Grande Nation

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Der gallische Hahn, Wappentier von 1789 bis 1804, ist noch immer eine tierische Nationalallegorie für Frankreich, auch im ethnophaulistischen Sinne

Grande Nation [ˌgʀɑ̃dnaˈsjɔ̃] (französisch für „große Nation“) wird besonders in Deutschland, Österreich und der Schweiz[1] mit bestimmtem Artikel (Die bzw. La Grande Nation) – als Synonym für Frankreich bzw. die Französische Nation verwendet. Eine Verbindung des Begriffs mit dem unbestimmten Artikel (Une bzw. Eine) ist im Deutschen unüblich. In Frankreich selbst ist der Begriff (auch mit bestimmtem Artikel) kaum verbreitet. Deutlich verbreiteter ist der Begriff der Grandeur, der Herrlichkeit bzw. Sonderstellung Frankreichs.

Begriffsherkunft

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Im Französischen wird der Begriff La Grande Nation nur noch geschichtlich verwendet, und zwar in Bezug auf die Napoleonische Zeit. Er bezeichnete zu jener Zeit ein Frankreich in seinen „natürlichen“ (geographischen) Grenzen – im Sinn einer geeinten, zentralistisch regierten Republik statt eines Frankreichs vieler Provinzen. In diesem Sinn wurde der Begriff in Frankreich fast nur in der Zeit von 1790 bis 1800 benutzt. Der Brockhaus von 1907 führt ihn auf Napoleon in der Zeit des Italienfeldzugs 1797 zurück.[2][3] Auch deutsche Bewunderer der französischen Revolution wie Christoph Martin Wieland (1790) verwendeten den Begriff als Bezeichnung für Frankreich.

In den Befreiungskriegen gegen Napoleon nahm die Bezeichnung einen negativen Beiklang an und wurde von da an etwa in der Rheinkrise 1840, im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 bis 1945 häufig abwertend im Rahmen der Idee einer deutsch-französischen Erbfeindschaft verwendet (höhnisch z. B. durch die Deutsche Wochenschau in Berichten über die französische Niederlage 1940). Durch den europäischen Einigungsprozess und vor allem seit der Zeit von Charles de Gaulle hat der Begriff durch die Aussöhnung zwischen beiden Ländern seine negative Bedeutung weitgehend verloren.[4] Er findet sich aber immer noch häufig in der deutschsprachigen Presse,[5] oft mit einer leicht spöttischen oder herablassenden Bedeutung, aber auch bewundernd im Sinne eines ungebrochenen Verhältnisses zur eigenen Vergangenheit.[6]

Teilweise besteht in Deutschland die Auffassung, der Begriff La Grande Nation werde von Franzosen selbst als aktuelle Eigenbezeichnung für ihr Land verwendet – vergleichbar der deutschen Eigenbezeichnung „Land der Dichter und Denker“ für Deutschland. Ein Grund dafür können patriotisch klingende Passagen in Ansprachen französischer Politiker sein: So betonte de Gaulle häufig den Begriff der französischen „Nation“[7] und sprach auch von grande nation (ohne bestimmten Artikel).[8] Jacques Chirac verwendete die Bezeichnung « une très grande nation » (wörtlich übersetzt „eine sehr große Nation“, sinngemäß auch „eine bedeutende Nation“)[9] und sagte zum Beispiel: « Nos compatriotes sont bien conscients que la France a tous les atouts pour être une grande nation. » Bei solchen Ansprachen französischer bzw. französischsprachiger Politiker wird aber nahezu stets der unbestimmte Artikel une zu grande nation verwendet und oft auch noch ein ergänzendes Adjektiv angehängt (zum Beispiel « une grande nation culturelle », „eine bedeutende Kulturnation“). Wird der Begriff La Grande Nation, wie im Deutschen üblich, mit bestimmtem Artikel und als Synonym für das heutige Frankreich verwendet, kann dies in der Kommunikation zwischen Deutsch- und Französischsprachigen zu Irritationen und Missverständnissen führen.[10]

