Großer Höckerflohkrebs
Großer Höckerflohkrebs | ||||||||||||
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Großer Höckerflohkrebs (Dikerogammarus villosus) | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Dikerogammarus villosus | ||||||||||||
(Sowinsky, 1894) |
Der Große Höckerflohkrebs (Dikerogammarus villosus) ist ein bis zu 20 mm langer räuberischer Flohkrebs. Er erhielt seinen deutschen Namen erst, nachdem er als Neozoon in fast alle deutschen Gewässersysteme eingewandert war.
Beschreibung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Große Höckerflohkrebs wird bis zu 2 cm lang und gehört damit zu den größeren Vertretern der in Mitteleuropa anzutreffenden Flohkrebse. Seine Färbung ist variabel, weiß-gelblich bis grünlich und oft mit einer deutlichen, dunklen Bänderung versehen. Die Antennen sind rötlichbraun, die Augen rot. Zwei auffällige, kegelförmige Höcker auf den Segmenten des Rückenendes (Urosom) waren ausschlaggebend für die deutschsprachige Benennung. Die Behaarung am Flagellum der zweiten Antennen ist wesentlich länger als die einzelnen Glieder des Flagellums, an der Antennenbasis ist die Behaarung locker. Diese Merkmale unterscheiden den Großen Höckerflohkrebs von seinen Verwandten Dikerogammarus haemobaphes und Dikerogammarus bispinosus.[1]
Verbreitung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ursprünglich in den Unterläufen der ins Schwarze Meer mündenden Flüsse verbreitet, besiedelte er die Donau lange Zeit nur bis zum Mittellauf. Der Krebs trat zum ersten Mal 1992 in der deutschen Donau, 1993 im Main-Donau-Kanal, 1994 im Main und 1995 im Rhein auf, über den er 2002 den Bodensee erreicht hat. 2007 hatte er bereits den Hochrhein bis Stein am Rhein erobert.[2] 1998 wurde die Art in der Weser bei Minden, im Mittellandkanal, Elbe-Seitenkanal, in der Elbe und im Elbe-Havel-Kanal nachgewiesen, in vielen Kanalabschnitten dabei bereits dominant auftretend. Heute ist er auch in der Elbe weit verbreitet, weitere Vorkommen finden sich in Havel und Spree. Das Tier hat inzwischen die Oder erreicht, ist im Westen bereits bis in das Rhone-System vorgedrungen und im Süden im Gardasee nachgewiesen worden. Mittlerweile ist der Höckerflohkrebs auch in einigen Seen im Voralpengebiet, wie etwa dem Zürichsee in hohen Dichten verbreitet. Er wurde hier erst im Februar 2006 entdeckt und hat zuvor offenbar in wenigen Jahren unbemerkt den ganzen See besiedelt.[3] 2010 wurde die Art auch in Großbritannien nachgewiesen. Im März 2023 wurde die Art im schwedischen Vätternsee nachgewiesen.[4]
Lebensraum
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Große Individuen findet man oft unter Steinen oder in Ritzen, wo sie sich mit ihren abgespreizten Peraeopoden (Brustbeinen) III-V verkeilen. Er ist häufig in Kolonien der Wandermuschel. Kleinere Individuen besiedeln auch den oberflächennahen Algenfilz von Steinen und Spundwänden.
Lebensweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Große Höckerflohkrebs ist ein Allesfresser. Er ernährt sich räuberisch als Fressfeind von Gammarus tigrinus (wie er selbst ein Flohkrebs der Unterordnung Gammaridea) und vermutlich wichtiger Räuber von Chelicorophium curvispinum. Seine rasche Ausbreitung ist auf seine große Aggressivität im Biotop zurückzuführen, die bereits zu einer Verminderung der Artenvielfalt und zu lokalem Aussterben bestimmter Spezies geführt hat. Neben der räuberisch erbeuteten Nahrung kann der Große Höckerflohkrebs auch von abgestorbenen Pflanzenresten leben.
Fortpflanzung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Weibchen trägt das stets größere Männchen schon vor der Eiablage auf dem Rücken mit sich herum (Prekopula). Das Weibchen legt die Eier dann in einen Brutraum an der vorderen Bauchseite ab. Nach der Befruchtung durch das Männchen verbleiben die Eier bis zum Ausschlüpfen der fertigen Jungkrebse in diesem Brutraum. Wie alle Flohkrebse betreibt also auch der Große Höckerflohkrebs Brutpflege.
