Die Dirac-Matrizen (nach dem britischen Physiker Paul Dirac), auch Gamma-Matrizen genannt, sind vier Matrizen, die der Dirac-Algebra genügen. Sie treten in der Dirac-Gleichung auf.
Die Dirac-Matrizen und erfüllen definitionsgemäß die Dirac-Algebra, das heißt, die algebraischen Bedingungen
mit der Einheitsmatrix .
Diese Bedingungen betreffen Antikommutatoren, also die Summe der Produkte zweier Matrizen in beiden Reihenfolgen,
In Indexnotation, in der und
für Zahlen aus stehen, schreiben sich die Bedingungen an die Dirac-Matrizen zusammenfassend als
Dabei sind die Komponenten der Minkowski-Metrik mit Signatur (1,−1,−1,−1).
Zusätzlich zu den vier Gamma-Matrizen definiert man noch die Matrix
Sie ist ihr eigenes Inverses, ist hermitesch, antivertauscht mit den Gamma-Matrizen, und demnach mit jedem Produkt von Gamma-Matrizen mit einer ungeraden Anzahl von Faktoren.
Die Gamma-Matrizen erzeugen eine Clifford-Algebra. Jede irreduzible Darstellung dieser Algebra durch Matrizen besteht aus -Matrizen. Die Elemente des Vektorraumes, auf den sie wirken, heißen Spinoren. Verschiedene Darstellungen der Dirac-Algebra sind einander äquivalent, das heißt, sie unterscheiden sich nur durch die gewählte Basis. Insbesondere sind die negativen transponierten Matrizen und die hermitesch adjungierten Matrizen den Matrizen äquivalent, denn sie erfüllen ebenfalls die Dirac-Algebra. Es gibt daher eine Matrix und eine Matrix , so dass
Die Matrix ist zur Konstruktion von Skalaren, Vektoren und Tensoren aus Spinoren wichtig, die Matrix tritt bei der Ladungskonjugation auf.
Jedes Produkt mehrerer Dirac-Matrizen lässt sich bis auf ein Vorzeichen als Produkt verschiedener Dirac-Matrizen in lexographischer Ordnung schreiben, denn das Produkt zweier verschiedener Gamma-Matrizen kann auf Kosten eines Vorzeichens umgeordnet werden. Zudem ist das Quadrat jeder Gamma-Matrix 1 oder −1. Die Produkte verschiedener Gamma-Matrizen bilden zusammen mit der Eins-Matrix und den negativen Matrizen eine Gruppe mit den 32 Elementen,
Da jede Darstellung einer endlichen Gruppe bei geeigneter Basiswahl unitär ist, ist auch jede Darstellung der Gamma-Matrizen bei geeigneter Wahl der Basis unitär. Zusammen mit der Dirac-Algebra heißt dies, dass hermitesch und die drei anderen -Matrizen antihermitesch sind,
In unitären Darstellungen bewirkt die Äquivalenztransformation zu den adjungierten Matrizen
Mithilfe der Eigenschaften von kann gezeigt werden, dass die Spur jedes Produktes von Gamma-Matrizen mit einer ungeraden Anzahl von Faktoren verschwindet.
Im vorletzten Schritt wurde dabei verwendet, dass die Spur eines Produktes sich bei zyklischer Vertauschung der Faktoren nicht ändert und demnach gilt.
Für die Spur eines Produktes von zwei Gamma-Matrizen gilt (weil die Spur zyklisch ist)
Die Spur von vier Gamma-Matrizen reduziert man mit der Dirac-Algebra auf die Spur von zwei:
Daher gilt:
Falls also verschiedene Dirac-Matrizen in einem Produkt nicht paarweise auftauchen, verschwindet die Spur des Produktes. Daraus folgt unter anderem, dass die sechzehn Matrizen, die man als Produkt von Null bis vier verschiedenen Gamma-Matrizen erhält, linear unabhängig sind.
Dirac führte die Gamma-Matrizen ein, um die Klein-Gordon-Gleichung, die eine Differentialgleichung zweiter Ordnung ist, in eine Gleichung erster Ordnung umzuwandeln.
In natürlichen Einheiten kann die Dirac-Gleichung wie folgt geschrieben werden
wobei ein Dirac-Spinor ist.
Multipliziert man beide Seiten mit erhält man
also gerade die Klein-Gordon-Gleichung für ein Teilchen der Masse .
