Johann Ludwig Graf Schwerin von Krosigk

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Johann Ludwig Graf Schwerin von Krosigk (1932)

Johann Ludwig „Lutz“ Graf Schwerin von Krosigk, geboren als Johann Ludwig von Krosigk (* 22. August 1887 in Rathmannsdorf/Anhalt; † 4. März 1977 in Essen), war ein deutscher Jurist und Politiker. Vom 2. Juni 1932 bis zum 23. Mai 1945 war er Reichsminister der Finanzen. Er war parteilos, bis er 1937 durch Annahme einer Parteiehrung in die NSDAP aufgenommen wurde.

Nach seinem Aufstieg als Beamter innerhalb des Ministeriums wurde er 1932 zum Finanzminister im Kabinett Papen ernannt. Bei der Machtübernahme der Nationalsozialisten behielt er im Kabinett Hitler seinen Posten und blieb bis zum Ende des „Dritten Reiches“ im Amt. Nach dem Tod Adolf Hitlers wurde Schwerin von Krosigk von dem von Hitler zu seinem Nachfolger eingesetzten Karl Dönitz am 2. Mai 1945 zusätzlich zum Leitenden Minister und Reichsminister des Auswärtigen in der geschäftsführenden Regierung Dönitz ernannt, die nur noch für wenige Tage über kleine Restgebiete des Deutschen Reiches gebot.

Schwerin von Krosigk im hellgrauen Anzug hinter Göring, Aufnahme des Kabinetts Hitler am 30. Januar 1933, dem Tag von Hitlers Machtergreifung

Lutz von Krosigk war das siebte Kind von Erich von Krosigk (1829–1917) aus dem Adelsgeschlecht Krosigk und das zweite Kind von dessen zweiter Ehefrau Luise Gräfin von Schwerin (1853–1920). Nach dem Abitur an der Klosterschule Roßleben begann Krosigk 1905 ein Studium der Rechts- und Staatswissenschaften an den Universitäten Halle (Saale), Lausanne und Oxford, das er 1909 mit dem Referendarexamen beendete. Am Ersten Weltkrieg nahm von Krosigk als Reserveoffizier teil. Er wurde mit beiden Klassen des Eisernen Kreuzes ausgezeichnet und hatte am Kriegsende den Dienstgrad eines Oberleutnants. 1918 heiratete er Ehrengard von Plettenberg. Aus ihrer Ehe gingen vier Söhne und fünf Töchter hervor.

Im Jahr 1920 arbeitete von Krosigk als Assessor beim Landratsamt in Hindenburg/Oberschlesien. Er wechselte dann als Regierungsrat in das Reichsfinanzministerium nach Berlin. 1922 folgte die Ernennung zum Oberregierungsrat und 1924 zum Ministerialrat. Ab 1929 leitete er als Ministerialdirektor die Etatabteilung des Reichsfinanzministeriums. 1931 übernahm er zusätzlich die Leitung der Reparationsabteilung. 1932 wurde er von Reichskanzler Franz von Papen als Reichsminister der Finanzen in das Kabinett berufen. In dieser Funktion nahm er an der Konferenz von Lausanne teil, die Deutschlands Reparationsverpflichtungen de facto beendete. Er behielt das Amt des Reichsfinanzministers auch unter Papens Amtsnachfolgern Kurt von Schleicher und Adolf Hitler bis 1945.

Schwerin von Krosigk am Volkstrauertag 1934 im Gespräch mit Vizekanzler Franz von Papen

Als Kabinettsmitglied unterzeichnete Schwerin von Krosigk am 24. März 1933, neben weiteren Ministern und dem Reichspräsidenten, das Ermächtigungsgesetz.[1] Im April 1933 entließ er auf Befehl Hitlers seinen bisherigen Staatssekretär Arthur Zarden, mit dem er reibungslos zusammengearbeitet hatte, zugunsten des überzeugten Nationalsozialisten Fritz Reinhardt.[2]

Während einer Kabinettsitzung am 30. Januar 1937 verlieh Hitler anlässlich des 4. Jahrestags der „Machtergreifung“ mehreren hohen Offizieren, Beamten und den bisher parteilosen Kabinettsmitgliedern Hjalmar Schacht, Konstantin von Neurath, Franz Gürtner, Paul von Eltz-Rübenach und Johann Ludwig Graf Schwerin von Krosigk das Goldene Parteiabzeichen. Während Paul von Eltz-Rübenach die Annahme ablehnte, wurden die Übrigen durch diesen Verleihungsakt Mitglied der NSDAP (Mitgliedsnummer 3.805.231).[3][4] Joseph Goebbels schrieb in seinem Tagebuch über Krosigk:

Schwerin von Krosigk links neben Goebbels bei einer Reichstagssitzung 1941

Er ist zwar vor Beginn jeder Zuspitzung etwas zurückhaltend, bewährt sich dann aber zuverlässig. Dem Typ nach gehört er zu den Beamten, die wir in unserem Staat gut gebrauchen können.

