Die Prinzessin auf der Erbse

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Die Prinzessin auf der Erbse – Illustration von Bertall

Die Prinzessin auf der Erbse (OT.: Prinsessen på ærten) ist der Titel eines der bekanntesten Kunstmärchen des dänischen Schriftstellers Hans Christian Andersen. Es erschien am 7. April 1837 in einer Ausgabe der Reihe Märchen, für Kinder erzählt (dänisch: Eventyr fortalte for Børn) und wurde seither in vielen Sprachen publiziert und oft adaptiert.

Illustration von Helen Stratton, 1899

Ein Prinz reist durch die Welt und sucht als Ehefrau eine „richtige“ Prinzessin. Er lernt zwar viele Prinzessinnen kennen, hat aber an allen etwas auszusetzen und kehrt traurig zurück.

Eines Abends klopft während eines Unwetters ein regennasses Fräulein, das von sich behauptet, eine „wirkliche“ Prinzessin zu sein, ans Stadttor. Um herauszufinden, ob sie die Wahrheit sagt, richtet die alte Königin für den Gast das Bett. Heimlich legt sie eine Erbse auf den Boden der Bettstelle und packt darauf zwanzig Matratzen und zwanzig Eiderdaunendecken. Am nächsten Morgen klagt die Prinzessin, sie habe die ganze Nacht fast kein Auge zugemacht. Etwas Hartes müsse im Bett liegen, so dass sie ganz braun und blau am ganzen Körper sei! Das ist für die Königsfamilie der Beweis: So empfindlich kann nur eine „wirkliche“ Prinzessin sein.

Daraufhin nimmt der Prinz sie zur Frau, denn nun weiß er, dass sie eine „richtige“ Prinzessin ist. Die Erbse wird in der Raritätenkammer aufbewahrt.

Das Märchen stand 1843 ausführlicher als bei Andersen unter dem Titel Die Erbsenprobe in der 5. Auflage von Grimms Märchen[1], wurde aber wieder aus der Sammlung herausgenommen und durch Die Geschenke des kleinen Volkes ersetzt. Als Begründung wird angegeben, dass es „wahrscheinlich aus Andersen (S. 42) stammt“, auch bei Cavallius „S. 222“ komme es vor.[2] Der 14-jährige Sohn Herman Grimm habe es für die 5. Auflage beigesteuert, sein Vater und sein Onkel hätten wohl die Herkunft nicht gleich bemerkt. Laut Hans-Jörg Uther stammen die Motive der weiblichen Überempfindlichkeit und der Bettprobe aus dem Orient, sie wurden aber von Andersen erstmals miteinander verknüpft.[3]

Der Literaturwissenschaftler Albertsen hat Andersens Die Prinzessin auf der Erbse im Rahmen seiner Analyse deutscher Übersetzungen aus dem Dänischen[4] interpretiert und dabei die stilistischen und syntaktischen Besonderheiten des Originaltextes, die teilweise von den Übersetzern übersehen worden sind, akzentuiert:

Kennzeichnend für Andersen sind sein bewusst raffiniert naiver Stil und sein spielerisch-ironischer Umgang mit den Märchenmotiven und der Märchenwelt: In der Prinzessin wird nach der Einleitungsformel „Es war einmal“ eine kleine Geschichte in einer mythisch vereinfachten königlichen Familienwelt ohne Dienstpersonal erzählt: Der Prinz reist durch die Welt und sucht vergeblich eine Frau. Der alte König macht das Stadttor auf. Draußen steht eine klatschnasse Prinzessin. Die alte Königin richtet für den Gast in der Schlafkammer ein Matratzen-Eiderdaunenbett als Schmerzenslager. Weitere konventionelle Märchenbausteine sind Wortwiederholungen „nicht so richtig, so traurig, so gern“. Und entsprechend dem „rein mythischen Singular des Märchens“ werden nur ein Schuh, durch den das Regenwasser fließt, eine Schlafkammer und eine Erbse genannt. In Pluralform gibt es nur Prinzessinnen und Matratzen.

