Heeresgruppe Mitte

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
(Weitergeleitet von HGr Mitte)
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Heeresgruppe Mitte war die Bezeichnung für zwei verschiedene Heeresgruppenkommandos des Heeres der Wehrmacht während des Zweiten Weltkrieges. Sie waren Oberkommando jeweils wechselnder Armeen sowie zahlreicher Spezialtruppen.

Die erste Heeresgruppe Mitte entstand zu Beginn des Krieges gegen die Sowjetunion am 22. Juni 1941 durch Umbenennung der Heeresgruppe B. Sie war die stärkste der drei deutschen Heeresgruppen bei Beginn des Krieges gegen die Sowjetunion. Die Heeresgruppe Mitte unter Generalfeldmarschall Fedor von Bock bildete während der Aufmarschpläne und Planungen gegen die Sowjetunion das Zentrum. Sie umfasste die 9. Armee (Generaloberst Adolf Strauß), Panzergruppe 3 (Generaloberst Hermann Hoth), Panzergruppe 2 (Generaloberst Heinz Guderian) und die 4. Armee (Generalfeldmarschall Günther von Kluge), somit 930 Panzer und insgesamt 49 Divisionen. Ihr Auftrag lautete, den zentralen sowjetischen Verteidigungsriegel aufzubrechen und den Vormarsch auf der Autobahn Brest-Moskau zu gewährleisten. Während Generalfeldmarschall Walther von Brauchitsch einen direkten Angriff auf Moskau favorisierte, wurde dies von Hitler während dieser Phase des Krieges zunächst untersagt:

„Nur versteinerte Gehirne mit fossilen Auffassungen können sich von einer feindlichen Hauptstadt hypnotisieren lassen. Moskau ist nichts als ein Name. Die Zitadellen des Bolschewismus sind Leningrad und Stalingrad.“[1]

Das Nahziel der Heeresgruppe Mitte lautete zunächst Smolensk; nach dessen Eroberung sollten neue Marschorders erfolgen.[2] Zunächst mit zwei Panzergruppen und zwei, später drei Armeen trat sie nördlich der Pripjetsümpfe zum Angriff auf die Sowjetunion an. Die Heeresgruppe Mitte war in die zentralen Kampfhandlungen des Deutsch-Sowjetischen Krieges verwickelt und hatte große sowjetische Verbände in Stärke von 38 Schützen-Divisionen, acht Kavallerie-Divisionen sowie 14 motorisierten Brigaden auf der gegnerischen Seite. Am 30. Juni 1941 fiel die Grenzstadt Brest-Litowsk.[3]

Nach der Kesselschlacht bei Białystok und Minsk teilte sich die Heeresgruppe Mitte auf, wobei die Panzergruppe 3 gegen Witebsk und die Panzergruppe 2 in Richtung des Flusses Dnepr marschierte. Dabei traten zahlreiche Schwierigkeiten auf: Durch die sowjetische Strategie der „verbrannten Erde“ gab es kaum noch intakte logistische Strukturen; viele Ortschaften waren verwüstet und es mangelte an Wasser und Betriebsmitteln. Durch den aufgewirbelten Staub kam es zu vielen Ausfällen bei den Panzern und anderen Fahrzeugen. Mit Ausweitung der Front konnten kaum noch Ersatzteile für die Instandhaltung bereitgestellt werden.

Für den 10./11. Juli 1941 plante die Heeresgruppe Mitte die Dnepr-Überquerung an drei Stellen. Generalfeldmarschall Günther von Kluge erhielt neben seiner 4. Armee auch den Oberbefehl über die Panzergruppen 3 und 4; alle Reserven wurden zu einer 2. Armee unter Generaloberst von Weichs zusammengefasst. Am 10. Juli 1941 wurde der Dnjepr in der Nähe von Orscha mit Panzerkräften überquert, während die Vorhut der 2. Armee 120 Kilometer westlich an der weißrussischen Bjaresina stand. Nachdem 20 neue sowjetische Divisionen bei Gomel aufgestellt wurden, kam es zwischen ihnen und der 3. Panzer-Division im Raum Roslawl, sowie der 10. Panzer-Division und der SS-Division „Das Reich“ bei Mogilew zu schweren Kämpfen. Die 29. Infanterie-Division (mot.) eroberte Smolensk am 16. Juli 1941.