Joseph Goebbels[5]

In der traditionellen Finanzpolitik verlor das Reichsfinanzministerium an Bedeutung, weil in vielen Bereichen, Ministerien und Sonderkommissiariaten keine Haushaltspläne mehr aufgestellt werden mussten, die der Finanzminister hätte kontrollieren können. NS-Organisationen unterlagen ohnehin nicht der Kontrolle Schwerin von Krosigks. Zudem ging die Aufrüstung der Wehrmacht, auf die Schwerin von Krosigk keinen Einfluss hatte, weit über die finanzpolitischen Möglichkeiten des Hitler-Staates hinaus, so dass sich das Dritte Reich zunehmend verschuldete. Während des Krieges erzielte Deutschland viele Einnahmen aus den besetzten Ländern. Nach der letzten Kabinettssitzung 1938 konzentrierte sich Schwerin von Krosigk auf die Verwaltung seines Amtes und trat politisch nur noch wenig in der Öffentlichkeit in Erscheinung. Mit Kriegsbeginn hatte er nach eigenen Angaben „kaum mehr unmittelbaren Zugang zu Hitler“ und habe Hitler angeblich während des gesamten Krieges nie über Ressortangelegenheiten „Vortrag halten können“.[6]

Schwerin von Krosigk war einer von vier Reichsministern, die bereits in der Weimarer Republik ins Amt gekommen waren und als Minister von Hitler in dessen Kabinett übernommen wurden. Er blieb bis zum Ende des Dritten Reiches ununterbrochen Minister. Zum Zeitpunkt seines Todes war er der letzte noch lebende Minister eines Kabinetts der Weimarer Republik.

Während der Schlacht um Berlin, unmittelbar nach dem letzten Geburtstag Hitlers, am 20. April 1945, kam es zu den vorbereiteten Evakuierungsmaßnahmen.[7] Alle Reichsminister sollten sich in Eutin sammeln, da der Raum Eutin-Plön zu dieser Zeit noch kampffrei war.[8][9] Von Krosigk hatte Ende April 1945 seinen Wohnsitz beim Landrat Waldemar von Mohl in Bad Segeberg. Über die Reichsstraße 432 fuhr von Krosigk täglich nach Eutin und Plön, um dort an Gesprächen der verbliebenen Reichsregierung teilzunehmen.[10] In Hitlers politischem Testament wurde Schwerin von Krosigk als Finanzminister bestätigt. Anfang Mai 1945 ernannte ihn Karl Dönitz zum Leitenden Minister und Reichsaußenminister.[11]

Als Leitender Minister der geschäftsführenden Reichsregierung (Kabinett Schwerin von Krosigk) in Flensburg-Mürwik verkündete er über den Reichssender Flensburg am 7. Mai 1945 gegen Mittag die Nachricht über die bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht, die am 8. Mai um 23:01 Uhr in Kraft treten sollte. Damit war der Krieg in Europa beendet.[12][13]

Schwerin von Krosigk auf der Anklagebank in Nürnberg

Am 23. Mai 1945 wurden er und sein Kabinett im Sonderbereich Mürwik verhaftet, und die Alliierten übernahmen am 5. Juni 1945 mit dem Alliierten Kontrollrat auch formell die oberste Regierungsgewalt in Deutschland als Ganzem. Zuerst war er in der Flak-Kaserne Ludwigsburg und danach im Kriegsgefangenenlager Nr. 32 (Camp Ashcan) im luxemburgischen Bad Mondorf interniert. Später wurde er ins Zellengefängnis Nürnberg verbracht und im zu den Nürnberger Prozessen gehörenden Wilhelmstraßen-Prozess am 14. April 1949 unter anderem wegen Plünderung des Eigentums deportierter Juden durch die Finanzämter zu zehn Jahren Haft als Kriegsverbrecher verurteilt. Sein Verteidiger war Stefan Fritsch. Er selbst nannte dieses Urteil „gerechte Sühne für eine auf ganz anderer Ebene liegende Schuld, eben für die Schuld des abgestumpften und eingeschläferten Gewissens“.[14] Am 31. Januar 1951 wurde er aufgrund einer Amnestie aus dem Kriegsverbrechergefängnis Landsberg entlassen und in die Organisation Gehlen aufgenommen.[15][16]

