Chorion

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
(Weitergeleitet von Chorionhöhle)
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Ein befruchtetes Hühnerei am neunten Tag seiner Entwicklung

Das Chorion (von altgriechisch χόριον ‚Haut, Leder, Nachgeburt‘; auch Serosa genannt) ist die äußere der beiden Fruchthüllen des Embryos bzw. Fetus der „höheren“ Landwirbeltiere (Amniota). Der vom Chorion umschlossene Raum wird auch als Chorion- oder Fruchthöhle bezeichnet.

Der ebenfalls „Chorion“ genannte Bestandteil von Insekten-, Kopffüßer- und Fisch­eiern ist weder homolog noch analog dem Chorion der Amnioten, weil er keine Fruchthülle, sondern lediglich eine Eihülle ist, die noch im Eierstock des Muttertiers von der Eizelle selbst oder von den Follikelepithelzellen abgeschieden wird.[1][2] Das Chorion von Fischeiern ist jedoch homolog der Zona pellucida von Landwirbeltiereizellen.[3]

Plazentale Säugetiere

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Skizzen zum Chorion des Menschen aus „Gray’s Anatomy(20. Aufl., 1918)
Embryo mit Eihäuten, Chorion mit Sekundärzotten („Placental vili“ = Chorion frondosum)
Querschnitt einer sich entwickelnden Tertiärzotte
Schnitt durch eine humane Plazenta („Villus“ = verzweigte Tertiärzotte)

Bei den Theria erfolgt der Stoffaustausch zwischen Mutter und Embryo bzw. Fetus (uteroplazentaler Kreislauf) unter anderem über das Chorion. Bei den plazentalen Säugetieren wird es Zottenhaut genannt und besteht aus dem extraembryonalen Mesoderm und dem Trophoblasten, der äußeren Zellschicht der Blastozyste (eines sehr frühen aber schon schwach differenzierten Embryonalstadiums, das unter anderem auch einen embryonalen und einen adembryonalen Pol aufweist), der sich zu diesem Zeitpunkt bereits in den äußeren Syncytiotrophoblasten und den inneren Cytotrophoblasten differenziert hat. Das Chorion sendet Zotten in Richtung des Endometriums aus, das nach der Einnistung (Nidation) einer befruchteten „Eizelle“ (genauer: der Blastozyste) Decidua graviditatis genannt wird und den Embryo in Form der Decidua capsularis umgibt.

Die Zottenbildung beginnt noch im Blastozystenstadium nach der initialen Etablierung des uteroplazentalen Kreislaufs mit dem Einwachsen der Primärzotten aus dem Cytotrophoblasten in vorgebildete, radiale Einstülpungen (Trabekel) des Syncytiotrophoblasten. Die Trabekel bzw. Primärzotten ragen in einen Hohlraum des Syncytiotrophoblasten (Lacunae) hinein, in den mütterliche Blutkapillaren einmünden. Von innen wächst das extraembryonale Mesoderm in die Primärzotten, die ab diesem Stadium Sekundärzotten genannt werden.

Wenngleich in dieser frühen Phase der Embryonalentwicklung die Lacunen-, Trabekel- und Zottenbildung noch über das gesamte Chorion hinweg erfolgt, ist sie am adembryonalen Pol, der zum Uteruslumen hin weist, besonders schwach ausgeprägt.[4] Später beschränkt sich die Zottenbildung ausschließlich auf den embryonalen Pol, während sich die Zotten im übrigen Teil des Chorion-Decidua-Komplexes wieder zurückbilden. Jener Teil des Chorions, auf den sich die Zottenbildung dann beschränkt und wo sie weiter fortschreitet, wird Chorion frondosum (‚zottenreiches Chorion‘)[5] genannt, jener Teil, in dem sich die Zotten zurückbilden und schließlich verschwinden, wird Chorion laeve (‚glattes Chorion‘) genannt. Das Chorion frondosum ist der embryonale Anteil der Plazenta.

