Quecksilber(II)-chlorid

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
(Weitergeleitet von HgCl2)
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Strukturformel
Strukturformel von Quecksilber(II)-chlorid
Allgemeines
Name Quecksilber(II)-chlorid
Andere Namen
  • Sublimat
  • Hydrargyri dichloridum
Summenformel HgCl2
Kurzbeschreibung

farb- und geruchloser Feststoff[1] mit ätzendem Geschmack[2]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 7487-94-7
EG-Nummer 231-299-8
ECHA-InfoCard 100.028.454
PubChem 24085
ChemSpider 22517
DrugBank DB13765
Wikidata Q143200
Eigenschaften
Molare Masse 271,50 g·mol−1
Aggregatzustand

fest[1]

Dichte

5,4 g·cm−3[3]

Schmelzpunkt

277 °C[3]

Siedepunkt

304 °C[3]

Dampfdruck

10 mPa (20 °C)[1]

Löslichkeit

mäßig in Wasser (74 g·l−1, bei 20 °C)[1]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung aus Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (CLP),[4] ggf. erweitert[3]
Gefahrensymbol Gefahrensymbol Gefahrensymbol Gefahrensymbol

Gefahr

H- und P-Sätze H: 341​‐​361f​‐​300​‐​372​‐​314​‐​410
P: 260​‐​273​‐​280​‐​303+361+353​‐​304+340+310​‐​305+351+338[3]
MAK

0,1 mg·m−3[1]

Toxikologische Daten
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet.
Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa).

Quecksilber(II)-chlorid in Pulverform

Quecksilber(II)-chlorid (HgCl2) oder Sublimat (auch Hydragyrum bichloratum, und früher auch Mercurius sublimatus[5][6]sublimiertes Quecksilber“[7]) ist eine chemische Verbindung des Quecksilbers aus der Gruppe der Chloride.

Quecksilber(II)-chlorid ist eine farblose, kristalline, in Wasser mäßig lösliche, sehr giftige molekulare Verbindung, die bei 281 °C schmilzt. Da sie beim Erhitzen leicht sublimiert, bezeichnet man sie als Sublimat: Der Siedepunkt bei 302 °C ist kaum zu beobachten.[8] Im kristallinen Zustand, in der Dampfphase und in Lösung liegt Quecksilber(II)-chlorid in Form von kovalent gebundenen, linearen Cl–Hg–Cl-Molekülen vor. In wässriger Lösung dissoziieren die Moleküle nur geringfügig in Ionen, daher leitet eine Lösung den elektrischen Strom kaum. Quecksilber(II)-chlorid ist im Vergleich zu anderen Halogeniden wie Quecksilber(II)-iodid, die in Wasser nur in Spuren löslich sind, recht gut löslich.

Aquaporine – Kanalproteine, durch die Wasser eine Biomembran passieren kann – werden durch Quecksilber(II)-chlorid bzw. Quecksilber(II)-ionen spezifisch gehemmt.[9]

Quecksilber(II)-chlorid entsteht beim Erhitzen von Quecksilber(II)-sulfat mit Natriumchlorid und sublimiert dabei als leichtestflüchtige Komponente ab.

Bei der Reaktion von Quecksilber(I)-chlorid mit Chlor oder von Quecksilber(II)-oxid mit Salzsäure oder auch direkt aus den Elementen Quecksilber und Chlor in beheizten Retorten entsteht Quecksilber(II)-chlorid.

Auch die Reaktion von Salzsäure mit Quecksilber(I)-Verbindungen (z. B. Quecksilber(I)-nitrat) ist möglich

Quecksilber(II)-chlorid wirkt pilztötend, darum wurde es früher zum Beizen von Saatgut und zur Imprägnierung von Holz verwendet (Kyanisierung). Da es außerdem, wie William Alexander in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entdeckt[10] hatte, antiseptisch wirkt, wurde es als Desinfektionsmittel bei Wunden und als Alternative zur Karbolsäure bei Operationen[11] sowie (auch kombiniert mit Alkohol) zur hygienischen Desinfektion von Händen und Unterarmen vor chirurgischen Eingriffen[12] verwendet. Der Chirurg führte Sublimat, etwa in Form der Sublimatgaze als Bestandteil der Verbandpäckchen deutscher Soldaten, als Wundantiseptikum ein.[13] In starker Verdünnung wurde es sogar als Arzneistoff eingesetzt[14] und fand wie Kalomel Einsatz als unter die Haut verabreichtes Medikament[15] bei Syphilis.

Dem französischen Anatomen François Chaussier (1746–1828) gelang der Nachweis, dass Quecksilber(II)-chlorid einen Leichnam vor Fäulnis schützt und seine Austrocknung begünstigt. Damit erzielte er einen wesentlichen Fortschritt im Bereich der Leichenkonservierung.[16] Aufgrund seiner fixierenden Wirkung wurde es bis um 1900 als Konservierungsmittel für anatomische Präparate benutzt. Wegen seiner bereits länger bekannten Giftigkeit[17] werden heute jedoch andere Stoffe benutzt.

