Dipyridamol

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Strukturformel
Allgemeines
Freiname Dipyridamol
Andere Namen
  • 2,6-Bis[bis(2-hydroxyethyl)amino]-4,8-dipiperidinopyrimido[5,4-d]pyrimidin
  • Dipyridamolum (Latein)
  • 2,2′,2′′,2′′′-(4,8-Di(piperidin-1-yl)pyrimido[5,4-d]pyrimidin-2,6-diyl)bis(azantriyl)tetraethanol (IUPAC)
Summenformel C24H40N8O4
Kurzbeschreibung

leuchtend gelbes, kristallines Pulver[1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 58-32-2
EG-Nummer 200-374-7
ECHA-InfoCard 100.000.340
PubChem 3108
DrugBank DB00975
Wikidata Q419374
Arzneistoffangaben
ATC-Code

B01AC07

Wirkstoffklasse

Thrombozytenaggregationshemmer

Eigenschaften
Molare Masse 504,63 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Schmelzpunkt

163 °C[2]

pKS-Wert

6,4[2]

Löslichkeit

praktisch unlöslich in Wasser (8,17 mg·l−1 bei 25 °C), wenig löslich in Aceton, löslich in Ethanol[1]

Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[3]

Achtung

H- und P-Sätze H: 315​‐​319​‐​335
P: 261​‐​305+351+338[3]
Toxikologische Daten

8400 mg·kg−1 (LD50Ratteoral)[2]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet.
Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa).

Dipyridamol ist ein Arzneistoff mit thrombozytenaggregationshemmender Wirkung, der zur Thrombose- und Embolieprophylaxe erstmals durch die Firma Boehringer Ingelheim unter dem Handelsnamen Persantin auf den Markt kam. Heute wird der Arzneistoff in Kombination mit Acetylsalicylsäure (ASS) unter dem Handelsnamen Aggrenox (in Österreich: Asasantin) vertrieben. Diese Kombination wird zur Rezidivprophylaxe einer zerebralen Ischämie (TIA bzw. Schlaganfall) verordnet, wenn im Einzelfall von einem erhöhten Rezidivrisiko ausgegangen wird. Der erhöhte Nutzen dieser Kombinationstherapie im Vergleich zu einer alleinigen ASS-Gabe ist derzeit jedoch strittig.

Pharmakodynamik

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Es werden zwei Wirkungsmechanismen unterschieden. Einerseits wirkt Dipyridamol als spezifischer Blocker von Adenosintransportern und hemmt so die Wiederaufnahme von Adenosin in die Präsynapse. Es steht mehr Adenosin zur Verfügung, welches über einen Gs gekoppelten Rezeptor an der koronaren Gefäßmuskelzelle über cAMP eine Relaxation auslöst. Dieses Erklärungsmodell wird zur Erklärung der Anwendung als Koronardilatator sowie in der Diagnostik (s. u.) herangezogen. Die Anwendung in der Therapie ist aufgrund des Steal-Effektes (s. u.) obsolet.[4]

Ein weiterer Wirkungsmechanismus ist die Hemmung der Phosphodiesterase, in Thrombozyten kommt es so zu einem Anstieg von cAMP, dadurch wiederum wird die Konzentration von freiem Ca2+ im Cytosol der Thrombozyten gesenkt. Dieser Effekt führt zu einer reduzierten Thrombozytenaggregation. Dies erklärt die Wirksamkeit bei der Schlaganfallprophylaxe.[5]

Anwendungsbeschränkungen und Nebenwirkungen

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Bei rückenmarksnahen Regionalanästhesie-Verfahren (Spinalanästhesie bzw. Periduralanästhesie) sollte die Kombination von Dipyridamol und ASS 48 Stunden vorher abgesetzt werden, kann aber sofort nach dem Eingriff wieder gegeben werden.[6][7]

Ein weiteres Einsatzgebiet von Dipyridamol ist die Myokardszintigrafie und die Belastungsechokardiografie. Durch Verabreichung der Substanz unter kontrollierten Bedingungen (EKG-Monitoring, Blutdruckmessung, Notfallbereitschaft) kann eine medikamentöse Herzbelastung erreicht werden und die Perfusion des Myocards mittels Einzelphotonen-Emissionscomputertomographie (SPECT), bzw. die Wandbewegung mit Ultraschall beurteilt werden.

Dipyridamol wirkt als Vasodilator, erweitert also gesunde Gefäße, die daraufhin einen erhöhten Blutfluss aufweisen. Stenosierte Gefäße bleiben verengt, so dass es dort – im Verhältnis zu den nun erweiterten gesunden Gefäßen – zu einer weiteren Abnahme der Durchblutung kommt. Diesen Effekt nennt man Steal-Effekt (s. o.) Die Myokardzellen werden nun nicht mehr ausreichend versorgt, was zur Ischämie führt[8] (Antidot: Theophyllin).[9]

Kombination mit Acetylsalicylsäure

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Heute wird der Arzneistoff in Kombination mit Acetylsalicylsäure (Aggrenox, früher Asasantin) vertrieben. Der erhöhte Nutzen dieser Kombinationstherapie im Vergleich zu einer alleinigen ASS-Gabe ist derzeit jedoch umstritten.