Schwerin von Krosigk lebte danach in Essen und war als Schriftsteller und Publizist tätig. 1975 veröffentlichte er eine Biographie nach Briefen, Tagebüchern und anderen Dokumenten über Jenny Marx, Karl Marx’ Ehefrau und Halbschwester seiner Großmutter Louise (gen. Lisette) von Krosigk, geb. von Westphalen (1800–1863).[17][18][19]

Familienname und Nachfahren

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Geboren als Johann Ludwig von Krosigk, wurde er 1925 von seinem Onkel Alfred Graf von Schwerin, dem Bruder seiner 1920 verstorbenen Mutter, Luise Gräfin von Schwerin, adoptiert und führte fortan den vererbbaren Titularnamen Graf Schwerin von Krosigk.

Krosigk heiratete 1918 Ehrengard von Plettenberg (1895–1979), Tochter von Friedrich von Plettenberg-Heeren und Ehrengard von Krosigk (1873–1943), einer Tochter aus der ersten Ehe seines Vaters Erich von Krosigk. Das Paar hatte vier Söhne und fünf Töchter; zu den Nachfahren zählen:

  • seine Tochter Anna Luise Gräfin Schwerin von Krosigk (1920–1979)
  • sein Sohn Friedrich Wilhelm Erich Franz Schwerin von Krosigk (1921–1943)
  • seine Tochter Ehrengard Bertha Minetta von Bismarck (1922–2012; geborene Gräfin Schwerin von Krosigk)
  • sein Sohn Anton Graf Schwerin von Krosigk (1925–2022), Landrat
  • seine Tochter Felicitas-Anita Siegfriede von Oldenburg (* 1941; geborene Gräfin Schwerin von Krosigk)

