Tranylcypromin

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Strukturformel
Strukturformeln der Tranylcypromin-Enantiomere
1:1-Gemisch von (1R,2S)-Enantiomer (oben) und (1S,2R)-Enantiomer (unten)
Allgemeines
Freiname Tranylcypromin
Andere Namen
  • (±)-trans-2-Phenylcyclopropylamin
  • (1SR,2RS)-2-Phenylcyclopropylamin
Summenformel C9H11N
Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer
PubChem 5530
DrugBank DB00752
Wikidata Q420885
Arzneistoffangaben
ATC-Code

N06AF04

Wirkstoffklasse

Antidepressiva

Wirkmechanismus

irreversibler MAO-Hemmer

Eigenschaften
Molare Masse 133,19 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Schmelzpunkt

44–45 °C[1]

Siedepunkt

79–80 °C (ca. 200 Pa)[1]

pKS-Wert

8,2[1]

Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[2]

Hemisulfat

Gefahr

H- und P-Sätze H: 300​‐​311​‐​331
P: 261​‐​264​‐​280​‐​301+310​‐​311[2]
Toxikologische Daten

64 mg·kg−1 (LD50Mausoral)[1]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet.
Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa).

Tranylcypromin (Handelsname Jatrosom u. a.) ist ein irreversibler MAO-Hemmer und Inhibitor des Cytochrom-P450-2A6. Es wird als Racemat eingesetzt. Durch Inhibition der Monoaminooxidase werden eine Reihe von körpereigenen Aminen verlangsamt abgebaut (Tryptamine, Serotonin, Noradrenalin, Adrenalin, Dopamin, Melatonin, Phenethylamin und Histamin), die dann bei den Stoffwechselvorgängen vermehrt zur Verfügung stehen. Dasselbe gilt allerdings auch für körperfremde Amine, etwa Tyramin, wie es beispielsweise in Rotwein und manchen Käsesorten vorkommt. Bei Genuss solcher Nahrungsmittel kann es unter Therapie mit Tranylcypromin zu hypertensiven Krisen mit lebensbedrohlichen Folgen (Hirnblutungen) kommen.[3] Das Risiko des Auftretens einer durch Tyramin induzierten hypertensiven Krise ist nicht nur von der Dosis abhängig, sondern auch von Patient zu Patient unterschiedlich.

Da bei der Einnahme daher eine streng tyraminarme Ernährung eingehalten werden muss, ist Tranylcypromin nicht Mittel der Wahl bei Depressionen. Zum Einsatz kommt es vor allem bei therapieresistenten Depressionen oder anderen, schwerwiegenden psychischen Störungen (wie etwa Angststörungen), bei deren Behandlung sich andere Antidepressiva als unwirksam erwiesen haben. Therapeutisch sinnvolle Dosen bewegen sich üblicherweise zwischen 20 und 60 mg; manche Patienten sprechen allerdings erst auf höhere Dosen an. Auch wird das Medikament aufgrund des ungünstigen Nebenwirkungsprofils heute eher selten verschrieben. Typische Nebenwirkungen sind neben Mundtrockenheit, Schlafstörungen und Gewichtsveränderung u. a. auch Störungen des Blutkreislaufs und damit einhergehend eine allgemeine Schwächesymptomanik und gesteigertes Kälteempfinden. Für ein Antidepressivum eher untypisch kann der Wirkstoff (ähnlich Bupropion) zudem die Libido deutlich erhöhen, was auf die Amphetaminkomponente des Wirkstoffs zurückzuführen ist. Die Amphetaminkomponente bewirkt hier auch bei vielen Patienten schon Minuten nach der ersten Einnahme einen direkten Effekt, wobei die antidepressive Komponente erst nach einigen Wochen eintritt.

Tranylcypromin kann nur mit wenigen anderen Antidepressiva oder Sympathomimetika kombiniert werden, da dies meistens gravierende Nebenwirkungen zur Folge hat (Blutdruckkrise, Serotonin-Syndrom, Krampfanfälle, Tod). Die gleichzeitige Behandlung mit Lithiumsalzen und einigen bestimmten Neuroleptika sowie Benzodiazepinen ist jedoch möglich. Diese Behandlungsstrategien kommen dann zum Einsatz, wenn die Monotherapie mit Tranylcypromin noch kein zufriedenstellendes Behandlungsergebnis zeigt.

Tranylcypromin besitzt zwei stereogene Zentren am Cyclopropanring. Folglich können theoretisch folgende vier Stereoisomere dieses Stoffs vorliegen:

  • (1S,2R)-Form
  • (1R,2S)-Form
  • (1S,2S)-Form
  • (1R,2R)-Form

Das 1:1-Gemisch (Racemat) der (1S,2R)- und der (1R,2S)-Form wird als Arzneistoff Tranylcypromin eingesetzt. Diese beiden Stereoisomere (genauer: Enantiomere) besitzen trans-Konfiguration, d. h., der Amino- und der Phenylrest stehen auf entgegengesetzten Seiten des ebenen Cylopropanringes. Die beiden cis-Stereoisomere, also die (1S,2S)- und die (1R,2R)-Form besitzen keine praktische Bedeutung, bei diesem Enantiomerenpaar stehen der Amino- und der Phenylrest auf der gleichen Seite des ebenen Cylopropanringes.

Einzelnachweise

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  1. a b c d Eintrag zu Tranylcypromin. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 10. November 2014.
  2. a b Datenblatt trans-2-Phenylcyclopropylamine hemisulfate salt bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 24. April 2011 (PDF).
  3. Fachinformation Jatrosom, 02/2020. abgerufen am 24. August 2020.
Commons: Tranylcypromin – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien