Petroglyphen auf Megalithen der Bretagne
Die Petroglyphen auf Megalithen der Bretagne befinden sich auf den Trag- und Decksteinen von Dolmen und Galeriegräbern sowie – allerdings seltener – auf den Menhiren von Steinreihen und auf Solitären.
Die Darstellungen werden u. a. unterschieden in: Déesse-mère (Muttergottheit), Hache-charrue (Axtpflug), Crosse pastorale (Báculo), Herminette emmanchée (Beil), Peigne (Kamm), Bucrane (Bukranion), Écusson (Wappen). Respective: Phallus, Cachalot (Wal), Crosse de jet (Bumerang), Homme en croix (Adorant), Bateau (Boot), Oiseau en vol (Vogel im Flug).
Regionale Verteilung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die meisten Megalithanlagen Europas (mit Ausnahmen im atlantischen Bereich) sind unverziert. Im Süden der Bretagne, hier vor allem am Golf von Morbihan finden sich Anlagen mit einer großen Ornamentvielfalt. Hier sind in erster Linie die Dolmen von Gavrinis, Les Pierres-Plates und Mané Lud zu nennen, aber auch Kermario II, Mané-er-Hroek, Mané Rutual, der Menhir von Kermarquer und der Menhir von Kermaillard sowie der Tumulus auf der Île Longue.
Im Norden der Bretagne sind vor allem die Gravierungen in mehreren Ganggräbern von Barnenez Dolmen H sowie in den Dolmen La Maison des Feins, Prajou-Menhir und Crec’h Quillé hervorzuheben. Das Formenspektrum in den beiden Regionen ist unterschiedlich – so tauchen die im Süden häufiger anzutreffenden konzentrischen Halb-Kreise, 'Schildidole' und 'Axtpflüge im Norden der Bretagne nicht, oder nur in völlig veränderter Form auf. Ausgangspunkt dürfte die älteste Gravierung in einer Megalithanlage überhaupt, die des Dolmens H von Barnenez gewesen sein, der Beile, Bogen und Wellen/Schlangensymbole zeigt.
Deutungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Während einige Darstellungen auf den Megalithen der Bretagne für den heutigen Betrachter recht klar zu sein scheinen (Äxte, Bögen), sind die meisten Formen nur schwer bis gar nicht zu deuten (Rechtecke, konzentrische Halbkreise, Krummstäbe, 'Schildidole' etc.).
Von Yannik Rollando stammt folgender Deutungsversuch zu den Gravuren:
- Schildförmige Bildzeichen sollen verschiedene Formen der Muttergöttin darstellen. Diese ist mit oder ohne Kopf, mit Brüsten, oder Armen, manchmal konzentrisch vervielfältigt dargestellt.
- Beilförmige Bildzeichen sollen gestielte und ungestielte Äxte, darstellen. Ungeschäftete Äxte treten beinahe immer paarweise auf.
- Krummstabförmige Bildzeichen bedeuten Báculos.
- Kammförmige Bildzeichen sollen (diese Deutung ist besonders umstritten) tote heilige Tiere sein, die ihre Beine in die Luft stecken.
- Andere Bildzeichen werden als Sonne, mit oder ohne Strahlen gedeutet. Es kann sich auch um Augen handeln, da auf spanischer Keramik häufig (allerdings viel später) nur die Augen der Magna Mater dargestellt wurden.
Der französische Megalithforscher Serge Cassen interpretiert Formen, die lange Zeit als sogenannte 'Axtpflüge' gedeutet wurden, als 'blasende Wale' (vgl. Mané Lud).[1]
Besonders stark abstrahierte Zeichen sind Darstellungen der Muttergottheit oder einer Schlange, die wiederum ein Synonym der Gottheit sein soll. Manchmal werden auch Schilde (Les Pierres-Plates) als weibliche Formen interpretiert, in anderen Fällen sind es brustähnliche Reliefs und „Halsketten“. Dieses Motiv ist findet sich in den Anlagen von Crec’h Quillé bei Saint-Quay-Perros, Kerguntuil bei Trégastel, Prajou-Menhir bei Trébeurden und Mougau-Bihan bei Commana.