und die Enkel

Veröffentlichungen

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  • Nationalsozialistische Finanzpolitik. (= Kieler Vorträge. Band 41), Fischer, Jena 1936.
  • Wirtschaft und öffentliche Finanzen – Vortrag. Aachen 1935.
  • Deutschlands Kriegsfinanzierung. Rede vor der Ungarisch-Deutschen Gesellschaft in Budapest. Deutsche Informationsstelle, Berlin 1941.
  • Es geschah in Deutschland. Menschenbilder unseres Jahrhunderts. Wunderlich, Tübingen 1951.
  • Die große Zeit des Feuers – Der Weg der deutschen Industrie. Wunderlich, Tübingen 1959.
  • Alles auf Wagnis – der Kaufmann gestern, heute und morgen. Wunderlich, Tübingen 1963.
  • Persönliche Erinnerungen. Drei Bände. Selbstverlag, Essen 1973–1974.
  • Staatsbankrott. Die Geschichte der Finanzpolitik des Deutschen Reiches von 1920 bis 1945, geschrieben vom letzten Reichsfinanzminister. Musterschmidt, Göttingen 1975, ISBN 3-7881-1679-X.
  • Jenny Marx. Liebe und Leid im Schatten von Karl Marx. Eine Biographie nach Briefen, Tagebüchern und anderen Dokumenten. Staats-Verlag, Wuppertal 1975 (zweite Auflage, 1976), ISBN 3-87770-015-2.
  • Memoiren. Seewald, Stuttgart 1977, ISBN 3-512-00468-7 (Kurzfassung der Persönlichen Erinnerungen).
  • Die großen Schauprozesse. Politische Justiz. Universitas, München 1981, ISBN 3-8004-1011-7.
  • Götz Aly: Hitlers Volksstaat. S. Fischer, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-10-000420-5.
  • Klaus Goehrke: In den Fesseln der Pflicht. Der Weg des Reichsfinanzministers Lutz Graf Schwerin v. Krosigk. Verlag Wissenschaft und Politik, Köln 1995, ISBN 3-8046-8825-X.
  • Martin Friedenberger: Die Reichsfinanzverwaltung im Nationalsozialismus. Darstellung und Dokumente. (= Veröffentlichungen der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz Band 1). Ed. Temmen, Bremen 2002, ISBN 3-86108-377-9.
  • Johannes Hürter: Schwerin von Krosigk, Johann Ludwig Graf. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 24, Duncker & Humblot, Berlin 2010, ISBN 978-3-428-11205-0, S. 79 f. (Digitalisat).
  • Eric A. Johnson: Terror: Gestapo, Juden und gewöhnliche Deutsche. Siedler, Berlin 2001, ISBN 3-88680-619-7.
  • Tim Mason: Sozialpolitik im Dritten Reich: Arbeiterklasse und Volksgemeinschaft. Westdeutscher Verlag, Opladen 1977, ISBN 3-531-11364-X.
  • Christian Andreas von Biel und seine Stiftung. Für die Nachkommen des Stifters, hrsg. vom Familienrat. Druck: SCHOTTdruck, Kiel (Information zu den Vorfahren).
Commons: Johann Ludwig Graf Schwerin von Krosigk – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. 2., aktual. Auflage, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-596-16048-0, S. 574.
  2. Johannes Hürter: Schwerin von Krosigk, Johann Ludwig Graf. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 24, Duncker & Humblot, Berlin 2010, ISBN 978-3-428-11205-0, S. 79 f. (Digitalisat).
  3. Alfred Gottwaldt: Dorpmüllers Reichsbahn – Die Ära des Reichsverkehrsministers Julius Dorpmüller 1920–1945. EK-Verlag, Freiburg 2009, ISBN 978-3-88255-726-8, S. 115.
  4. Götz Aly: Hitlers Volksstaat: Raub, Rassenkrieg und nationaler Sozialismus. S. Fischer Verlag, 2013, S. 30.
  5. Götz Aly: Hitlers Volksstaat: Raub, Rassenkrieg und nationaler Sozialismus. S. Fischer Verlag, 2013, S. 31.
  6. Rüdiger Hachtmann, Winfried Süß: Hitlers Kommissare: Sondergewalten in der nationalsozialistischen Diktatur (= Beiträge zur Geschichte des Nationalsozialismus Nr. 22). Wallstein Verlag, Göttingen 2006, ISBN 3-8353-0086-5, S. 66.
  7. Stephan Link: „Rattenlinie Nord“. Kriegsverbrecher in Flensburg und Umgebung im Mai 1945. In: Gerhard Paul, Broder Schwensen (Hrsg.): Mai ’45. Kriegsende in Flensburg. Flensburg 2015, S. 20 f.
  8. Ernst Piper: Alfred Rosenberg. Hitlers Chefideologe. München 2005, S. 620.
  9. LN suchen Zeitzeugen – Vor 70 Jahren ging der Zweite Weltkrieg zu Ende. In: Lübecker Nachrichten. 14. Februar 2015, abgerufen am 7. Juli 2017.@1@2Vorlage:Toter Link/www.ln-online.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Januar 2024. Suche in Webarchiven)
  10. Jörg Wollenberg: Spurensuche hinter den Mauern des Vergessens. In: Heinrun Herzberg, Eva Kammler (Hrsg.): Biographie und Gesellschaft: Überlegungen zu einer Theorie des modernen Selbst. Frankfurt am Main/New York 2011, S. 202.
  11. Gerhard Paul (Historiker): Der letzte Spuk. Drei Wochen zwischen Größenwahn und Terror: In Flensburg versucht Hitlers Nachfolger Großadmiral Karl Dönitz noch bis zum 23. Mai 1945, das Deutsche Reich aufrechtzuerhalten. In: Die Zeit. Nr. 19, 4. Mai 2005.
  12. Bekanntgabe der deutschen Kapitulation im Radio. In: Österreichische Mediathek. abgerufen am 29. Juni 2017.
  13. Gerhard Paul: „Seit Mitternacht schweigen nun an allen Fronten die Waffen.“ Der „Reichssender Flensburg“ im Mai 1945. In: Gerhard Paul, Broder Schwensen (Hrsg.): Mai ’45. Kriegsende in Flensburg (= Schriftenreihe der Gesellschaft für Flensburger Stadtgeschichte. Band 80). 1. Auflage, Gesellschaft für Flensburger Stadtgeschichte, Flensburg 2015, ISBN 978-3-925856-75-4, S. 71, 75.
  14. Gestorben: Lutz Graf Schwerin von Krosigk. In: Der Spiegel. Nr. 12/1977, 14. März 1977.
  15. Geheimnisse des BND: Braune Schatten. In: ZDFinfo. Zweites Deutsches Fernsehen, abgerufen am 24. August 2023.
  16. Ex-Nazis als Spione: Die Gründung des Bundesnachrichtendienstes | ZDFinfo Doku. In: Youtube. Zweites Deutsches Fernsehen, abgerufen am 24. August 2023 (deutsch).
  17. Johann Ludwig, Graf Schwerin von Krosigk. auf: geneall.net
  18. Alles über Tante Jenny. Rezension. In: Der Spiegel. Nr. 48/1975, 24. November 1975.
  19. Jennys Leben. In: Die Zeit. 9. April 1976.