Antikörper gegen citrullinierte Proteine

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
(Weitergeleitet von CCP-Assay)
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Antikörper gegen citrullinierte Proteine (engl. anti citrullinated protein antibodies, daher kurz: ACPAs) sind Autoantikörper (Antikörper gegen Bestandteile des eigenen Körpers), die bei Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) auftreten. In neuerer Zeit haben die Testsysteme zum serologischen Nachweis der ACPAs die klassische Serodiagnostik über die Rheumafaktoren entscheidend verbessert. Prominenteste Vertreter der ACPA-Testsysteme sind der Nachweis von Autoantikörpern gegen mutiertes citrulliniertes Vimentin (Anti-MCV-ELISA) und der CCP-Assay (Cyclic Citrullinated Peptides).[1] Beide erreichen Sensitivitäten von nahezu 80 % und Spezifitäten von nahezu 98 %.

Die Entdeckung und Identifizierung von citrullinierten Autoantigenen Mitte der 1970er Jahre war eine deutliche Verbesserung der serologischen RA-Diagnostik.[2] Ausgangspunkt war die Entdeckung so genannter Anti-Keratin-Antikörper (AKA) und die Beobachtung, dass der Nachweis dieser Autoantikörper hochspezifisch für die serologische Diagnostik der rheumatoiden Arthritis ist.

Als Zielantigen wurde Fillagrin ausgemacht, ein Strukturprotein, das ausschließlich von keratinproduzierenden Epithelzellen gebildet wird. Weitere Untersuchungen zeigten, dass die AKA ausschließlich an das citrullinierte Fillagrin binden und nicht an das ursprüngliche (nicht-citrullinierte) Protein.[3]

Die Citrullinierung von Proteinen ist ein physiologischer (d. h. natürlicherweise im Körper ablaufender) Prozess; sie erfolgt enzymatisch durch die Desaminierung der Aminosäure Arginin zur Aminosäure Citrullin. Durch die Citrullinierung verändert sich die Ladung des Moleküls, was eine Veränderung der dreidimensionalen Struktur und der antigenen Eigenschaft des Proteins zur Folge hat.[3] In der Folge wird das citrullinierte, veränderte körpereigene Protein vom Immunsystem als körperfremd angesehen. Es kommt zur Bildung autoreaktiver („gegen sich selbst gerichtet“) Antikörper, die das eigene Gewebe attackieren und eine Entzündungsreaktion in Gang bringen. Folge ist eine autoimmune Erkrankung.[4]

Für bestimmte ACPAs ist ein Zusammenhang zwischen dem Antikörper-Titer (die „Konzentration“ der Autoantikörper im Blutserum) und der Krankheitsaktivität belegt, was sie für den behandelnden Rheumatologen zu einem guten Werkzeug für die Prognose der Erkrankung und zu einer guten Basis für die individuelle Therapieentscheidung macht.

ACPA sind neben ihrer Bedeutung für die frühe Diagnose auch wichtig für die Prognose von Gelenkschädigungen bei rheumatoider Arthritis. Bei Patienten mit dieser Erkrankung und positivem ACPA-Befund schreitet im Allgemeinen die Zerstörung der Gelenke schneller voran als bei Patienten mit rheumatoider Arthritis ohne ACPA.[5][6]

Nachdem bekannt war, dass die Citrullinreste die eigentlichen Angriffsstellen für die Antikörper sind, wurde ein erster kommerzieller Nachweistest für die RA-Diagnostik mit künstlich hergestellten Peptiden entwickelt. Zum Einsatz kamen hierbei synthetische citrullinierte Peptidfragmente, deren Enden zu kleinen Peptidringen zusammengefügt wurden. Diese künstlich erzeugten zyklischen citrullinierten Peptide bilden die Basis der so genannten anti-CCP-Tests, die noch immer in der Routine für die Diagnose von rheumatoider Arthritis verwendet werden.

Die guten diagnostischen Eigenschaften des Anti-Citrullin-Nachweises werden zunehmend auch für den Nachweis von Antikörpern gegen citrullinierte Proteine genutzt, die nicht künstlich, sondern in vivo, also im menschlichen Körper erzeugt, synthetisiert und auch citrulliniert werden. Man nimmt heute an, dass die Citrullinierung ein wesentlicher Teil der Pathogenese (Krankheitsentstehung) der rheumatoiden Arthritis ist.