Als Schwerpunkt seiner Analyse nennt Albertsen die Ambivalenz verschiedener Textpassagen, die er v. a. auf das Fehlen des Konjunktivs im Dänischen zurückführt. Andersen nutze dies zu einem „Schillern in Bezug darauf, wann ein Satz objektiv, wann er subjektiv gemeint ist“. Dieses „subtile Spiel zwischen Subjektivität und Objektivität“ finde man auch bei der Beschreibung „en rigtig prinsesse“ bzw. „en virkelig prinsesse“ am Wechsel der Schlüsselwörter „richtig“ (subjektiv in der Wahrnehmung des Prinzen) und „wirklich“ (objektiv, das Ergebnis der Erbsenprobe) und bei dem Wort „entsetzlich“: objektiv beim Wetter, subjektiv bei der Prinzessin. Die Klagen der empfindlichen Prinzessin sind bis auf die unausgesprochenen Gedanken der Königin die einzigen direkt gesprochenen Sätze. Nach Albertsen spricht sie „[w]ie eine kleine dumme Gans, in Ausrufen und Flüchen; zweimal sagt sie ‚entsetzlich‘. Sie hat ‚die ganze Nacht fast kein Auge zugemacht‘, nicht, wie man auf dänisch logisch sprechen müsste […]‚ ‚fast die ganze Nacht kein Auge zugetan‘. Die Sprache der Prinzessin ist ein Gewitter von Blitz und Donner und Ausrufezeichen. So heißt es denn am Ende: Es ist ganz entsetzlich!“ […] Damit setze sie nach Albertsen ihr subjektives Leiden mit dem „Wetter am Vorabend gleich[-]“ und berufe sich dazu floskelhaften auf Gott.

Am Ende des Märchens taucht das Schlüsselwort „richtig“ zum ersten Mal „mit neuer Applizierung“ auf: das war eine richtige Geschichte“. Hier stellt sich für den Interpreten die Frage, ob Andersen damit „eine wahre Geschichte“ oder „etwas typisch Unreales“, ein Märchen, meine: „Ist das Adjektiv richtig für ethisch voll zu nehmen als Kommentar zu einer Geschichte, die einen ganz richtigen Ausgang hat? […] Auf jeden Fall wissen wir aus der Geschichte, dass sich eine richtige Prinzessin mühelos zur wirklichen Prinzessin steigern lässt, aber im Bereich der Geschichte ist es keineswegs gegeben, dass das Richtige auch wirklich ist“: Im objektiven Gewitter entwickelt sich die Notlage des Mädchens, das von sich subjektiv behauptet, eine wirkliche Prinzessin zu sein, was durch die Erbsenprobe bestätigt wird, allerdings auf Grund höchst subjektiver Klagen, und zur objektiven Feststellung führt: dies ist eine wirkliche Prinzessin. Nach Albertsen gilt dieses Urteil allerdings nur „für das kleine mythische Königreich, das an der ganzen übrigen Welt etwas auszusetzen hat und selber nur als Geschichte existiert, nach der Gattungskonvention in längst vergangener Zeit und an fernem Ort, stilistisch aber wiederum höchst gegenwärtig, so kleinbürgerlich, als könnte man dies Königreich wirklich durch sein eigenes Fenster erblicken, so kolloquial, als wäre man mit der königlichen Familie per Du. Nicht die Farben einer fernen Märchenwelt, sondern die braunen und blauen Flecken von einer gelben Erbse. Sieh, das ist eine richtige Geschichte!“ Dazu passt für Albertsen der Hinweis Andersens auf die Kopenhagener Kunstkammer, die zum Zeitpunkt der Niederschrift des Märchens bereits seit einigen Jahren geschlossen war: „Es handelt sich um das alte königliche Raritätenkabinett, für das sich niemand mehr interessierte […]. Was Andersen sagt, ist vielmehr: offiziell wurde die Erbse geehrt, aber eigentlich interessiert sich niemand für sie bzw. dafür, ob sie überhaupt noch da ist.“

Illustration von Helen Stratton, 1899

Wichtige Illustrationen zu Andersens Erbsenprinzessin sind von Edmund Dulac,[5] Paul Hey, Heinrich Lefler[6] und Kay Nielsen.[7] Dulac zeigt die Situation, in der die Prinzessin in unglaublicher Höhe auf vielen Matratzen von der Erbse gepeinigt erwacht, Kay Nielsen entrückt das überzarte Prinzesschen in den Bildhintergrund – sie liegt auf dem Erbsenbett wie auf einer weltenthobenen Bühne, gerahmt von zwei überlängten Rundbogenfenstern. Paul Hey gibt der Szenerie eine Rokoko-Atmosphäre – hier wird die Irritation der schlafgestörten Prinzessin im Gesichtsausdruck interessant eingefangen. Heinrich Lefler interpretiert das Andersenmärchen in einem Andersenkalender: Die Prinzessin auf der Erbse erscheint hier als Mai-Monatsbild. Mit pointillistischen bunten Farbtupfern sitzt hier die Prinzessin im Federbettenmeer.