Während sich das Chorion in Chorion frondosa und Chorion laeve differenziert, bilden sich Kapillargefäße in den nicht-degenerierenden Sekundärzotten, durch die embryonales, später fetales, Blut fließt. Mit dem Fortschreiten der Entwicklung bilden diese nunmehr Tertiärzotten genannten Zotten zahlreiche Verzweigungen und der Syncytiotrophoblast zahlreiche Mikrovilli, sodass durch die Oberflächenvergrößerung der während des Wachstums zunehmende Stoffaustauschbedarf zwischen Mutter und Fetus bewältigt werden kann. Der von mütterlichem Blut erfüllte Raum um die Zotten, der den Lacunae der frühen Embryonalentwicklung entspricht, wird bei der voll ausgebildeten Plazenta als intervillöser Raum bezeichnet.

Bei Soranos von Ephesos (2. Jahrhundert n. Chr.) bezeichnete „Chorion“ den gesamten Fruchtsack, bestehend aus dem eigentlichen Chorion sowie dem Amnion.[6]

  • Hartmut Greven: Fortpflanzung und Entwicklung. S. 167–182 in: Wilfried Westheide, Gunde Rieger (Hrsg.): Spezielle Zoologie. Teil 2: Wirbel- oder Schädeltiere. 2. Auflage, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2010, ISBN 978-3-8274-2039-8
  • K. V. Hinrichsen: Embryologische Grundlagen. S. 30–61 in: Christof Sohn, Sevgi Tercanli, Wolfgang Holzgreve (Hrsg.): Ultraschall in Gynäkologie und Geburtshilfe. 2., vollständig überarbeitete Auflage. Thieme, Stuttgart 2003, ISBN 3-13-101972-7, S. 39 ff.
  • Johannes W. Rohen, Elke Lütjen-Drecoll: Funktionelle Embryologie – Die Entwicklung der Funktionssysteme des Menschlichen Organismus. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage. Schattauer, Stuttgart/New York 2006, ISBN 978-3-7945-2451-8
Wiktionary: Chorion – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Chris P. Raven: Oogenesis: The Storage of Developmental Information. Pergamon Press, 1961, S. 43 f.
  2. Anne-Katrin Eggert, Josef K. Müller, Ernst Anton Wimmer, Dieter Zissler: Fortpflanzung und Entwicklung. S. 363–459 in: Konrad Dettner, Werner Peters (Hrsg.): Lehrbuch der Entomologie. 2. Auflage, Spektrum/Elsevier, München 2003, ISBN 3-8274-1102-5, S. 369
  3. Kenji Murata, Fred S. Conte, Elizabeth McInnis, Tak Hou Fong, Gary N. Cherr: Identification of the Origin and Localization of Chorion (Egg Envelope) Proteins in an Ancient Fish, the White Sturgeon, Acipenser transmontanus. Biology of Reproduction. Bd. 90, Nr. 6, 2014, Art.-Nr. 132, doi:10.1095/biolreprod.113.116194 (Open Access).
  4. Birgit C. Hanusch: Anatomie. 1. Allgemeine Embryologie. S. 152–168 in: Hamid Emminger (Hrsg.): Physikum EXAKT: das gesamte Prüfungswissen für die 1. ÄP. 4., überarbeitete und aktualisierte Auflage. Thieme, Stuttgart 2005, ISBN 3-13-107034-X, S. 158 ff.
  5. Franz Pera, Heinz-Peter Schmiedebach: Medizinischer Wortschatz. Terminologie kompakt. 2. Auflage. De Gruyter, Berlin/New York 2010, ISBN 978-3-11-022694-2, S. 38.
  6. Jutta Kollesch, Diethard Nickel: Antike Heilkunst. Ausgewählte Texte aus den medizinischen Schriften der Griechen und Römer. Philipp Reclam jun., Leipzig 1979 (= Reclams Universal-Bibliothek. Band 771); 6. Auflage ebenda 1989, ISBN 3-379-00411-1, S. 95 (Soran, Gynäkologie, Buch I, Kap. 57) und dazu 190 f.