Nandu

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Nandu

Nandu (Rhea americana)

Systematik
Klasse: Vögel (Aves)
Unterklasse: Urkiefervögel (Palaeognathae)
Ordnung: Rheiformes
Familie: Nandus (Rheidae)
Gattung: Nandus (Rhea)
Art: Nandu
Wissenschaftlicher Name
Rhea americana
(Linnaeus, 1758)

Der Nandu (span. Ñandú) oder Großer Nandu (Rhea americana) ist ein flugunfähiger Vogel aus der Gattung der Nandus (Rhea). Er gehört zu den Laufvögeln und ist in Südamerika beheimatet. Seit dem Jahr 2000 gibt es eine stetig wachsende, freilebende Schar Nandus in Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein, die aus einem Gehege in der Nähe von Lübeck ausgebrochen ist (sogenannte Neozoen).[1]

Mit einer Scheitelhöhe von 1,25 bis 1,40 Metern (Rückenhöhe etwa 1 Meter) und einem Gewicht von 20 bis 25 Kilogramm ist der Nandu der größte Vogel Amerikas. Dies betrifft vor allem die Männchen, denn wie beim Strauß sind auch beim Nandu die Hähne im Durchschnitt etwas größer als die Hennen. Nandus haben ein lockeres, zerfleddert aussehendes Federkleid und besitzen die größten Flügel aller Laufvögel. Die Beine sind lang und kräftig. Im Gegensatz zu den Verhältnissen bei den zweizehigen Straußen weisen die Füße der Nandus drei Zehen auf. Die Ähnlichkeit zwischen den beiden Gattungen von nicht flugfähigen Laufvögeln stellt ein Beispiel für Konvergenz dar. Auf der Flucht erreichen Nandus Geschwindigkeiten von bis zu 60 km/h.

Das Gefieder ist grau oder braun, selten weiß, zwischen den Individuen variiert die Farbgebung stark. In der Regel sind Männchen etwas dunkler und größer als Weibchen, was aber kein zuverlässiges Unterscheidungsmerkmal ist. Die einzelnen Unterarten werden vor allem durch die Anteile schwarzer Federn an der Halsbefiederung unterschieden.

Verbreitung und Lebensraum

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Nandu im natürlichen Habitat in Argentinien (Departamento Goya, Provinz Corrientes).

Das Verbreitungsgebiet erstreckt sich von der Pampa, dem Grasland im zentralen Argentinien und Uruguay, über den Gran Chaco bis in den Nordosten von Brasilien. Die Art ist außerdem in Deutschland als Neozoon etabliert, die einzige bekannte Population in Mitteleuropa, die sich nach Ausbrüchen aus Gehegen halten konnte.[2]

Nandus bewohnen Savannenhabitate, fehlen also in Wäldern. Im Gegensatz zum Darwinnandu ist der Nandu ein Bewohner des Flachlands, der große Höhen meidet. Ebenso meidet der Nandu kalte Klimazonen und kommt südlich des 40. Breitengrads nicht mehr vor.

Der Nandu ist laut IUCN „potenziell gefährdet“ (near threatened). Seine Population nimmt aufgrund von Bejagung und der Zerstörung seines natürlichen Lebensraums stetig ab.[3]

Verbreitungsgebiet der Unterarten:
R. americana albescens (hellgrün)
R. americana americana (dunkelgrün)
R. americana araneipes (blaugrün)
R. americana intermedia (gelb)
R. americana nobilis (orange)

Fünf Unterarten werden anerkannt. Sie sind nur schwer auseinanderzuhalten; vor allem die Schwarzfärbung des Halses, die bei allen unterschiedlich ausgeprägt ist, gilt als Identifikationsmerkmal.

  • Rhea americana americana, Brasilien
  • Rhea americana intermedia, Uruguay und angrenzendes Brasilien
  • Rhea americana nobilis, östliches Paraguay
  • Rhea americana araneipes, westliches Paraguay, östliches Bolivien, angrenzendes Brasilien
  • Rhea americana albescens, neu: Rhea americana var. albinea, nördliches Argentinien

„Nandu“ ist abgeleitet von ñandu guasu[4] (guasu „groß“ und ñandu „Spinne“ in Guaraní), da der Nandu in Balz-Pose einer großen Spinne ähnelt. Eine alternative Herleitung bezieht sich auf den Ruf, der lautlich wie Nan-Du klingt.

Wilde Population in Norddeutschland

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Eine Gruppe Nandus im Februar 2015 auf einem Acker bei Lüdersdorf (Mecklenburg-Vorpommern)
Nandus bei Schlagsdorf im Mai 2018

Im Jahr 2000 entwichen mehrere Nandus aus einer Freilandhaltung in Schleswig-Holstein nahe der Landesgrenze zu Mecklenburg-Vorpommern, die von dort in den Landkreis Nordwestmecklenburg wechselten und dort in der Niederung der Wakenitz, im Raum zwischen Schattin und Herrnburg, sowie weiter südlich bei Utecht beobachtet wurden. Bereits 2001 gab es einen erfolglosen Brutversuch sowie den Nachweis einer erfolgreichen Brut durch die Beobachtung eines Männchens mit 14 Küken, weitere erfolgreiche Bruten wurden 2002 (1), 2003 (mindestens 3) und 2004 (mindestens 5) dokumentiert. Im Jahr 2002 konnten in der Wakenitzniederung bereits 11 Nandus nachgewiesen werden, 2004 waren es im Raum Schattin – Utecht – Duvennest bereits 20.[5] Bis August 2009 war der Bestand auf etwa 80 Tiere gewachsen,[6] im März 2011 ging man von einem Bestand von über 100 Exemplaren aus.[7] Zählungen von Rangern des Biosphärenreservats Schaalsee ergaben im Herbst 2014 144 Tiere, im Frühjahr 2015 120 Tiere, im Herbst 2015 177 Tiere[8], im Herbst 2016 über 200 Tiere[9] und im März 2017 220 Tiere[10] im rund 150 Quadratkilometer großen Verbreitungsgebiet östlich des Ratzeburger Sees. Nachdem die Zahl der Nandus vermutlich aufgrund des langen kalten Winters bis März 2018 zwischenzeitlich auf 205 Tiere abgesunken war,[11] wurden bei der Herbstzählung im selben Jahr 566 Tiere gezählt, davon ein Großteil Jungtiere. Als Ursache für diesen hohen Anstieg innerhalb eines Jahres vermutet das Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt Mecklenburg-Vorpommern die ungewöhnlich warme und trockene Witterung des Jahres.[12]

Die Art ist offenbar recht anpassungsfähig. In Mecklenburg-Vorpommern bewohnen Nandus vor allem Stilllegungsflächen mit flächigen Trocken- und Halbtrockenrasen und Kiefernforsten, wurden aber auch auf Grünland, Äckern und in Laubwald beobachtet. Im Winter suchen die Tiere auf Rapsäckern und Stilllegungsflächen nach Nahrung. Gelegefunde erfolgten bisher in Trockenrasen, Staudenfluren, auf Getreide- und Rapsäckern sowie im Laubwald.[5]

Rechtlicher Status

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Rechtlich gilt der Nandu als besonders geschützte Art i. S. d. § 7 Abs. 2 Nr. 13 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG), so dass die in Deutschland wild lebenden Nandus nicht nur den allgemeinen Schutz des § 39 BNatSchG, sondern auch den besonderen Schutz des § 44 BNatSchG genießen.

Seit April 2020 wurde der Nandu in Mecklenburg-Vorpommern ins Jagdrecht aufgenommen. Küken und Jährlinge dürfen seit dem ganzjährig geschossen werden. Ausgewachsene Tiere dürfen vom 1. November bis 31. März bejagt werden.[13]

Bewertung aus Sicht des Naturschutzes

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In Naturschutzkreisen ist die Bewertung des Nandus als Brutvogel in Deutschland sehr unterschiedlich. So wird von manchen die Auflösung der Bestände, also Tötung aller Nandus, gefordert. Dies wird mit dem Vorsorgeprinzip begründet, da der Nandu sich als invasive Art erweisen könnte. Als invasive Arten werden nach § 7 Abs. 2 Nr. 9 BNatSchG solche Arten deklariert, die für die natürlich vorkommenden Ökosysteme, Biotope oder Arten eine erhebliche Gefährdung darstellen. Dem Nandu wird Invasionspotenzial zugeschrieben, weil eine Gefährdung anderer Bodenbrüter und Bodenfauna nicht auszuschließen sei.[14]

Derzeit steht der Nandu auf der Grauen Liste. Auf die Graue Liste werden potenziell invasive Arten gesetzt, um diese durch die Behörden beobachten zu lassen. Befürchtungen bezüglich einer möglichen Gefährdung von Bodenbrütern, Reptilien und Insekten haben sich bisher durch Feldforschungen und Magenuntersuchungen nicht bestätigt. Nach § 40 Abs. 2 BNatSchG muss vor Bekämpfungsmaßnahmen erst geklärt werden, ob eine Art tatsächlich invasiv ist, also die natürlich vorkommenden Ökosysteme, Biotope und Arten gefährdet.[15] Derzeit werden weitergehende Untersuchungen über die Auswirkung der heimischen Nandupopulation nicht als dringlich angesehen, da der Bestand teilweise nicht ganz winterfest ist und somit wieder aussterben könnte.[16]

Maßnahmen zur Eindämmung der Population

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Nach Beschwerden aus der Landwirtschaft wegen zunehmender Schäden auf Raps- und Getreideflächen genehmigt das Biosphärenreservatsamt Schaalsee-Elbe seit 2017, die Population der wildlebenden Nandus durch Manipulation der Gelege einzudämmen.[17] Hierzu werden die Eier im Gelege durch namentlich registrierte Personen angebohrt.[18]

