Wechsel zwischen Politik und Wirtschaft

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In einer Demokratie werden politische Ämter und Mandate nur auf Zeit vergeben. Hierdurch kommt es nach dem Ende der Amtszeit regelmäßig zu einem Wechsel zwischen Politik und Wirtschaft. Stehen die neuen Tätigkeiten dabei im Zusammenhang mit den früheren politischen Zielen, sind Interessenkonflikte denkbar. Der rasche Berufswechsel zwischen Politik und Wirtschaft wird von kritischen Stimmen, welche die Verflechtung von Politik und Wirtschaft betrachten, als Drehtür-Effekt (Englisch Revolving Door) bezeichnet. In Deutschland erfolgt der Wechsel meist von der Politik in die Wirtschaft; der umgekehrte Weg ist deutlich seltener.[1]

Wechsel von der Politik in die Wirtschaft

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Unternehmen, die ehemaligen hochrangigen Politikern bzw. Beamten Posten zum Beispiel als Berater, im Aufsichtsrat oder im Vorstand anbieten, erhoffen sich von ihren neuen Mitarbeitern neben der Qualifikation oftmals, dass diese ihre politischen Kontakte für das Unternehmen gewinnbringend einsetzen. Diejenigen, die in die Wirtschaft wechseln, rechtfertigen sich häufig damit, dass ihnen die Ziele des Unternehmens auch schon länger bei der Arbeit als Politiker bzw. Beamter am Herzen gelegen hätten.

Ein Vorteil für die Unternehmen ist oftmals auch das interne Wissen über politische Abläufe, welches die neuen Mitarbeiter mitbringen. Insbesondere dann, wenn die Ziele des Unternehmens den Zielen der (ehemaligen) Partei entgegenstehen.

Wer schon in der Zeit als Politiker bzw. Beamter einen Posten in der Wirtschaft anstrebt, läuft Gefahr, seine Entscheidungen zu Gunsten des neuen Arbeitgebers zu fällen. Nach Ansicht der Initiative Lobbycontrol schädigt allein schon der Verdacht auf unternehmensfreundlichere Entscheidungen das Vertrauen in die Demokratie. Die Initiative kritisiert auch, dass diese Form der Vorteilsbeschaffung, die ja auch tatsächlich praktiziert werde, nicht als Korruption gewertet wird. Des Weiteren merkt Lobbycontrol in der „Drehtür-Studie“ an, dass dieser besondere Zugang zur Politik zum großen Teil nur den finanzstarken Unternehmen möglich ist, was bestehende Machtstrukturen verstärke. Auch würden sich die ehemaligen Politiker häufig sehr intransparent zeigen und darauf verweisen, dass sie nun als Privatmann tätig und niemandem Rechenschaft schuldig seien.

Wechsel von der Wirtschaft in die Politik

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Die Argumente der Politik sind häufig ähnliche wie bei den externen Mitarbeitern in deutschen Bundesministerien: Man wolle von dem Sachverstand ausgewiesener Experten in einem bestimmten Bereich profitieren.

Wird der Wechsel auf diesem Wege beschritten, können sich die Unternehmen erhoffen, dass sich der Betreffende bei seinen Entscheidungen an seinen alten Arbeitgeber erinnert. Andererseits kann es natürlich auch passieren, dass die Politik sich verspricht, den Einfluss nutzen zu können, den der Neue vielleicht noch im Unternehmen hat, um es so zum Beispiel zu einer Arbeitsplatzgarantie zu bewegen. Des Weiteren können sich Parteien mit den Kontakten des Neueinsteigers vielleicht eine Parteispende erhoffen.

Das Beispiel Zitzelsberger zeigt, wie ein Unternehmen mit dem Wechsel eines Mitarbeiters versucht hat, bei den Aktionären zu punkten.

Regelungen in Deutschland

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Für Mitglieder der Bundesregierung und für Beamte gilt nach § 6 des Bundesministergesetzes bzw. § 39 des Beamtenrechtsrahmengesetzes eine Verschwiegenheitspflicht über im Amt bekannt gewordene Angelegenheiten.

Für Beamte gilt nach § 41 BeamtenStG für bis zu fünf Jahre nach Ausscheiden aus dem Amt die Pflicht zur Angabe einer neuen Lobbytätigkeit bei der obersten Dienstbehörde, wenn diese neue Tätigkeit im Zusammenhang mit der früheren Tätigkeit steht. Die Dienstbehörde kann dann die neue Tätigkeit untersagen. Wer sich über dieses Verbot hinwegsetzt, verliert seine Versorgungsansprüche.