  • Ernst Toch: Die Prinzessin auf der Erbse op.43 – Musikmärchen in einem Aufzug nach Hans Christian Andersen, Kinderoper von 1927
  • Gérard Pesson: Trois contes, Kammeroper von 2019
Figur Prinzessin auf der Erbse im Freizeitpark Jesperhus
  • Jay Thompson, Marshall Barer und Dean Fuller (Buch), Mary Rodgers (Musik) und Marshall Barer (Liedertexte): Once Upon a Mattress von 1959
Die Prinzessin auf der Erbse in der Märchenhöhle Walldorf
  • Die Prinzessin auf der Erbse. Ein Kindermärchenlustspiel in 3 Bildern von Robert Bürkner

Deutsche Übersetzungen (Auswahl)

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Albertsen, Professor für Deutsche Literatur in Aarhus, zeigt am Beispiel von Andersens Die Prinzessin auf der Erbse die Probleme deutscher Übersetzungen aus dem Dänischen auf und vergleicht verschiedene Übersetzungen (s. u.) miteinander.[9] Im Allgemeinen bemängelt er, viele Übersetzungen hätten bei der inhaltlichen Wiedergabe viele Eigentümlichkeiten des Andersen-Stils vernachlässigt: „jenes schlafwandlerische Jonglieren mit Banalitäten und Modernitäten“. Damit sei „ein Teil des spezifisch Künstlerischen, dessen, was einen Kunsttext von einem Kommunikationstext unterscheidet“, verlorengegangen. Eine Ursache dafür sieht er in der „größere[n] Tendenz der dänischen Sprache zum indikativischen Hauptsatz […] bedingt einerseits durch die Wortstellung, die den dänischen Nebensatz weniger kräftig vom Hauptsatz unterscheidet, als das auf deutsch der Fall ist, anderseits durch den fehlenden Konjunktiv, der es weniger unterscheidbar bleiben lässt, wann eine indirekte Rede und wann vielmehr eine Aussage des Autors selber vorliegt“. Beides führe „zu einem Schillern in Bezug darauf, wann ein Satz objektiv, wann er subjektiv gemeint ist“. Während dem dänischen Lesepublikum dieses Schillern erhalten bleibe, müssten deutsche Übersetzungen Entscheidungen treffen.[10]

Für seinen Vergleich hat der Autor aus der großen Zahl der Übersetzungen, die von vielen miteinander konkurrierenden Verlage aufgelegt wurden, wie es Kaysers Bücherlexikon zeige, acht Beispiele aus und vergleicht sie mit seiner eigenen, eng am Originaltext orientierten Fassung.

  • Major von Jenssen (Georg Friedrich von Jenssen-Tusch): Die Prinzessin auf Erbsen. In: Märchen und Erzählungen. 1840. 3. Auflage 1846.
  • Julius Reuscher: Hans Christian Andersen: Die Prinzessin auf der Erbse. In: Sämmtliche Märchen. Illustriert von Ludwig Richter, Paul Thumann, Oscar Herrfurth, Theodor Hosemann, Graf Pocci und Oscar Pletsch. Ernst Justus Günther, Leipzig, 1841, 11. Auflage 1875. Verlag Abel und Müller, Leipzig, 32. Auflage (ca. 1890).
  • Pauline Klaiber: Die Erbsenprinzessin. In: Hans Christian Andersen: Märchen. Stuttgart, 1900.
Andersens Märchen. Mit 44 Vollbilder und 167 Abbildungen im Text nach Zeichnungen von Professor Hans Tegner (Kopenhagen). Paul Neff Verlag, Esslingen/Neckar, 1909.
  • Paul Arndt: Die Prinzessin auf der Erbse. Frei nach der Reclamschen Ausgabe bearbeitet. 42.Auflage, Stuttgart, um 1920.
  • Günther Jungbluth: Die Prinzessin auf der Erbse. In: Sechs Märchen des dänischen Dichters Hans Christian Andersen. Kopenhagen, 1955.
  • Werner Wolf: Die Prinzessin auf der Erbse. Offiziell vom Andersenhaus in Odense vertriebene und als Weltausgabe bezeichnete Übersetzung. Odense, 1958.
  • Thyra Dohrenburg: Hans Christian Andersen: Sämtliche Märchen. Illustrationen von Vilhelm Pedersen und Lorenz Frölich. Herausgegeben und mit Nachwort und Anmerkungen von Erling Nielsen. 2 Bände. Winkler Verlag, München, 1959, 1965.
  • Eva Maria Blühm: Die Prinzessin auf der Erbse. In: Andersens Märchen. Übersetzt von Eva-Maria Blühm unter „Benutzung der älteren Ausgaben“. Illustration: Vilhelm Pedersen und Lorenz Frölich. Kiepenheuer, Leipzig, Weimar, 1990.