Grandeur de la France

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Nach wie vor von Bedeutung für das Verständnis der Außenpolitik wie des Selbstverständnis Frankreichs ist der Begriff der Grandeur.[11] Die Grandeur, die Größe und Sonderstellung Frankreichs ist und war ein wichtiger Aspekt des Gaullismus, wurde diesem aber auch aus linker Sicht zugeschrieben, etwa von Régis Debray. Die Grandeur wie die Sonderstellung Frankreichs sind unter anderem in den Kriegsmemoiren de Gaulles an zentraler Stelle zu finden.[12] Ebenso taucht sie in verschiedenen einschlägigen Romantiteln auf, so etwa bei Balzac Grandeur et décadence wie auch bei Louis Aragon (Servitude et Grandeur des Français. Scènes des années terribles, 1945). Noch 1992 schrieb der ehemalige Botschafter Gilbert Perol ein durchaus ernstgemeintes Buch über die Grandeur de la France.[13]

  • Eva Kreisky, Marion Löffler, Sabine Zelger: Staatsfiktionen: Denkbilder moderner Staatlichkeit. facultas.wuv / maudrich, 2011.
  • Klaus Schubert: Nation und Modernitèat als Mythen: eine Studie zur politischen Identität der Franzosen. Springer Verlag, 2004.
  • Julia Zeihe: Charles de Gaulle – Boykott gegen den Europäischen Integrationsprozess. GRIN Verlag, 2007.
  • Hans-Martin Gauger: Was wir sagen, wenn wir reden. München 2004.
  • Hans-Martin Gauger: Noch einmal, die Grande Nation. 2010.
  • Hans-Martin Gauger: Grande nation – über einen (groben) sprachlichen Unfug. (Memento vom 27. März 2014 im Internet Archive) (PDF) In: Bulletin. Nr. 31, Uni Freiburg, Frankreichzentrum 2001.

Pressestimmen

Wiktionary: Grande Nation – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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  1. Hans-Martin Gauger, siehe Literatur. Vereinzelt konstatiert er die Verwendung auch in England.
  2. Zum Beispiel in einem Brief an Talleyrand oder einer Rede vor dem Direktorium 1797.
  3. Auch bei Historikern dieser Zeit taucht der Begriff auf, so bei Jacques Godechot im Titel seines Buches La Grande Nation. L’expansion révolutionnaire de la France dans le monde de 1789 à 1799. Paris 1956.
  4. Focus Online: Personen der Zeitgeschichte: Charles de Gaulle.
  5. Zum Beispiel im Titel des Buches von Alexander von Sobeck Ist Frankreich noch zu retten? Hinter den Kulissen der Grande Nation. Berlin 2007.
  6. Hans-Martin Gauger, siehe Literatur.
  7. Klaus Schubert: Nation und Modernität als Mythen: eine Studie zur politischen Identität der Franzosen. S. 279.
  8. z. B. in einer Rede in Straßburg, 7. April 1947
  9. Abschiedsansprache von Präsident Jacques Chirac vom 15. Mai 2007 zum Ende seiner Amtszeit (Memento vom 21. Juni 2008 im Internet Archive)
  10. Siehe die in der Literatur zitierten Artikel von Hans-Martin Gauger
  11. Henrik Uterwedde: Frankreich – Grundlagen der Grandeur. In: Josef Braml, Stefan Mair, Eberhard Sandschneider (Hrsg.): Außenpolitik in der Wirtschafts- und Finanzkrise. Walter de Gruyter, 2012, ISBN 978-3-486-85510-4 (books.google.com [abgerufen am 15. März 2016]).
  12. Günther Haensch: Frankreich: Politik, Gesellschaft, Wirtschaft. C.H.Beck, 1998, ISBN 3-406-43345-6, S. 203 (books.google.com [abgerufen am 15. März 2016]).
  13. Marieluis Christadler, Henrik Uterwedde: Länderbericht Frankreich: Geschichte, Politik, Wirtschaft, Gesellschaft. Springer-Verlag, 2013, ISBN 978-3-322-97412-9 (books.google.com [abgerufen am 15. März 2016] Zitiert u. a. auf Seite 461 Gilbert Perol, La grandeur de la France, Paris: Albin Michel, 1992 sowie eine hagiographische Schrift Debrais zu de Gaulle von 1990).