ibn Qabus[2] (ca. 1021–1087), einem persischen Fürsten aus der Dynastie der Ziyariden, verfasst und ist seinem Sohn Gilan-Schah gewidmet. Er soll um 1082 fertiggestellt worden sein und besteht aus vierundvierzig Kapiteln.[3] Sein Titel stammt nicht von seinem Verfasser.

Das Werk wurde zum ersten Mal von Heinrich Friedrich von Diez, dem Königlichen Preussischen Geheimen Legations-Rath und Prälaten, ehemals außerordentlichem Gesandten und bevollmächtigten Minister des Königs am Hofe zu Konstantinopel, ins Deutsche übersetzt (erschienen 1811) und hatte großen Einfluss auf Goethe[4], dem es als Inspirationsquelle für seinen West-östlichen Divan diente.

Textauszug: Vorschriften und Regeln der Musiker (36. Kap., Übersetzung Diez)

„Wisse, mein Sohn! wenn du zur Musikkunst Lust hast und sie erlernen willst: so musst du wohlgesittet und freundlich, nicht übergeartet und ungeschlacht seyn. Soviel es möglich ist, gebrauch immer wohlriechende Sachen als Weyrauch, Bisam und Rosenwasser und dergleichen und trag sie bey dir, um überall, wohin du gehst, angenehme Gerüche an dir zu haben. Sey auch immer einnehmend im Reden, denn obgleich die Musiker Männer sind: so muss doch ihr ganzes Betragen weiblich seyn.
Wenn du in Gesellschaften kömmst: so spiele weder immer leicht Gesänge und Melodien noch immer harte und schwere Melodien; denn die in der Versammlung befindlichen Personen sind vielleicht nicht von gleichem Naturel, sondern einander entgegengesetzt, so wie überhaupt die Menschen nicht von einerley Gemüthsart sind. Dies ist die Ursache, dass dem einen angenehm ist, was dem andern unangenehm vorkömmt. Aus diesem Grunde haben auch die Lehrer unter den Musikern für diese Kunst eine gewisse Ordnung festgesetzt, welche allen verschiednen Naturels, die an einem Orte versammelt seyn mögen, angenehm seyn soll. Sie haben nämlich für den Anfang eine leichte Melodie. Chusrewani genannt, componiert, welche in Kaisergesellschaften aufgeführt wird. Hernach haben sie die schweren Melodien erfunden, so dass sie in der Modulation anzustimmen leicht geworden. Man hat ihnen den Namen, Rachghiran, beygelegt, welches schwerer Gang heisst. Die Compositionen sind also leicht und schwer. Die leichten sind für Fürsten und Kaiser, die schweren sind für alte und gesetzte Männer verfertigt. Da man aber wahrgenommen, dass nicht alle Menschen Kenner der Kunst, noch vom Naturel der Alten sind: so hat man für zarte und junge Leute noch eine Manier eingeführt, wonach man leichte Melodien mit sanften Tönen scherzhafter Gedichte in leichten Sylbenmaassen vermischt und dieser Manier hat man den Namen Bassid (einfach) gegeben, welche zu den leichten gerechnet wird. Wenn also Musiker zur Unterhaltung in eine Versammlung eintreten: so müssen sie eine schwere Melodie vortragen und hinterher eine leichte geben und alsdann sogleich ein Bassid spielen, damit sowohl alte als Junge daran Theil nehmen mögen. Allein diese Melodien sind für Knaben und junge Mädchen nicht dienlich; denn ihr Naturel steht noch gar zu niedrig und ihre Begriffe sind zu mangelhaft. Daher haben ihrenthalben die Lehrer ganz leicht Gesänge und sanfte Töne in Melodien gebracht, damit auch ihnen in diesem Stück ein Vortheil zufliessen möge.[5]