Bilderbuchausgaben

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  • Hans Christian Andersen, Maja Dusiková (Illustration): Die Prinzessin auf der Erbse. NordSüd, Zürich 2009, ISBN 978-3-314-01694-3.
  • Hans Christian Andersen, Petra Lefin (Bilder): Die Prinzessin auf der Erbse, ein Märchen. Don Bosco, München 2014, ISBN 978-3-7698-2082-9.
  • Hans Christian Andersen, Julia Schuster (Hrsg.): Die Prinzessin auf der Erbse (Übersetzt von Mathilde Mann), Anaconda, Köln 2010, ISBN 978-3-86647-557-1.
Commons: Die Prinzessin auf der Erbse – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikisource: Die Erbsenprobe (1843) – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

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  1. Die Erbsenprobe, 1843, Nr. 182
  2. Brüder Grimm: Kinder- und Hausmärchen. Ausgabe letzter Hand mit den Originalanmerkungen der Brüder Grimm. Mit einem Anhang sämtlicher, nicht in allen Auflagen veröffentlichter Märchen und Herkunftsnachweisen herausgegeben von Heinz Rölleke. Band 3: Originalanmerkungen, Herkunftsnachweise, Nachwort. Durchgesehene und bibliographisch ergänzte Ausgabe. Reclam, Stuttgart 1994, ISBN 3-15-003193-1, S. 266.
  3. Hans-Jörg Uther: Handbuch zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm. de Gruyter, Berlin 2008, ISBN 978-3-11-019441-8, S. 479–482.
  4. Leif Ludwig Albertsen: Die deutschen und ihr Märchendichter Andersen. Bemerkungen zur Übersetzungsproblematik an Hand der ‚Prinzessin auf der Erbse‘. Anderseniana, Museum Odense, 1. Januar 1970. https://museumodense.dk/artikler/die-deutschen-und-ihr-marchendichter-andersen/
  5. Princess and the Pea. Illustration by Edmund Dulac. surlalunefairytales.com, 10. März 2007, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 28. Dezember 2010; abgerufen am 7. Dezember 2010 (englisch).
  6. Lefler and Urban - Andersen Kalender (1911). In: Spirit of the Ages Collection. Abgerufen am 1. Januar 2024.
  7. Bild der Erbsenprinzessin von Kay Nielsen (Memento vom 28. Dezember 2010 im Internet Archive)
  8. Die Prinzessin auf der Erbse - Trickfilm (ganzer Film auf Deutsch) - DEFA auf YouTube, abgerufen am 24. September 2020.
  9. Leif Ludwig Albertsen: Die deutschen und ihr Märchendichter Andersen. Bemerkungen zur Übersetzungsproblematik an Hand der ‚Prinzessin auf der Erbse‘. Anderseniana, Museum Odense, 1. Januar 1970.
  10. Leif Ludwig Albertsen: Die deutschen und ihr Märchendichter Andersen. Bemerkungen zur Übersetzungsproblematik an Hand der ‚Prinzessin auf der Erbse‘. Anderseniana, Museum Odense, 1. Januar 1970.
  11. Claudia Fromme: Prinzessin auf der Erbse. In: Süddeutsche Zeitung. Nr. 136, 16./17. Juni 2018, S. 47.