Die sechs Matrizen
bilden die Basis einer Lie-Algebra, die der Lie-Algebra der Lorentztransformationen isomorph ist. Sie erzeugen die zu Lorentztransformationen (die stetig mit der 1 zusammenhängen) gehörigen Transformationen der Spinoren .
Aus und folgt, dass die Matrizen
Projektoren sind,
die auf zueinander komplementäre, zweidimensionale Unterräume projizieren,
Diese Unterräume unterscheiden Teilchen verschiedener Chiralität.
Weil mit den Erzeugenden von Spinortransformationen vertauscht,
sind die Unterräume, auf die und projizieren, invariant unter den von erzeugten Lorentztransformationen, mit anderen Worten: Die links- und rechtshändigen Anteile, und , eines Spinors transformieren getrennt voneinander.
Da und hermitesch sind, weil hermitesch ist, gilt für
- ,
wobei allgemein definiert wird als . Die Änderung ergibt sich aus der Vertauschung von mit . Da mit antikommutiert, ändert sich das Vorzeichen vor im Projektionsoperator . Ganz analog erhält man für .
Wegen ändert ein Term, der enthält, unter der Paritätstransformation sein Vorzeichen, es macht also aus Skalaren Pseudoskalare und aus Vektoren Pseudovektoren.
Allgemein folgen Größen, die man aus , Gamma-Matrizen und einem eventuell von verschiedenen Spinor zusammensetzt, einem Transformationsgesetz, das am Indexbild ablesbar ist. Es transformieren
- wie ein Skalar,
- wie die Komponenten eines Vierervektors,
- wie die Komponenten eines Bivektors bzw. antisymmetrischen Tensors,
- wie die Komponenten eines Vierer-Pseudovektors,
- wie ein Pseudoskalar.
Richard Feynman erfand die nach ihm benannte Slash-Notation (auch Feynman-Dolch oder Feynman-Dagger). In dieser Notation wird das Skalarprodukt eines Lorentzvektors mit dem Vektor der Gamma-Matrizen abgekürzt geschrieben als
- .
Dadurch kann z. B. die Dirac-Gleichung sehr übersichtlich geschrieben werden als
oder in natürlichen Einheiten
In einer geeigneten Basis haben die Gamma-Matrizen die auf Dirac zurückgehende Form (verschwindende Matrixelemente nicht ausgeschrieben)
Diese Matrizen lassen sich kompakter mit Hilfe der Pauli-Matrizen schreiben (jeder Eintrag steht hier für eine -Matrix):
Die Diracmatrizen lassen sich mit Hilfe des Kronecker-Produktes auch folgendermaßen generieren:
Die nach Hermann Weyl benannte Weyl-Darstellung heißt auch chirale Darstellung. In ihr ist diagonal,
Im Vergleich zur Dirac-Darstellung werden und verändert, die räumlichen -Matrizen bleiben unverändert:
Die Weyldarstellung ergibt sich durch einen unitären Basiswechsel aus der Dirac-Darstellung,
Spinortransformationen transformieren in der Weyl-Basis die ersten beiden und die letzten beiden Komponenten des Dirac-Spinors getrennt.
Die chirale Darstellung ist von besonderer Bedeutung in der Weyl-Gleichung, der masselosen Dirac-Gleichung.
In der Majorana-Darstellung sind alle Gamma-Matrizen imaginär. Dann ist die Dirac-Gleichung ein reelles Differentialgleichungssystem,
- James Bjorken, Sidney Drell: Relativistische Quantenmechanik, BI-Wissenschaftsverlag, Mannheim, 1990, (BI-Hochschultaschenbuch Band 98), ISBN 3-411-00098-8
- Michael Peskin, Daniel V. Schroeder: An Introduction to Quantum Field Theory, Addison-Wesley Publishing Co., New York, 1995, ISBN 0-201-50397-2
- Josef-Maria Jauch, Fritz Rohrlich: The theory of photons and electrons, Addison-Wesley Publishing Co., New York, 1955
- Ferdinando Gliozzi, Joel Sherk, David Olive: Supersymmetry, Supergravity Theories and the Dual Spinor Model, Nucl. Phys. B122, 253–290, 1977. (Dirac-Algebra in höheren Dimensionen)
- Franz Schwabl: Quantenmechanik für Fortgeschrittene (QM II), Springer, Heidelberg, ISBN 978-3-540-85076-2