Phylogenie, Taxonomie, Systematik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Große Höckerflohkrebs wurde erstbeschrieben durch den russischen Zoologen Wassili Karlowitsch Sowinski (1853-1917), oft transkribiert als Sowinsky, in seinem 1894 erschienenen Werk Sur les crustacés de la Mer d'Azov als Gammarus marinus var. villosa. Er wurde später zur Art hochgestuft und in die 1899 durch den Briten Thomas Roscoe Rede Stebbing aufgestellte Gattung Dikerogammarus mit einbezogen, in der er bis heute verblieben ist. Die Art gehört in einen genetisch eng verwandten Formenkreis der Flohkrebse mit pontokaspischer Verbreitung.[5] Edward Lloyd Bousfield stellte Dikerogammarus 1977 bei einem Versuch, die heterogene Riesengattung Gammarus und die Gammaridae neu zu gliedern, in die von ihm neu aufgestellte Familie der Pontogammaridae.[6] Später wurde sie aus der Familie wieder ausgegliedert und in die Gammaridae zurück transferiert,[7] wo sie bisher verblieben ist.[8] Nach den genetischen Analysen ist sie mit den bei den Pontogammaridae verbliebenen Gattungen eng verwandt.[9] Es ist unzweifelhaft klar geworden, dass die Familie Gammaridae, wie heute umschrieben, eine polyphyletische, künstliche Gruppe ist, in die die Pontogammaridae (unter anderen) eingeschachtelt sind, so dass deren Anerkennung die Gammaridae paraphyletisch macht. Die Gliederung wurde aber provisorisch so belassen, da derzeit noch keine befriedigende Ersatzlösung möglich ist. Hier sind künftig Änderungen zu erwarten.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Uta Mürle, Andreas Becker und Peter Rey: Ein neuer Flohkrebs im Bodensee. Dikerogammarus villosus (Grosser Höckerflohkrebs). 2003 PDF
- ↑ Krebse müssen zum „Vaterschaftstest“. ORF Vorarlberg, 15. Juni 2007, abgerufen am 26. Dezember 2020.
- ↑ Großer Höckerflohkrebs: Verbreitung in der Schweiz und im Rhonegebiet
- ↑ Ny invasiv art upptäckt i Vättern. Båtliv – Medlemstidning för Svenska Båtunionen, 8. März 2023.
- ↑ Denis Copilaș‑Ciocianu, Dmitry Sidorov (2022): Taxonomic, ecological and morphological diversity of Ponto‑Caspian gammaroidean amphipods: a review. Organisms Diversity & Evolution 22: 285-315. doi:10.1007/s13127-021-00536-6
- ↑ E.L. Bousfield (1977): A New Look at the Systematics of Gammaroidean Amphipods of the World. Crustaceana, Supplement 4 (Studies on Gammaridea, Proceedings of the 3rd International Colloquium on Gammarus and Niphargus, Schlitz, 1975): 282-316.
- ↑ J.K. Lowry, A.A. Myers (2013): A Phylogeny and Classification of the Senticaudata subord. nov. (Crustacea: Amphipoda). Zootaxa 3610 (1): 1–80.
- ↑ Dikerogammarus villosus (Sowinsky, 1894). World Amphipoda Database (part of WoRMS - the World Register of Marine Species). abgerufen am 14. Juni 2024.
- ↑ Tomasz Mamos, Michał Grabowski, Tomasz Rewicz, Jamie Bojko, Dominik Strapagiel, Artur Burzyński (2021): Mitochondrial Genomes, Phylogenetic Associations, and SNP Recovery for the Key Invasive Ponto-Caspian Amphipods in Europe. International Journal of Molecular Sciences 22, 10300. doi:10.3390/ijms221910300
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Neuer Flohkrebs in norddeutschen Kanälen
- Dikerogammarus villosus - Killer Shrimp (PDF; 215 kB)
- Neozoa (Makrozoobenthos) in den deutschen Gewässern
- Der Große Höckerflohkrebs. In: Fauna Europaea Database. European Commission under the Fifth Framework Programme, abgerufen am 27. Februar 2010 (englisch).