Am gleichen Tag eroberte das XXXXVI. Armeekorps (mot.) Jelnja. Wegen starker sowjetischer Gegenangriffe kam es dort eineinhalb Monate lang zu einem Stellungskrieg. Die sowjetische Führung konzentrierte zum Schutze der Marschroute nach Moskau 11 frische Divisionen – die 24. Armee (Generalmajor K. I. Rakutin) und die 43. Armee (Generalmajor D. M. Selesnjow) die den Wehrmachttruppen erhebliche Verluste zufügten. Hitler verbot den Panzertruppen weiter als bis zum Jelnjabogen vorzudringen, bis die Infanteriekorps der deutschen 4. Armee herangekommen waren. Zwischen Roslawl und Gomel konnte die Panzergruppe 2 zwischen dem 1. und 5. August 1941 starke Sowjetverbände aufreiben.[4]

Am 19. Juli 1941 befahl Hitler trotz Protesten von Halder und von Brauchitsch mit der Weisung Nr. 33 die Reduzierung der Heeresgruppe Mitte; sie musste Panzerkräfte an die Heeresgruppen Nord und Süd abgeben. Hintergrund war eine Konzentration auf Leningrad und die rohstoffreiche Ukraine.[5]

Das nächste Operationsziel war die sowjetische Hauptstadt Moskau. Für das am 2. Oktober 1941 anlaufende Unternehmen Taifun wurde die HG Mitte (GFM von Bock) wieder verstärkt: 47 Infanterie-Divisionen, eine Kavallerie-Division, 14 Panzer-Divisionen, neun motorisierte Divisionen, sechs Sicherungs-Divisionen und eine SS-Kavallerie-Brigade wurden auf einer 750 Kilometer breiten Frontlinie eingesetzt.[6] Der deutsche Vormarsch verlief bis zu den Kesselschlachten von Wjasma und Brjansk noch erfolgreich, näherte sich auf etwa 40 km der Stadtgrenze von Moskau, wurde aber am 5./6. Dezember durch die sowjetische Gegenoffensive gestoppt und auf die Linie Newel-Rshew-Wjasma zurückgeworfen.

Nachdem auch die sowjetische Gegenoffensive Anfang 1942 zum Stehen gekommen war, verlagerte die deutsche Führung den Operationsschwerpunkt in den Südabschnitt der Ostfront, die Heeresgruppe (GFM von Kluge) deckte die Flanke der weiter südlich kämpfenden Armeen. Nach der Schlacht von Kursk im Juli 1943 wich die Heeresgruppe in harten Rückzugskämpfen bis Jahresende 1943 bis auf die alte sowjetische Westgrenze von 1939 zurück.

Nach einer kurzen Atempause wurden ihre geschwächten Armeen (von Nord nach Süd: 3. Panzerarmee, 4. Armee, 9. und 2. Armee), die eine weit überdehnte Frontlinie verteidigen mussten, von der sowjetischen Sommeroffensive 1944 in der Operation Bagration überrollt. Von 38 eingesetzten Divisionen wurden 28 zerschlagen; insgesamt wurden drei Armeen aufgerieben.

Die deutschen Verluste betrugen etwa 350.000 Mann, davon gerieten 158.000 in sowjetische Kriegsgefangenschaft.[7]

Die 2. Armee, die als einzige Armee der Heeresgruppe Mitte nicht durch die sowjetischen Sommeroffensive 1944 zerschlagen war, zog sich über Pinsk und Brest-Litowsk in Richtung Warschau zurück, wo sie in weitere Kämpfe verwickelt wurde.[8]

Liste gefangener und getöteter Generäle der Heeresgruppe Mitte bei der Operation Bagration

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Von diesem Schlag konnte sich das Ostheer nicht mehr erholen, die Front erreichte im Spätsommer 1944 die Grenze Ostpreußens. Zwischen die Heeresgruppen Nord und Mitte schoben sich sowjetische Fronten. Der Zusammenbruch der Heeresgruppe Mitte war für die Wehrmacht dramatischer als die Schlacht von Stalingrad. Die Wehrmacht verlor ihre operative Handlungsfähigkeit.