Des Weiteren spricht Edgar Allan Poes Detektiv C. Auguste Dupin in The Mystery of Marie Roget die konservierende Wirkung der chemischen Verbindung an.[18]

Auch in der Leichenkonservierung ging man von der alleinigen Verwendung von Quecksilber(II)-chlorid und anderen Metallverbindungen wieder ab, als bemerkt wurde, dass Metall aus der Lösung ausfiel und entstellende Flecken an den solcherart behandelten Leichen hinterließ. Außerdem bewirkte Quecksilber(II)-chlorid eine graue Verfärbung der Haut.[16]

Quecksilber(II)-chlorid ist Bestandteil von Ätzmitteln für die Stahl- und Kupferätzung, Katalysator in der Synthesechemie wie zum Beispiel bei der Herstellung von Vinylchlorid, und wurde vor Einführung der RoHS-Richtlinien als Depolarisator in Trockenbatterien, wie beispielsweise Zink-Kohle-Zellen, verwendet.[14]

  • Brockhaus ABC Chemie (VEB F. A. Brockhaus Verlag, Leipzig, 1971), S. 1159–1160.
  • Friedrich Moll: Große Männer der Holzimprägnierungstechnik. In: Angewandte Chemie 1930, 43, S. 830–834.

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. a b c d e f Datenblatt Quecksilber(II)-chlorid bei Merck, abgerufen am 24. April 2010.
  2. Eugen Fröhner: Lehrbuch der Toxikologie für Tierärzte. Dritte Auflage, Ferdinand Enke Verlag, 1910, S. 77.
  3. a b c d e f g Eintrag zu Quecksilber(II)-chlorid in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 20. Januar 2022. (JavaScript erforderlich)
  4. Eintrag zu Mercury dichloride im Classification and Labelling Inventory der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA), abgerufen am 1. Februar 2016. Hersteller bzw. Inverkehrbringer können die harmonisierte Einstufung und Kennzeichnung erweitern.
  5. Friedrich Dobler: Die chemische Fundierung der Heilkunde durch Theophrastus Paracelsus: Experimentelle Überprüfung seiner Antimonpräparate. In: Veröffentlichungen der Internationalen Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie. Neue Folge. Band 10, 1957, S. 76–86, hier: S. 81.
  6. Otto Zekert (Hrsg.): Dispensatorium pro pharmacopoeis Viennensibus in Austria 1570. Hrsg. vom österreichischen Apothekerverein und der Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie. Deutscher Apotheker-Verlag Hans Hösel, Berlin 1938, S. 147.
  7. Vgl. dazu Udo Benzenhöfer: Johannes’ de Rupescissa „Liber de consideratione quintae essentiae omnium rerum“ deutsch. Studien zur Alchemia medica des 15. bis 17. Jahrhunderts mit kritischer Edition des Textes (= Heidelberger Studien zur Naturkunde der frühen Neuzeit. Band 1). Steiner, Wiesbaden/Stuttgart 1989, ISBN 3-515-05388-3 (Zugleich Philosophische Dissertation, Universität Heidelberg, 1988), S. 189.
  8. A. F. Holleman, E. Wiberg, N. Wiberg: Lehrbuch der Anorganischen Chemie. 91.–100., verbesserte und stark erweiterte Auflage. Walter de Gruyter, Berlin 1985, ISBN 3-11-007511-3.
  9. Ulrich Welsch, Thomas Delle: Lehrbuch Histologie. 3. Auflage, Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH, 2010, ISBN 978-3-437-44431-9, Seite 19.
  10. Friedrich Wilhelm Gierhake: Asepsis. In: Franz Xaver Sailer, Friedrich Wilhelm Gierhake (Hrsg.): Chirurgie historisch gesehen. Anfang – Entwicklung – Differenzierung. Dustri-Verlag, Deisenhofen bei München 1973, ISBN 3-87185-021-7, S. 33–42, hier: S. 38.
  11. Otto Schmidt: Beitrag zur Frage der Verwendung des Sublimat bei Laparotomien. In: Centralblatt für Gynäkologie. Band 10, Nr. 15, 10. April 1886, S. 227–229; Robert Ziegenspeck: Sublimat. Ebenda. Nr. 34, 21. August 1886, S. 546–561.
  12. Hans Killian: Hinter uns steht nur der Herrgott. Sub umbra dei. Ein Chirurg erinnert sich. Kindler, München 1957; hier: Lizenzausgabe als Herder-Taschenbuch (= Herderbücherei. Band 279). Herder, Freiburg/Basel/Wien 1975, ISBN 3-451-01779-2, S. 42.
  13. Nicolai Guleke: Kriegschirurgie und Kriegschirurgen im Wandel der Zeiten. Vortrag gehalten am 19. Juni 1944 vor den Studierenden der Medizin an der Universität Jena. Gustav Fischer, Jena 1945, S. 38.
  14. a b H. Hager, F.v. Bruchhausen, P. Surmann, E. Nürnberg: Hagers Handbuch Der Pharmazeutischen Praxis. Springer Verlag, 1999, ISBN 3-540-52641-2, S. 472.
  15. Emil Stern: Ueber das Quecksilberchlorid-Chlornatrium und seine subcutane Anwendung. In: Berliner klinische Wochenschrift. Band 15, 1878, S. 59–64.
  16. a b Magdalena Hawlik-van de Water: Der schöne Tod. Zeremonialstrukturen des Wiener Hofes bei Tod und Begräbnis zwischen 1640 und 1740. Freiburg/Wien 1989, S. 203–211 (über "Die Methoden des Einbalsamierens vom Altertum bis zur Neuzeit").
  17. Vgl. etwa Carl Fleischmann: Tödliche Sublimatvergiftung nach einer zweimaligen Scheidenausspülung. In: Centralblatt für Gynäkologie. Band 10, Nr. 47, 20. November 1886, S. 761–765.
  18. Edgar Allan Poe: The Mystery of Marie Roget. In: C. Auguste Dupin Collection. ISBN 978-1-4974-2350-3, S. 51 (englisch): “There are chemical infusions by which the animal frame can be preserved forever frrom corruption; the Bi-chloride of Mercury is one.”