Kindersinfonie

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
(Weitergeleitet von Kindersymphonie)
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Die Kindersinfonie (Originaltitel: Berchtoldsgaden Musick[1] und Sinphonia Berchtolgadensis[2]) ist eine Kammermusikkomposition, deren übliche Kammermusik-Besetzung analog zum Originaltitel um typische Kinderinstrumente aus dem Sortiment der Berchtesgadener War erweitert ist. Wer die um 1765 entstandene Sinfonie komponiert hat, ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Die Bezeichnungen Berchtoldsgaden bzw. Berchtolgadensis beziehen sich auf Berchtesgaden bzw. das bis 1803 fürstpröpstlich regierte Berchtesgadener Land.

Die Kindersinfonie ist vermutlich um 1760/70 entstanden[1] und wäre damit als Kammermusikkomposition zeitlich kurz vor oder zu Anfang der Wiener Klassik (ca. 1760– ca. 1825) einzuordnen. (Die „Stamser Handschrift“ von Stefan Paluselli gilt als die älteste noch existierende Abschrift der Kindersinfonie und wird auf 1790 datiert.)[1]

Den Titel „Kinder-Sinfonie“ erhielt das dreisätzige Werk erstmals 1813 in einer Notenausgabe des Musikverlags Hofmeister, die das Werk offenkundig aus Werbegründen fälschlicherweise unter Nennung von Joseph Haydn als Komponisten präsentierte.[1]

Wie schon Joseph Haydn und dessen Bruder Michael Haydn galten zeitweise auch Leopold Mozart oder dessen Schüler Johann Rainprechter als Komponisten. Nach neueren Erkenntnissen soll Edmund Angerer der Komponist der „Kindersinfonie“ sein,[3] doch auch diese These ist unter Musikwissenschaftlern nicht unumstritten. So hält der australische Musikwissenschaftler Robert Illing in einer 1994 erschienenen Monographie entgegen, dass es sich bei der Handschrift aus Angerers Feder auch um eine Abschrift handeln könne, diese eine Urheberschaft also nicht beweise.[4][5] Unter Einbeziehung nicht nur der Aussagen von Illing kam 1997 auch die Musikwissenschaftlerin Hildegard Herrmann-Schneider vom Innsbrucker Institut für Tiroler Musikforschung zu dem Schluss: „Trotzdem war es noch nicht möglich, eine definitive Zuschreibung an den Komponisten Edmund Angerer vorzunehmen.“[1] Hellmut Schöner nannte 1982 ebenfalls die siehe oben als berühmte Komponisten genutzten „Werbeträger“ der Komposition, darüber hinaus aber anstelle von Angerer einen aus der Berchtesgadener Hofmusiker- und Komponistenfamilie Fembacher[6] als möglichen Urheber.[2]

Aufbau der Kindersinfonie

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Kindersinfonie kommen neben der üblichen Orchesterbesetzung sieben typische Kinderinstrumente der ab Ende des 15. bis Anfang des 19. Jahrhunderts hergestellten und vertriebenen Berchtesgadener War aus dem seinerzeit fürstpröpstlich regierten Berchtesgadener Land zum Einsatz: Kuckuck, Wachtel, Trompete, Trommel, Ratsche, Orgelhenne und Cymbelstern.[4]

Das vollständige Werk besteht nach der Physischen Beschreibung der Stamser Handschrift sowie den Editionsrichtlinien und dem Revisionsbericht des Instituts für Tiroler Musikforschung aus folgenden drei Sätzen:[1]

  1. Allegro
  2. Menuetto
  3. Finale (Presto)

Die Besetzung dieser Kindersinfonie mit Spielzeuginstrumenten aus dem Sortiment der Berchtesgadener War inspirierte andere Komponisten wie Bernhard Romberg (1767–1841), der eine Kindersinfonie in C-Dur (Op. 62)[7] schrieb, wie auch Ignaz Lachner (1807–1895) eine Toy-Symphony (Opus 85)[8] komponierte. Und der Budapester Musikdirektor Jiří Družecký (1745–1819) erweiterte sein Bläseroktett um Instrumente der Berchtesgadener War für seine Partita Berdlersgarn.[9] Insgesamt heißt es zum Einsatz dieser Spielzeuginstrumente auf der Webseite des „Terzina Salzburg“-Terzetts auch noch: „Die Fülle der Handschriften und Drucke ist erstaunlich, man findet sie in Stams (Tirol), Budapest, Melk, Eisenstadt, Krummau, Prag, Dresden, Hamburg, Paris, Brüssel und Berlin.“[4]

  • Hildegard Herrmann-Schneider: Edmund Angerer OSB (1740–1794) aus Stift Fiecht/Tirol: Der Komponist der Kindersinfonie? In: Mozart-Jahrbuch 1996, S. 23–38.
  • Hildegard Herrmann-Schneider: Zur Edition. In: Edmund Angerer, Berchtoldsgaden Musick „Kindersinfonie“. Erstdruck (Beiträge zur Musikforschung in Tirol 3). Institut für Tiroler Musikforschung, Innsbruck 1997, S. 9–17.
  • Robert Illing: Berchtolds gaden musick: a study of the early texts of the piece popularly known in England as Haydn's Toy Symphony and in Germany as Haydns Kindersinfonie, and of a cassation attributed to Leopold Mozart which embodies the Kindersinfonie. Illing, Melbourne 1994, ISBN 0-949302-61-9.

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. a b c d e f Hildegard Herrmann-Schneider: Zur Edition, Institut für Tiroler Musikforschung (Innsbruck), online unter musikland-tirol.at
  2. a b Hellmut Schöner (Hrsg.): Berchtesgaden im Wandel der Zeit. Ergänzungsband I, Verein für Heimatkunde d. Berchtesgadener Landes, Verlag Berchtesgadener Anzeiger sowie Karl M. Lipp Verlag, München 1982, ISBN 3-87490-528-4, S. 352
  3. Wer komponierte die weltbekannte Kindersinfonie? (Memento vom 23. Januar 2015 im Internet Archive), online unter musikland-tirol.at
  4. a b c Kindersinfonie (Memento vom 22. Februar 2013 im Internet Archive), ehemalige Webseite des Terzets Terzina Salzburg mit weiterführenden Informationen zur Kindersinfonie, online unter terzina.org
  5. Robert Illing: Berchtolds gaden musick: a study of the early texts of the piece popularly known in England as Haydn's Toy Symphony and in Germany as Haydns Kindersinfonie, and of a cassation attributed to Leopold Mozart which embodies the Kindersinfonie. Illing, Melbourne 1994, ISBN 0-949302-61-9.
  6. Gemeint sind hierbei Mathias Fembacher (1673–1748), Franz Mathias Fembacher (1709–1773) und Johann Baptist Paul Fembacher (1756–1809) siehe In: Hellmut Schöner (Hrsg.): Berchtesgaden im Wandel der Zeit. Ergänzungsband I, Berchtesgadener Anzeiger sowie Karl M. Lipp Verlag, München 1982, ISBN 3-87490-528-4, S. 345
  7. Bernhard Romberg (1767–1841): Kindersinfonie in C Major Op.62 (Score-Video), auf dem Notenblatt überschrieben mit Toy Symphony, Aufnahme auf YouTube, online unter youtube.com
  8. Ignaz Lachner (1807–1895): Toy Symphony,Op.85, Aufnahme auf YouTube, online unter youtube.com
  9. Jiří Družecký (1745–1819): Partita Berdlersgarn - Allegro, Collegium musicum Pragense/František Vajnar, Aufnahme auf YouTube, online unter youtube.com