Während der erbitterten Kämpfe in Ostpreußen wurde die Heeresgruppe Mitte am 25. Januar 1945 in Heeresgruppe Nord umbenannt. Ihre Verbände kämpften unter schweren Verlusten in Westpreußen und Pommern, die Reste der Truppen wurden von der Kriegsmarine aus den Ostseehäfen evakuiert.

Neu aufgestellt wurde die Heeresgruppe Mitte am 25. Januar 1945 nach dem Durchbruch der Roten Armee an der Weichsel durch die Umbenennung der Heeresgruppe A. Bei den Schlusskämpfen unterstanden der Heeresgruppe die 4. Panzerarmee im Raum Dresden – Görlitz, die 17. Armee an der südschlesischen Oderlinie und die nach Süden anschließende 1. Panzerarmee an den Höhenstellungen entlang Neisse – Jägerndorf – Ratibor – Mährisch Ostrau. Letztes Hauptquartier der Heeresgruppe war vom 28. März bis 9. Mai 1945 Bad Welchow im Reichsprotektorat Böhmen und Mähren. Die Kapitulation der letzten intakten Heeresgruppe des Dritten Reiches erfolgte vor der aus dem Osten angreifenden 1., 2. und 4. Ukrainischen Front der Sowjets. In einem Kessel nordöstlich Prag eingeschlossen, ging die gesamte Heeresgruppe in sowjetische Kriegsgefangenschaft, nachdem sich ihr Oberbefehlshaber Ferdinand Schörner in seinem Flugzeug abgesetzt hatte.

Oberbefehlshaber

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gliederung der Heeresgruppe

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Heeresgruppen-Truppen
  • Nachrichten-Regiment 537
  • Nachrichten-Regiment 537 (2. Aufstellung)
  • Volks-Artillerie-Korps 405
Unterstellte Großverbände
Datum Unterstellte Großverbände
Juni 1941 9. Armee, 4. Armee
Juli 1941 Panzergruppe 3, 9. Armee, 4. Armee, Panzergruppe 2, z. Vfg. 2. Armee
August 1941 Panzergruppe 3, 9. Armee, 2. Armee, Armeegruppe Guderian
September 1941 Panzergruppe 3, 9. Armee, 4. Armee, Panzergruppe 2, 2. Armee
Oktober 1941 9. Armee, 4. Armee, 2. Panzerarmee, 2. Armee
November 1941 9. Armee, Panzergruppe 3, 4. Armee, 2. Panzerarmee, 2. Armee
Januar 1942 9. Armee, 3. Panzerarmee, 4. Panzerarmee, 4. Armee, 2. Panzerarmee, 2. Armee
Februar 1942 3. Panzerarmee, 9. Armee, 4. Panzerarmee, 4. Armee, 2. Panzerarmee
Mai 1942 9. Armee, 3. Panzerarmee, 4. Armee, 2. Panzerarmee
Januar 1943 LIX. AK, 9. Armee, 3. Panzerarmee, 4. Armee, 2. Panzerarmee
Februar 1943 3. Panzerarmee, 9. Armee, 4. Armee, 2. Panzerarmee
März 1943 3. Panzerarmee, 9. Armee, 4. Armee, 2. Panzerarmee, 2. Armee
April 1943 3. Panzerarmee, 4. Armee, 2. Panzerarmee, 2. Armee, z. Vfg. 9. Armee
Juli 1943 3. Panzerarmee, 4. Armee, 2. Panzerarmee, 9. Armee, 2. Armee
September 1943 3. Panzerarmee, 4. Armee, 9. Armee, 2. Armee
November 1943 3. Panzerarmee, 4. Armee, 9. Armee, 2. Armee, Wehrmachtbefehlshaber Ostland
Januar 1944 3. Panzerarmee, 4. Armee, 9. Armee, 2. Armee
Juli 1944 3. Panzerarmee, 4. Armee, 2. Armee, z. Vfg. 9. Armee
August 1944 3. Panzerarmee, 4. Armee, 2. Armee, IV. SS-Panzerkorps
Januar 1945 3. Panzerarmee, 4. Armee, 2. Armee
Weiter siehe Heeresgruppe Nord*
Februar 4. Panzerarmee, 17. Armee, 1. Panzerarmee
Mai 7. Armee, 4. Panzerarmee, 17. Armee, 1. Panzerarmee