Da die Population trotz dieser Maßnahme auf 566 Tiere (Herbstzählung 2018) anwuchs, forderte der Bauernverband, die Bejagung männlicher Nandus zu erlauben.[19] Daraufhin haben laut Landwirtschaftsminister Till Backhaus (SPD) zwei Landwirte eine Abschussgenehmigung erhalten und von Januar bis März 2019 auf ihren Feldern 17 Nandus geschossen. Die Frühjahrszählung 2019 ergab einen Bestand von 362 Tieren. 2019 sollten noch weitere 40 bis 50 Tiere erlegt werden. Um zu klären, ob die Nandus der heimischen Tier- und Pflanzenwelt schaden, war ab Herbst 2019 ein Monitoring geplant, das abgeschossene Exemplare untersuchen und einige Tiere mit GPS-Sendern ausstatten sollte.[20] Bis Januar 2021 wurde die Population durch Bejagung auf etwa 300 Tiere reduziert.[21]

Bei der Frühjahrszählung 2024 wurden nur noch 70 Exemplare gesichtet.[22]

Commons: Rhea americana – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Nandu – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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  1. Naturschutzbund Deutschland e. V.: Nandu
  2. Nandus etablieren sich in Norddeutschland (7. April 2015) auf www.n-tv.de, abgerufen am 23. November 2015
  3. Rhea americana auf http://www.iucnredlist.org, abgerufen am 12. Mai 2017
  4. Antonio Guasch: Diccionario Castellano-Guaraní. Ediciones Loyola, Asunción 1978
  5. a b Alle Angaben nach W. Eichstädt: Nandu – Rhea americana. In: Ornithologische Arbeitsgemeinschaft Mecklenburg-Vorpommern (OAMV) e. V. (Hrsg.): Atlas der Brutvögel Mecklenburg-Vorpommerns. Steffen Verlag, Friedland 2006, ISBN 3-937669-66-3, S. 455
  6. Auf der Spur von Nandu „Schorsch“ und seinen Küken. Ostseezeitung online (Memento des Originals vom 24. Januar 2012 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.ostsee-zeitung.de, abgerufen am 16. August 2010
  7. Wie weiter mit den Nandus? NDR 1 Radio MV ndr.de (Memento vom 1. April 2011 im Internet Archive)Vorlage:Webarchiv/Wartung/Linktext_fehlt, abgerufen am 22. Juni 2011
  8. Tierzählung: 177 wilde Nandus im deutschen Norden, FAZ vom 20. November 2015, abgerufen am 20. November 2015
  9. Nandu-Population knackt 200er-Marke, NDR-Meldung vom 3. November 2016, abgerufen am 3. November 2016
  10. Zarrentin: Nandu-Population gewachsen, NDR-Meldung vom 7. April 2017, abgerufen am 7. April 2017
  11. WELT: Europas einzige wilde Nandu-Population ist kleiner geworden. In: DIE WELT. 9. April 2018 (welt.de [abgerufen am 10. April 2018]).
  12. Ergebnisse der Nandu-Herbstzählung liegen vor – weiterer Anstieg verzeichnet, Pressemitteilung des Ministeriums für Landwirtschaft und Umwelt Mecklenburg-Vorpommern vom 10. Dezember 2018, abgerufen am 11. Dezember 2018
  13. Erneut weniger Nandus nach Jagd-Freigabe im Nordosten. In: Zeit Online. 7. Dezember 2021, abgerufen am 19. Januar 2024.
  14. Klemens Steiof: Handlungserfordernisse im Umgang mit nichtheimischen und mit invasiven Vogelarten in Deutschland. Berichte zum Vogelschutz 47/48, 2011: 93–118.
  15. Stefan Nehring: Warum ein differenzierter Umgang mit gebietsfremden Vogelarten sinnvoll ist und welches naturschutzfachliche Instrument dabei in Deutschland Anwendung finden sollte. Berichte zum Vogelschutz 47/48, 2011: 119–134.
  16. Exoten auf Mecklenburgs Feldern, www.spektrum.de vom 4. Januar 2016, abgerufen am 5. Januar 2016
  17. Mit dem Akku-Bohrer gegen wilde Nandus, www.ndr.de vom 11. Mai 2017, abgerufen am 12. Mai 2017
  18. Ergebnisse der Nandu-Herbstzählung liegen vor – weiterer Anstieg verzeichnet, Pressemitteilung des Ministeriums für Landwirtschaft und Umwelt Mecklenburg-Vorpommern vom 10. Dezember 2018, abgerufen am 31. Dezember 2018
  19. Marc Röhlig bento: In MeckPomm leben wilde Nandus – und zwar so viele, dass sie nun gejagt werden sollen. Abgerufen am 29. Dezember 2018.
  20. NDR: Erstmals Nandus in MV abgeschossen. Abgerufen am 24. April 2019.
  21. Kontroverse Nandu-Jagd in MV. In: ndr.de/nachrichten. 24. Januar 2021, ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 25. Februar 2021.@1@2Vorlage:Toter Link/www.ndr.de (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)
  22. Nandu-Population am Ratzeburger See geht stark zurück, NDR-Meldung vom 17. Juni 2024, abgerufen am 17. Juni 2024