Der JASAP-Studie zufolge, die in Japan durchgeführt wurde, treten unter der Kombination von Dipyridamol mit ASS 1,47 Mal mehr Schlaganfälle auf als unter ASS alleine; auch die Kopfschmerzrate war erhöht.[10][11] Die von der Herstellerfirma Boehringer Ingelheim selbst initiierte JASAP-Studie konnte die Überlegenheit von Dipyridamol/ASS gegenüber ASS nicht nachweisen.[12] Im Jahr 2011 wurde trotz des Kostenunterschiedes zwischen der Kombinationstherapie und ASS (Tagesdosis: 1,60 € vs. 0,03 €) in der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie die Kombinationstherapie mit ASS/Dipyridamol zur Sekundärprophylaxe des Schlaganfalls bei Patienten mit hohem Rezidivrisiko empfohlen.[11]

Laut einer statistischen Auswertung des IQWiG ist die Kombination aus ASS und Dipyridamol zur Vermeidung erneuter Schlaganfälle nach erstmaligem Schlaganfall nicht wirksamer als die alleinige Gabe von ASS oder Clopidogrel.[13] Die Nutzenbewertung des IQWiG-Berichts beruht dabei auf der statistischen Auswertung der Ergebnisse von sechs Studien, u. a. ESPS-2,[14] ProFESS[15] und JASAP.[10] Die Ergebnisse der ESPRIT-Studie[16][17] wurden in der Nutzenbewertung durch das IQWiG nicht berücksichtigt.[18] Der Gemeinsame Bundesausschuss nahm den Bericht des IQWiG als Grundlage für seinen Beschluss vom 16. Mai 2013, das Medikament von der Verordnung auszuschließen.[19][20] Das Bundesministerium für Gesundheit bat jedoch auf der Grundlage von Informationen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), das einen Widerspruch zwischen der Nutzen-Risiko-Bewertung der Zulassungsbehörde und der Bewertung der Zweckmäßigkeit durch das IQWiG sieht, vor der Inkraftsetzung des Beschlusses den B-GA um eine ergänzende Stellungnahme.[21][22][23][24] Der Verordnungsausschluss ist am 1. April 2014 in Kraft getreten.[25]

Monopräparate
Persantin (A)

Kombinationspräparate
Aggrenox (D), Asasantin (A, CH)[26][27][28]