So ist etwa für den Nachweis von Antikörpern gegen citrulliniertes Fibrin eine hohe Spezifität und Sensitivität für die Diagnostik der frühen rheumatoiden Arthritis belegt, wobei die diagnostische Leitungsfähigkeit (Sensitivität ca. 75 %, Spezifität ca. 98 %) dieser Tests ähnlich der des anti-CCP-Nachweises ist.[7] Gleiches wurde auch für den Anti-Fibrinogen-Nachweis bei früher RA gezeigt[8] sowie für den Nachweis von Antikörpern gegen alpha-Enolase.[9][10] Auch der Nachweis von Antikörpern gegen mutiertes citrulliniertes Vimentin ist inzwischen als hochspezifischer serologischer Nachweis für Prognose und Diagnostik gerade der Frühformen der rheumatoiden Arthritis anerkannt.[11][6][12]

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. K Egerer, E Feist, G Burmester: The Serological Diagnosis of Rheumatoid Arthritis – Antibodies to citrullinated Antigens. In: Dtsch Arztebl Int 2009; 106(10): 159-163. doi:10.3238/arztebl.2009.0159 (aerzteblatt.de).
  2. Walther J. van Venrooij, Ger J. M. Pruijn: Citrullination: a small change for a protein with great consequences for rheumatoid arthritis. In: Arthritis Research & Therapy. Band 2, Nr. 4, 24. Mai 2000, S. 249, doi:10.1186/ar95, PMID 11094435.
  3. a b G. A. Schellekens, B. A. de Jong, F. H. van den Hoogen, L. B. van de Putte, W. J. van Venrooij: Citrulline is an essential constituent of antigenic determinants recognized by rheumatoid arthritis-specific autoantibodies. In: Journal of Clinical Investigation. Band 101, Nr. 1, 1. Januar 1998, S. 273–281, doi:10.1172/JCI1316, PMID 9421490, PMC 508564 (freier Volltext).
  4. Bence György, Erzsébet Tóth, Edit Tarcsa, András Falus, Edit I. Buzás: Citrullination: A posttranslational modification in health and disease. In: The International Journal of Biochemistry & Cell Biology. Band 38, Nr. 10, 2006, S. 1662–1677, doi:10.1016/j.biocel.2006.03.008.
  5. L Innala, H Kokkonen, C Eriksson, E Jidell, E Berglin, SR. Dahlqvst: Antibodies against mutated citrullinated vimentin are a better predictor of disease activity at 24 months in early rheumatoid arthritis than antibodies against cyclic citrullinated peptides. In: J Rheumatol. 2008; 35: 1002-1008. (jrheum.org).
  6. a b JJ Luime, EM Colin, JM Hazes, E. Lubberts: Does anti-MCV has additional value as serological marker in the diagnostic and prognostic work-up of patients with rheumatoid arthritis? A systematic review. In: Ann Rheum Dis. 2009 Mar 15. (bmj.com).
  7. B Vander Cruyssen, T Cantaert, L Nogueira, C Clavel, L De Rycke, A Dendoven, M Sebag, D Deforce, C Vincent, D Elewaut, G Serre, F. De Keyser: Diagnostic value of anti-human citrullinated fibrinogen ELISA and comparison with four other anti-citrullinated protein assays. In: Arthritis Res Ther. 2006;8(4):R122. PMID 16859515.
  8. MM Nielen, AR van der Horst, D van Schaardenburg, IE van der Horst-Bruinsma, RJ van de Stadt, L Aarden, BA Dijkmans, D. Hamann: Antibodies to citrullinated human fibrinogen (ACF) have diagnostic and prognostic value in early arthritis. In: Ann Rheum Dis. 2005 Aug;64(8):1199-1204. PMID 15640269.
  9. A Kinloch, V Tatzer, R Wait, D Peston, K Lundberg, P Donatien, D Moyes, PC Taylor, PJ. Venables: Identification of citrullinated alpha-enolase as a candidate autoantigen in rheumatoid arthritis. In: Arthritis Res Ther. 2005;7(6):R1421-R1429. Epub 2005 Oct 19. 53. Jahrgang, Nr. 3, 2007, S. 498–504, PMID 16277695.
  10. V Saulot, O Vittecoq, R Charlionet, P Fardellone, C Lange, L Marvin, N Machour, X Le Loët, D Gilbert, F Tron: Presence of autoantibodies to the glycolytic enzyme alpha-enolase in sera from patients with early rheumatoid arthritis. In: Arthritis Rheum. 2002;46(5):1196-1201.
  11. H Bang, K Egerer, A Gauliard, K Lüthke, PE Rudolph, G Fredenhagen, W Berg, E Feist, GR. Burmester: Mutation and citrullination modifies vimentin to a novel autoantigen for rheumatoid arthritis. In: Arthritis Rheum. 2007 Aug;56(8):2503-2511.
  12. SW Syversen, GL Goll, D van der Heijde, R Landewé, BA Lie, S Odegard, T Uhlig, PI Gaarder, TK. Kvien: Prediction of radiographic progression in rheumatoid arthritis and the role of antibodies against mutated citrullinated vimentin: results from a ten-year prospective study. In: Ann Rheum Dis. 2009 Jul 30. (bmj.com).