Extrem unterschiedlich sind die Deutungen der Ritzung in der Allée coudée (geknickt) von Luffang, Gemeinde Crach. Während Sibylle von Reden und Y. Rollando in der Zeichnung das Symbol der Muttergottheit erkennen wollen, deutet Werner Hülle sie als stilisierten Tintenfisch und meint, dass dieses Motiv schon im Rahmen der mesolithischen ostspanischen Felsbilder nachweisbar sei und vor allem in der spätbronzezeitlichen mykenischen Kultur gleichartig stilisierte Motive aufträten, z. B. auf Vasen und auf dem Boden des Megarons auf der Burg von Tiryns (Peloponnes).
Eine Sonderstellung nehmen die erst spät skulptierten Menhire Le Babouin et la Babouine ein.
Quellen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Bei der Suche nach den Quellen dieser Kunst ist festzustellen, dass die bretonischen Hierogramme sehr wahrscheinlich in Beziehung zur Iberischen Halbinsel stehen. Bei einigen Darstellungen der sogenannten 'Muttergöttin', evtl. auch bei den 'blasenden Walen' (vgl. Mané Lud und Dombate) sind Verwandtschaften deutlich erkennbar (vgl. Weblinks).
Zusammenfassung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Beim derzeitigen Stand der Wissenschaft müssen Deutungen umstritten bleiben, zumal die Symbolik in der Bretagne regionale Unterschiede aufweist und Zeugnis einer langen Bildtradition ist. Zu den ältesten Symbolen gehören die naturalistischen Darstellungen der Axt (auch kombiniert mit dem 'Axtpflug' – Hache-Carrure), der Dolch und multiple Bögen (Gavrinis), marmiteartige Darstellungen mit einem Rostrum in der Scheitelregion (Mané-er-Hroek) und gehörnte Tiere (Table des marchands). Bei den Deutungen der abstrakten Symbole widersprechen sich Werner Hülle, Herbert Glöckner (der die Sonderstellung der Bretagne einräumt[2]), die z. B. auch mittel- und nordeuropäische und andere Gravierungen der Megalithkultur heranziehen, und Yannick Rolando.
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Marcel Baudouin: De la signification des Menhirs. Rapport fait au nom de la Société Préhistorique de France. In: Bulletin de la Société préhistorique française. Bd. 1, Nr. 4, 1904, S. 123–147, JSTOR:27906526.
- Michael Everson: Tenacity in religion, myth, and folklore: the neolithic Goddess of Old Europe preserved in a non-Indo-European setting. In: The Journal of Indo-European Studies. Bd. 17, Nr. 3/4, 1989, ISSN 0092-2323, S. 277–295, (online; Darstellungen der 'Muttergöttin'; u. a. aus Luffang).
- Herbert Glöckner: Dokumente zur Religion aus megalithischer Zeit. Zur Entwicklung aus der Kultur der westlichen Großsteingräber (= Europäische Hochschulschriften. Reihe 3: Geschichte und ihre Hilfswissenschaften. 356). Lang, Frankfurt am Main u. a. 1988, ISBN 3-8204-9953-9.
- Werner Hülle: Steinmale der Bretagne. 2. Auflage. Dreves, Harburg/Rosengarten 1989, ISBN 3-924-532-00-1.
- Marthe Péquart, Saint-Just Péquart, Zacharie LeRouzic: Corpus des signes gravés des monuments mégalithiques du Morbihan. Picard, Paris 1927.
- Yannik Rollando: La Préhistoire du Morbihan. Le Vannetais Littoral. 3e édition. Societe Polymathique du Morbihan, Vannes 1971.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Dolmen Mané Lud – Schnittzeichnungen (zuletzt abgerufen am 7. März 2016)
- Dolmen Mané Lud (zuletzt abgerufen am 29. August 2017)
- Beschreibung und Skizzen
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Archivierte Kopie ( des vom 22. August 2019 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ „Von den (…) angeführten Formen und Zeichnungen heben sich die der Bretagne in eindrucksvoller Weise ab.“ Glöckner: Dokumente zur Religion aus megalithischer Zeit. 1988, S. 210.