Einzelnachweise

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  1. a b Europäische Arzneibuch-Kommission (Hrsg.): Europäische Pharmakopöe 5. Ausgabe. Band 5.0–5.8, 2006.
  2. a b c Eintrag zu Dipyridamol. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 28. Dezember 2014.
  3. a b Datenblatt Dipyridamole bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 28. März 2011 (PDF).
  4. Karow/Lang, Pharmakologie und Toxikologie, 17. Auflage.
  5. B. Deuticke, E. Gerlach: Kompetitive Hemmung der Adenosin-Desaminase als mögliche Ursache der coronardilatierenden Wirkung einer Pyrimidopyrimidin-Verbindung, Naunyn-Schmiedeberg's Archives of Pharmacology, Band 255, 1966, S. 107–119. doi:10.1007/BF00544874.
  6. Wiebke Gogarten, Hugo Van Aken: Perioperative Thromboseprophylaxe – Thrombozytenaggregationshemmer – Bedeutung für die Anästhesie In: AINS – Anästhesiologie · Intensivmedizin · Notfallmedizin · Schmerztherapie. 47, 2012, S. 242–252; doi:10.1055/s-0032-1310414.
  7. S. A. Kozek-Langenecker, D. Fries, M. Gütl, N. Hofmann, P. Innerhofer, W. Kneifl, L. Neuner, P. Perger,T. Pernerstorfer, G. Pfanner et al.: Lokoregionalanästhesien unter gerinnungshemmender Medikation. Empfehlungen der Arbeitsgruppe Perioperative Gerinnung (AGPG) der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (ÖGARI). In: Der Anaesthesist, 2005, Volume 54, Number 5, S. 476–484; doi:10.1007/s00101-005-0827-0.
  8. R. Sicari, P. Nihoyannopoulos u. a.: Stress echocardiography expert consensus statement: European Association of Echocardiography (EAE) (a registered branch of the ESC). In: European journal of echocardiography, Band 9, Nummer 4, Juli 2008, S. 415–437, doi:10.1093/ejechocard/jen175. PMID 18579481.
  9. G. Herold (Hrsg.): Innere Medizin. 2010, S. 231.
  10. a b Shinichiro Uchiyama, Yasuo Ikeda u. a.: The Japanese Aggrenox (Extended-Release Dipyridamole plus Aspirin) Stroke Prevention versus Aspirin Programme (JASAP) Study: A Randomized, Double-Blind, Controlled Trial. In: Cerebrovascular Diseases. 31, 2011, S. 601–613, doi:10.1159/000327035.
  11. a b Thomas Lempert, Enrico Völzke: Arzneimittelstudien: Neue Transparenz durch Studienregister. In: Deutsches Ärzteblatt 108(23). 10. Juni 2011, abgerufen am 13. März 2013.
  12. Japanische Studie mit Aggrenox seit einem Jahr unveröffentlicht... Kein Hinweis auf Vorteil gegenüber ASS allein, aber Risikosignal. arznei-telegramm, 3. Mai 2010, abgerufen am 13. März 2013.
  13. Abschlussbericht A09-01 (PDF; 103 kB) Dipyridamol + ASS nach Schlaganfall oder TIA. IQWiG, 14. Februar 2011.
  14. H.C. Diener, L. Cunha u. a.: European Stroke Prevention Study 2. Dipyridamole and acetylsalicylic acid in the secondary prevention of stroke. In: Journal of the Neurological Sciences. 143, 1996, S. 1–13, doi:10.1016/S0022-510X(96)00308-5.
  15. Ralph L. Sacco, Hans-Christoph Diener u. a.: Aspirin and Extended-Release Dipyridamole versus Clopidogrel for Recurrent Stroke. In: New England Journal of Medicine. 359, 2008, S. 1238–1251, doi:10.1056/NEJMoa0805002.
  16. ESPRIT Study Group: Aspirin plus dipyridamole versus aspirin alone after cerebral ischaemia of arterial origin (ESPRIT): randomised controlled trial. In: The Lancet, 367, 2006, S. 1665–1673, doi:10.1016/S0140-6736(06)68734-5.
  17. ESPRIT Study Group; P. H. Halkes, J. van Gijn, L J. Kappelle, P. J. Koudstaal, A. Algra: Medium intensity oral anticoagulants versus aspirin after cerebral ischaemia of arterial origin (ESPRIT): a randomised controlled trial. In: The Lancet Neurology. Jg. 6, Nr. 2, 2007, S. 115–124.
  18. Schlaganfallbehandlung: Dipyridamol plus ASS bietet keine Vorteile. Zusatznutzen gegenüber ASS und Clopidogrel ist nicht belegt / Schwere Blutungen treten bei Kombinationsbehandlung häufiger auf. IQWiG, 11. April 2011, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 16. Dezember 2013; abgerufen am 11. Dezember 2013.
  19. Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Änderung der Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL): Anlage III – Übersicht der Verordnungseinschränkungen und -ausschlüsse Dipyridamol in Kombination mit Acetylsalicylsäure. (PDF) B-GA, 16. Mai 2013, abgerufen am 11. Dezember 2013.
  20. Tragende Gründe zum Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Änderung der Arzneimittel-Richtlinie: Anlage III – Übersicht der Verordnungseinschränkungen und -ausschlüsse Dipyridamol in Kombination mit Acetylsalicylsäure. (PDF) B-GA, 16. Mai 2013, abgerufen am 11. Dezember 2013.
  21. Die Beschlüsse und Stellungnahmen zur Arzneimittel-Richtlinie – Anlage III: Dipyridamol in Kombination mit Acetylsalicylsäure sind im Informationsarchiv des G-BA dokumentiert.
  22. Ulrich Orlowski: Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses gem. § 91 SGB V vom 16. Mai 2013 über eine Änderung der Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL): Anlage III – Übersicht der Verordnungseinschränkungen und -ausschlüsse: Dipyridamol in Kombination mit Acetylsalicylsäure; hier: Anforderung einer ergänzenden Stellungnahme gem. § 94 Absatz 1 Satz 3 SGB V. (PDF) 16. Juli 2013, abgerufen am 11. Dezember 2013.
  23. Josef Hecken: Ergänzende Stellungnahme gem. § 94 Abs. 1 3 SGB V zum Beschluss des G-BA vom 16. Mai 2013 über einen Verordnungsausschluss von Dipyridamol in Kombination mit Acetylsalicylsäure. (PDF) 23. September 2013, abgerufen am 12. Dezember 2013.
  24. Ulrich Orlowski: Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses gemäß § 91 SGB V vom 16. Mai 2013; hier: Änderung der Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL): Anlage III – Übersicht der Verordnungseinschränkungen und -ausschlüsse: Dipyridamol in Kombination mit Acetylsalicylsäure. Anforderung einer weiteren ergänzenden Stellungnahme gemäß § 94 Absatz 1 Satz 3 SGB V. (PDF) 7. Oktober 2013, abgerufen am 12. Dezember 2013.
  25. Verordnungseinschränkungen und -ausschlüsse (III) – Arzneimittel-Richtlinie/Anlage III: Dipyridamol in Kombination mit Acetylsalicylsäure. B-GA, abgerufen am 16. Februar 2022.
  26. Rote Liste Online, Stand: September 2009.
  27. AM-Komp. d. Schweiz, Stand: September 2009.
  28. AGES-PharmMed, Stand: September 2009.