Es steht außerdem die Frage im Raum, inwieweit die Wechsel in die Wirtschaft den Tatbestand der strafbaren Vorteilsannahme erfüllen, dieser könne gegeben sein, wenn ein Amtsträger im Hinblick auf sein Amt Vorteile erhalte, sagte der Staatsrechtler Helmut Siekmann in einem Interview mit dem Manager-Magazin am 12. Dezember 2005[2].

Nach etwa 15 Jahren Diskussion und Kritik von Seiten einiger Nichtregierungsorganisationen (NGO) wie Lobbycontrol und Transparency International beschloss der Deutsche Bundestag am 2. Juli 2015 die Einführung einer Karenzzeit für Regierungsmitglieder und Parlamentarische Staatssekretäre.[3] Ein unmittelbarer Seitenwechsel wird damit erschwert. Damit soll verhindert werden, dass Politiker ihr im Amt erworbenes Insiderwissen und die Kontakte für Lobbytätigkeiten nutzen.[4] Ein Wechsel zwischen Politik und Wirtschaft ist demnach in bestimmten Fällen erst nach einer Abkühl- bzw. Abklingphase von 12 bis 18 Monaten möglich. Ist ein solcher Wechsel geplant, muss dieser bei einer Ethikkommission angezeigt werden, die über eine eventuelle Karenzzeit und die Dauer berät und eine Empfehlung ausspricht. Die Prüfberichte werden nicht veröffentlicht. Die Mitglieder der Ethikkommission werden auf Vorschlag der Bundesregierung vom Bundespräsidenten ernannt.[5]

Welche Bedeutung das Thema hat, zeigt folgende Statistik: „Laut einer Analyse des Spiegels wechselten zwischen 1969 und 1982 nur drei Regierungsmitglieder innerhalb von zwei Jahren nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt in die Wirtschaft. Zwischen 2000 und 2012 waren es schon elf. Nach Recherchen von abgeordnetenwatch.de und ZEIT ONLINE zeigten zwischen 2015 und 2021 – innerhalb von nur sechs Jahren – bereits 13 Wechselwillige ihre neuen Lobbytätigkeiten bei der Regierung an.“[6]

Prominente Beispiele aus Deutschland

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Internationale bekannte Beispiele

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Viele ehemalige Mitarbeiter der amerikanischen Investmentbank Goldman Sachs haben auch Karriere in der Politik gemacht, siehe Abschnitt Laufbahn ehemaliger Mitarbeiter, so z. B.:

Weitere:

Reding selbst bezeichnete 2014 ihre Nebenbeschäftigungen als unproblematisch;[26] seitens der Europäischen Kommission wurden sie genehmigt.[25]

Regelungen in der Europäischen Union

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Auf europäischer Ebene gibt es Regelungen, durch welche der schnelle Wechsel in die Wirtschaft transparent werden soll. So müssen Mitglieder der Europäischen Kommission 18 Monate lang nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt jede berufliche Tätigkeit, die aufgenommen werden soll, der Kommission melden. Weiterhin unterliegen die Kommissare einer Konkurrenzklausel: Sofern es dabei zu Interessenskonflikten mit dem ehemaligen Aufgabenbereich kommen könnte, entscheidet eine Ethikkommission über die Vereinbarkeit. Der Europäischen Kommission gegenüber ist jegliche Art von Lobbyarbeit in Bereichen, in denen sie während ihrer Amtszeit tätig waren, während dieser 18 Monate grundsätzlich untersagt.[31]

In Frankreich ist die enge personelle Verflechtung von Politik und Wirtschaft traditionell gefördert worden. Es wird von der sogenannten Pantouflage gesprochen.[32]

Das auch in den USA weitverbreitete Phänomen wird dort als Revolving Door (Drehtür) bezeichnet.[33]

In Japan wird der blumige Begriff Amakudari („vom Himmel herabsteigen“) verwendet.[34]

Einzelnachweise

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Die Informationen dieses Artikels entstammen zum großen Teil aus der Drehtür-Studie von Lobbycontrol (15. November 2007)