  1. Andere Bezeichnungen lauten Andarz-nāma, Naṣiḥat-nāma und Pand-nāma.
  2. Zum Verfasser, siehe J.T.P. de Bruijn: "KAYKĀVUS Amir ʿOnṣor-al-Maʿāli" in Encyclopaedia Iranica (Online-Text) - Eine Inhaltsangabe liefert Edward Granville Browne in Band 2, S. 276 ff., seiner vierbändigen Literary History of Persia (Cambridge 1928) (siehe Digitalisat)
  3. Die Überschriften lauten (nach Diez): 1. Wie Gott zu erkennen ist 2. Lob der Propheten 3. Dankpreisung Gottes 4. Nutzen der Fülle des Gottesdienstes 5. Pflichten gegen Vater und Mutter 6. Wie Herkunft durch Tugend erhöht wird 7. Nach welchen Regeln man sprechen muss 8. Die letzten Lehren Nuschirewans 9. Der Zustand des Alters und der Jugend 10. Wohlanständigkeit und Regeln beim Essen 11. Verhalten beim Weintrinken 12. Regeln der Gäste und der Einladung der Gäste 13. Auf welche Weise gescherzt und Stein und Schach gespielt werden muss 14. Die Beschaffenheit der Liebenden 15. Der Nutzen und Schaden des Beischlafs 18. Die Ordnung bei der Jagd 19. Wie Ballspiel zu treiben ist 20. Wie man dem Feinde entgegen gehen muss 21. Die Mittel, das Vermögen zu vermehren 22. Die Vorteile, Hinterlagen zu bewahren und ihrem Rückhaber zurückzugeben 24. An welchem orte man Besitzungen ankaufen muss, wenn man sie sich anschafft 25. Wie man Pferde kaufen und die Kennzeichen der besten darunter erkennen muss 26. Wie der Mann ein Weib nehmen muss, wenn er heiratet 27. Die Ordnung bei Auferziehung der Kinder 28. Die Vorteile, sich Freunde zu machen und sie zu wählen 29. Gegen der Feinde Anschläge und Ränke nicht sorglos zu sein 30. Das Verdienstliche der Verzeihung und Vergebungen 31. Wie man Wissenschaft suchen muss 32. Der Kaufhandel 33 Die Regeln der Ärzte und wie man leben muss 34 Die Eigenschaften der Dichter und Dichtkunst 36 Die Regeln der Musiker 37 Die Art, Kaisern zu dienen 38. Der Stand der Vertrauten und Gesellschafter der Kaiser 39. Die Regeln der Kanzlei-Ämter 40. Die Ordnung des Wezirats 41. Die Regeln der Heerführerschaft 42. Die Regeln der Kaiser 43. Die Regeln des Ackerbaus und der Landwirtschaft 44. Die Vorzüge der Tugend.
  4. „Dieses Buch schien mir so bedeutend, dass ich ihm viele Zeit widmete und mehrere Freunde zu dessen Betrachtung aufforderte... Dass ein so vortreffliches, ja unschätzbares Buch nicht mehr bekannt geworden, daran mag hauptsächlich Ursache sein, dass es der Verfasser auf seine eigenen Kosten herausgab und die Firma Nicolai solches nur in Commission genommen hatte, wodurch gleich für ein solches Werk im Buchhandel eine ursprüngliche Stockung entsteht. Damit aber das Vaterland wisse, welcher Schatz ihm hier zubereitet liegt, so setzen wir den Inhalt der Kapitel hierher und ersuchen die schätzbaren Tagesblätter, wie das Morgenblatt und der Gesellschafter, die so erbaulichen als erfreulichen Anekdoten und Geschichten, nicht weniger die großen unvergleichlichen Maximen, die dieses Werk enthält, vorläufig allgemein bekannt zu machen.“ [...] „Diejenige Buchhandlung, die vorgemeldetes Werk in Verlag oder Commission übernommen, wird ersucht, solches anzuzeigen. Ein billiger Preis wird die wünschenswerthe Verbreitung erleichtern.“ (Goethe, zitiert nach diwwan.com: Buch des Kabus (gefunden am 2. März 2012))
  5. Diez, S. 727 ff.
  • Heinrich Friedrich von Diez: Buch des Kabus oder Lehren des persischen Königs Kjekjawus für seinen Sohn Ghilan Schach. Ein Werk für alle Zeitalter aus dem Türkisch-Persisch-Arabischen übersetzt und durch Abhandlungen und Anmerkungen erläutert. Berlin, Selbstvlg., 1811. 867 S. (Digitalisate: a, b)
  • Johann Wolfgang von Goethe: Westöstlicher Divan. Mit den Auszügen aus dem Buch des Kabus herausgegeben von Karl Simrock. Heilbronn, Henninger 1875.
  • Reuben Levy (Hrsg. und Übers.): A Mirror for Princes: The Qabusname. (Kai Kā'ūs b. Iskandar b. Qābūs b. Washmgīr: The Nasīḥat-Nāma known as Qābūs-Nāma.) London, 1951
  • Iradj Khalifeh-Soltani: Das Bild des idealen Herrschers in der islamischen Fürstenspiegelliteratur, dargestellt am Beispiel des Qâbûs-Nâma. Tübingen 1971 (phil. Diss.)
  • Das Qābusnāme: ein Denkmal persischer Lebensweisheit. Übers. und erkl. von Seifeddin Najmabadi in Verbindung mit Wolfgang Knauth. Wiesbaden, Reichert, 1988; ISBN 3-88226-442-X
  • Enfel Doğan: On Translations of Qabus-Nama During the Old Anatolian Turkish Period. In: The Journal of International Social Research, Band 5, Ausgabe 21, Frühjahr 2012, S. 76–86