* Umbenennung der Heeresgruppe A in Heeresgruppe Mitte und Heeresgruppe Mitte in Heeresgruppe Nord

Zusammensetzung der Heeresgruppe Mitte am 15. Juni 1944

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

3. Panzerarmee

4. Armee

9. Armee

  • Philipp Freiherr von Boeselager: Der Widerstand in der Heeresgruppe Mitte (Beiträge zum Widerstand 1933–1945. Heft 40). Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Berlin 1990.
  • Werner Haupt: Heeresgruppe Mitte 1941–1945. Podzun-Pallas, Bad Nauheim 1966.
  • Werner Haupt: Bildchronik der Heeresgruppe Mitte. Podzun-Pallas, Dorheim 1978, ISBN 3-7909-0066-4.
  • Rolf Hinze: Der Zusammenbruch der Heeresgruppe Mitte im Osten 1944. 4. Auflage. Motorbuch, 1994, ISBN 3-87943-681-9.
  • Franz Kurowski: Die Heeresgruppe Mitte. 28 deutsche Divisionen im Feuerhagel der sowjetischen Sommeroffensive 1944. Witebsk-Bobruisk-Minsk. Podzun-Pallas, Wölfersheim 2001, ISBN 3-7909-0748-0.

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Raymond Cartier: Band I: 1939–1941; R. Piper Verlag, München; Titel der Originalausgabe: La Seconde Guerre mondiale, Paris, Larousse Paris Match, 1965, ISBN 3-492-02166-2, S. 345.
  2. Raymond Cartier: Band I: 1939–1941; R. Piper Verlag, München; Titel der Originalausgabe: La Seconde Guerre mondiale, Larousse, 1965, ISBN 3-492-02166-2, S. 345 f.
  3. Raymond Cartier: Band I: 1939–1941; R. Piper Verlag, München; Titel der Originalausgabe: La Seconde Guerre mondiale, Paris, Larousse Paris Match, 1965, ISBN 3-492-02166-2, S. 363.
  4. Raymond Cartier: Band I: 1939–1941; R. Piper Verlag, München; Titel der Originalausgabe: La Seconde Guerre mondiale, Paris, Larousse und Paris Match, 1965, ISBN 3-492-02166-2, S. 376–379.
  5. Raymond Cartier: Band I: 1939–1941; R. Piper Verlag, München; Titel der Originalausgabe: La Seconde Guerre mondiale, Paris, Larousse und Paris Match, 1965, ISBN 3-492-02166-2, S. 394–396.
  6. Raymond Cartier: Band I: 1939–1941; R. Piper Verlag, München; Titel der Originalausgabe: La Seconde Guerre mondiale, Paris, Larousse Paris Match, 1965, ISBN 3-492-02166-2, S. 410 f.
  7. Duncan Anderson The world at war The Reader’s Digest Association Limited, deutsche Ausgabe 2000, ISBN 3-87070-848-4, S. 124.
  8. Philipp Freiherr von Boeselager: Der Widerstand in der Heeresgruppe Mitte (Beiträge zum Widerstand 1933–1945, Heft 40). Berlin: Gedenkstätte Deutscher Widerstand 1990, S. 21.
  9. Rolf Hinze: Der Zusammenbruch der Heeresgruppe Mitte im Osten 1944. Motorbuch Verlag, ISBN 3-87943-681-9, S. 34–35.