  1. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 7. Juli 2004, Nr. 155 / Seite 12
  2. manager-magazin: Der Altkanzler und der Agent, 12. Dezember 2005
  3. Bundestag beschließt überfällige Karenzzeit für Regierungsmitglieder. In: Lobbycontrol. 3. Juli 2015, abgerufen am 2. Februar 2022 (deutsch).
  4. Karenzzeit – Lobbypedia. Abgerufen am 2. Februar 2022.
  5. Robert Roßmann: Abklingen für den neuen Job. In: sueddeutsche.de. 3. Juli 2015, abgerufen am 2. Februar 2022.
  6. Christian Fuchs und Martin Reyher: Wie Sigmar Gabriel für die Deutsche Bank lobbyierte. In: Zeit Online. 7. September 2021, abgerufen am 2. Februar 2022.
  7. [1]
  8. Harald Freiberger: Wechsel in die Politik: Mehr Merz wagen. Abgerufen am 1. November 2022.
  9. Martin Bangemann ist nicht das erste Mitglied der EU-Behörde, das in die Wirtschaft wechselt. Aus deutscher Sicht aber ist Bangemann eine Ausnahme.
  10. Schröder verrubelt seinen Ruf. Spiegel Online, 12. Dezember 2005, abgerufen am 24. August 2012.
  11. a b „Hauch von Korruption“. In: merkur-online.de. 11. Dezember 2005, abgerufen am 4. März 2011.
  12. „Eine Schande für die Demokratie“. In: Spiegel Online. 14. Dezember 2005, abgerufen am 4. März 2011.
  13. Wirtschaft begrüßt Schröders Gasprom-Job. In: Berliner Zeitung. 7. April 2006, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 24. September 2015; abgerufen am 4. März 2011.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.berliner-zeitung.de
  14. [2]
  15. pro und kontra: nahtloser Wechsel oder Karenzzeit? - Die Zeit
  16. deutschlandfunk.de: Bahr wird Versicherungsvorstand. Deutschlandfunk, 29. September 2014
  17. allianzdeutschland.de: Veränderungen in der Geschäftsleitung. Allianz, 29. September 2014
  18. Wechsel in die Rüstungsindustrie: FDP-Politiker Baum rechnet mit Niebel ab
  19. Titus Rebhann: Früherer Büroleiter von Baerbock wird Cheflobbyist bei RWE. In: FAZ.NET. ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 1. November 2022]).
  20. U. Gellermann, 11. März 2013. In: danieladahn.de: Wir sind der Staat! (Rezensionen)
  21. David Talbot: The Devil's Chessboard: Allen Dulles, the CIA, and the Rise of America's Secret Government. HarperCollins 2015, ISBN 978-0-00-815966-5. (deutsch: Das Schachbrett des Teufels. Die CIA, Allen Dulles und der Aufstieg Amerikas heimlicher Regierung. Übersetzt von Andreas Simon dos Santos. Westend, Frankfurt am Main 2016, ISBN 978-3-86489-149-6.)
  22. Organisationsstruktur der Bertelsmann Stiftung. In: bertelsmann-stiftung.de. Abgerufen am 24. Februar 2012.
  23. Bonse, Eric: "Die Bertelsmann-Kommissarin". In: taz.de. 12. November 2014, abgerufen am 24. Februar 2012.
  24. "Im Aufsichtsrat von Agfa". In: tageblatt.lu. 7. Januar 2015, abgerufen am 24. Februar 2012.
  25. a b Corporate Europe Observatory: Revolving Door Watch – Viviane Reding. In: corporateeurope.org. Abgerufen am 24. Februar 2012 (englisch).
  26. "Ich sehe überhaupt kein Problem". In: tageblatt.lu. 12. November 2014, abgerufen am 24. Februar 2012.
  27. a b c nytimes.com 16. April 2015: Ben Bernanke Will Work With Citadel, a Hedge Fund, as an Adviser
  28. Kosovo: Company Linked to Wesley Clark Granted Coal Rights - OCCRP
  29. That Crush at Kosovo’s Business Door? The Return of U.S. Heroes - The New York Times
  30. "Privatizing" Kosovo: The Madeleine Albright Way - Gatestone Institute
  31. Verhaltenskodex für Kommissionsmitglieder (PDF; 853 kB), 20. April 2011
  32. Bundeszentrale für politische Bildung: Bildung und Struktur der politischen Elite in Frankreich abgerufen am 29. Oktober 2015
  33. Welt: Versorgungsposten für Ex-Spitzenpolitiker abgerufen am 29. Oktober 2015
  34. Anti-Korruptionsportal: Amakudari ist in Japan eine übliche Praxis. (Stand 2014), abgerufen am 29. Oktober 2015.